Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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INTERVIEW
„Es war außergewöhnlich"
Die Fußballer von Bayern Hof fuhren im Sommer 1969 für zwei Freundschaftsspiele nach Israel – als erste deutsche Mannschaft. Regisseur Götz Gemeinhardt hat einen Film über die aufregende Reise gedreht. Interview Matthias Greulich

Abraham Klein
Wiedersehen nach 40 Jahren: Schiedsrichter Abraham Klein (links) und Franz Anders, ehemaliger Präsident von Bayern Hof



RUND: Herr Gemeinhardt, wieso war gerade Bayern Hof im Juni 1969 die erste deutsche Mannschaft, die in Israel spielen durfte?

Götz Gemeinhardt: Das war reiner Zufall. Der Hofer Oskar Weissmann, ein jüdischer Unternehmer, machte dem damaligen Vereinsvorsitzen Franz Anders den Vorschlag, nach Israel zu fahren. Anders sagte, eine solche Reise sei überhaupt nicht seine Aufgabe. Er müsse dafür sorgen, dass die Mannschaft guten Fußball spielt: Bayern Hof war 1968 Süddeutscher Meister und ganz nah dran am Aufstieg in die Bundesliga. Schließlich schrieb er doch einen Brief an das Innenministerium nach Bonn sowie nach Israel. Er ist ein cleverer Funktionär und hat ein bisschen getrickst, beide Briefe hat er am selben Tag abgeschickt. Die Deutschen bat er: Israel hat uns eingeladen, wir können das aber nicht aus der Vereinskasse bestreiten. Könnt ihr das fördern? Den Israelis schrieb er, dass ihn die Deutschen unterstützen würden, wenn Bayern Hof in Israel Fußball spielen könne. Der Trick klappte, weil niemand auf das Datum der beiden Briefe geachtet hatte.

RUND: In Ihrem Dokumentarfilm „08397B“ sagt der Sporthistoriker Manfred Lämmer, die Sportler seien vor den Diplomaten da gewesen.
Götz Gemeinhardt: Es ist heute noch etwas Besonderes, in Israel zu sein. Zu dieser Zeit war außergewöhnlich, mit einer Gruppe deutscher Fußballer nach Israel zu fahren.



 

RUND: Wie lief es sportlich?
Götz Gemeinhardt: Das erste Spiel in Nahariya gegen eine Regionalauswahl Nord-Israels hat Bayern Hof 2:0 gewonnen. Beim zweiten Spiel gegen den damaligen Rekordmeister Hapoel Petah Tikwa verloren die Deutschen 0:3. Netanya hatte kurzfristig zu ihren eigenen Nationalspielern noch weitere Nationalspieler als Gastspieler verpflichtet, um auf Nummer sicher zu gehen.
RUND: Welche Erinnerungen haben die Spieler an die historischen Partien?
Götz Gemeinhardt: Wir haben mit verschiedenen Fußballern gesprochen. Der prominenteste auf israelischer Seite ist Mordechai Spiegler, der erste und einzige Torschütze Israels bei einer Weltmeisterschaft, 1970 in Mexiko. Er hat auch gegen Bayern Hof getroffen. Spiegler wird der „Beckenbauer Israels“ genannt. Er hat seine Erinnerung an das Spiel sehr emotional geschildert. Die Zeremonie vor dem Anpfiff und wie sich die Spieler die Hände gegeben haben.

RUND: Gab es Israelis, die sich weigerten, gegen Deutsche zu spielen?
Götz Gemeinhardt: Nein, überhaupt nicht. Im Norden Israels, wo das erste Spiel stattfand, lebten damals viele deutsche Auswanderer. Die Siedlung Nahariya wurde von Überlebenden des Holocaust gegründet. Vor 40 Jahren konnte man sich dort mit Deutsch verständigen. Für die Spieler war der Sport das Wichtige. Sie haben sich fußballerisch einiges von den Gästen abgeschaut. Im Hinterkopf hatten sie natürlich, dass die Eltern der Hofer bei der SS oder der Wehrmacht gewesen sein konnten. Sie sagten aber, dass sie durch das Spiel lernten, sich 90 Minuten auf dem Platz als Gegner gegenüber zu stehen, und sich hinterher die Hand geben zu können. Sie sagten, das Spiel sei eine Art Vergebung für den Holocaust.

RUND: Sie haben auch mit dem Schiedsrichter Abraham Klein gesprochen, der die erste Partie der Hofer gepfiffen hatte.
Götz Gemeinhardt: Ich hatte ihn vor zwei Jahren getroffen, als ich in Israel recherchierte. Da war er noch ein bisschen zögerlich, ob Bayern Hof wirklich die erste deutsche Mannschaft war. In Israel glauben viele immer noch, dass es die Gladbacher waren. Aber das ist von Sporthistorikern widerlegt worden.

RUND: Borussia Mönchengladbach war im Frühjahr 1970 in Israel.
Götz Gemeinhardt: Sie haben die engere Bindung dorthin, weil sie danach zehn Jahre lang immer zur Weihnachtszeit ins Trainingslager gefahren sind.

RUND: Klein wurde bekannt als Schiedsrichter des Spiels zwischen Deutschland und Österreich 1978, der „Schmach von Córdoba“.
Götz Gemeinhardt: Er sagte, dass in seiner Karriere die Deutschen eine große Rolle spielten. Seine internationale Karriere begann mit dem Spiel von Bayern Hof und endete 1982, als er Linienrichter beim WM-Finale zwischen Deutschland und Italien war.

RUND: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Dokumentarfilm über die Reise zu machen?
Götz Gemeinhardt: Ich bin Fan von Bayern Hof und wollte eigentlich einen Film über die Geschichte des Klubs machen. Wir spielen zwar momentan nur noch fünftklassig in der Bayernliga, haben aber jede Menge Tradition. In Deutschland gibt es aber Klubs mit einer ähnlich aufregenden Geschichte: Von Darmstadt 98, Schwarz-Weiß Essen, FSV Zwickau über Altona 93 und anderen, die heute ebenfalls keine große sportliche Rolle mehr spielen. Deshalb begann ich, mein Interesse auf die Israel-Reise zu fokussieren. Als ich zufällig Manfred Lämmer von der Deutschen Sporthochschule in Köln traf, der sich intensiv mit deutsch-israelischen Sportbeziehungen beschäftigt, wusste ich: Das Thema ist auch für andere interessant.

Bayern Hof
Das Spielplakat: der S.C. Bayern Hof in Israel


RUND: Wann wird der Film zu sehen sein?

Götz Gemeinhardt: Ein Starttermin steht noch nicht fest. Wir wollen ihn aber bei einigen Festivals einreichen. Auch in Israel. Es gibt aber noch nichts Konkretes.

RUND: Der ungewöhnliche Filmtitel sieht aus, wie die Nummer eine Eintrittskarte.
Götz Gemeinhardt: Woher der Name „08397B“ stammt, möchte ich jetzt noch nicht verraten.

Götz Gemeinhardt
Bei den Dreharbeiten in Israel: Götz Gemeinhardt

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