INTERVIEW
„Ich bin keine Zylinderzicke“
Kerstin Stegemann wurde mit der Frauenfußball-Nationalelf 2003 und 2007 Weltmeister. Nebenbei bringt die Sportsoldatin noch eine Handvoll Reitpferde auf Turnierniveau – und gewinnt dabei schon mal selbst. Interview Kathrin Steinbichler

Kerstin Stegemann

„Reiten ist Entspannung“ : Kerstin Stegemann
Foto Mareike Foecking



RUND: Frau Stegemann, Sie sind eine der verdientesten Nationalspielerinnen, trotzdem stehen meist andere im Mittelpunkt. Stört Sie das?

Kerstin Stegemann: Mir ist das ganz recht. Das hängt wohl auch mit meiner Position zusammen: Über Defensivspieler spricht man nur, wenn sie einen Fehler machen. Ich möchte auch gar nicht so in der Öffentlichkeit stehen. So ruhig, wie es ist, gefällt es mir.

RUND: Bundestrainerin Silvia Neid sagt über Ihren Stand in der Nationalelf: „Wir wechseln in der Abwehr schon mal links oder in der Mitte, aber rechts nie.“ Ein größeres Kompliment gibt es wohl nicht?
Kerstin Stegemann: Ich denke, dass es in der Nationalmannschaft grundsätzlich keine Stammplätze gibt. Und in Zukunft wird sie auch mehr testen müssen. Mit mir oder Birgit Prinz plant sie vielleicht noch zwei, drei Jahre, bis dahin muss der Nachwuchs ja auch mal eine Chance bekommen.


RUND: Neben dem Fußball reiten Sie auch auf ziemlich hohem Niveau. Wie machen Sie das denn bei einem mehrwöchigen Turnier wie bei der WM? Haben Sie dann Entzugserscheinungen?
Kerstin Stegemann: Das kann man wohl sagen. Reiten ist einfach eine große Leidenschaft von mir, das mache ich schon von klein auf. Bei der letzten WM 2003 muss ich jedenfalls ziemlich unerträglich gewesen sein, einfach nicht ausgelastet. Bei Turnieren sind ja die sportlichen Belastungen außer an den Spieltagen nicht so groß. Trainiert wird ja zwischendurch nicht mehr so viel. Und wenn man sonst täglich ein paar Stunden auf dem Pferd sitzt oder auf dem Fußballplatz steht, hat man das Gefühl, man müsste jetzt was machen. Also haben sie damals in den USA meiner Zimmerkollegin Pia Wunderlich und mir zwei Pferde organisiert, und dann sind wir in Los Angeles reiten gewesen, das war echt nett. Ich konnte mich nie so richtig zwischen den beiden Sportarten entschieden, aber im Fußball war ich eindeutig besser, also muss der Reitsport eben so nebenbei klappen. Da kann es schon vorkommen, dass ich am Sonntag um elf Bundesligaspieltag habe mit Rheine und ich morgens gegen sieben noch eben schnell zum Springen auf ein Reitturnier gehe. Und nachmittags um drei bin ich dann auch schon wieder auf dem Pferd.

RUND: Klingt anstrengend. Wie bekommen Sie das denn körperlich alles hin?
Kerstin Stegemann: Reiten ist für mich Entspannung. Deshalb habe ich auch Streit mit den Reitern hier in der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Weil ich immer sage: Reiten ist nicht anstrengend. Klar, die machen es natürlich intensiver als ich, aber im Vergleich zum Fußball ist die Belastung gering.

RUND: Machen Sie nur Springreiten oder auch Dressur?
Kerstin Stegemann: Also, ich trainiere bei meinen vier Pferden beides, aber zu den ganz harten Dressurreiterinnen gehöre ich nicht, also zu denen, die im Frack und mit Zylinder reiten. Ich sage immer „Zylinderzicken“, wenn wir im Verein über die Dressurreiterinnen reden, weil da doch immer alles ganz leise sein und alles ganz streng zugehen muss. Ich sehe bei Turnieren aus wie sonst und gehe mit meinen Pferden auch ganz locker um. Umso mehr ärgert das dann diese Zylinderzicken, wenn ich mal wieder ein Turnier gewinne. Aber grundsätzlich bin ich eher Springreiterin.

Kerstin Stegemann

Reiten als Leidenschaft: Kerstin Stegemann und eines ihrer vier Pferde

Foto Mareike Foecking

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