FANS
„Ein Stadion muss nach Bratwurst riechen“
Fortuna-Fans und ihre Liebe zu einem Fünftligisten und seinem maroden Stadion. Ein Porträt der kleinen aber aktiven Fanszene von Fortuna Köln. Von Jan Zurheide.

Fans von Fortuna Köln

Gesänge in der Südstadt: Die Fans von Fortuna Köln haben einiges mitgemacht


„Övver Kölle es et düster“, so fängt sie an, die Hymne von Fortuna Köln, die immer wieder von den Fans im Südstadion angestimmt wird. Im Refrain geht dann zwar doch noch das Licht an in der Südstadt, doch lange sah es so aus, als ob es endgültig ausbleiben würde.
Mittlerweile ist der Traditionsklub in der fünften Liga gelandet.

Trotz der seit Jahren andauernden sportlichen Durststrecke existiert immer noch eine lebendige und für die fünfte Liga durchaus bemerkenswerte Fanszene. Wenn man sich jedoch in dem zu großen, weitläufigen und zugigen Südstadion umsieht, kommt zwangsläufig die Frage auf, warum man freiwillig Fan dieses Klubs ist, wo doch 7,5 Kilometer nordwestlich das genaue Gegenteil wartet.
Die Gegensätze sind klar: Bundesliga - NRW-Liga, 50.000 Zuschauer - 700 Zuschauer, Bayern, Schalke, Hamburg – Sprockhövel, Wiedenbrück, Schermbeck. Es gibt keinen Vergleich, bei dem der Südstadt-Klub gegenüber dem großen 1.FC Köln annährend mithalten könnte. Was also bewegt die treuen Fans dazu jedes Wochenende die Fortuna vorzuziehen?

„Es ist eben das etwas Andere, das Familiäre. Hier trinkt jeder mit jedem sein Bier, dadurch entsteht ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl“, begründet Ingolf Stollens seine Leidenschaft. Er ist Fanbeauftragter und koordiniert die Aktivitäten der Fanszene, die immerhin fünf Fanklubs beinhaltet und einen Kern von 100-150 aktiven Fans vorweist. Unter ihnen befindet sich mit dem Fanklub „Fortuna Eagles“ die nach eigenen Angaben erste Ultra-Bewegung Deutschlands. Ultras sind Fans, die sich besonders stark mit ihrem Verein identifizieren und sich durch Aktionen, Choreografien und Gesänge merklich von anderen Fans abheben wollen. Zu ihnen gehören auch Chris (36) aus Zollstock und Andreas (38) aus Vogelsang. Kräftige Gestalten, deren Statur zwangsläufig Respekt einflößt. Ihr Händedruck steht dem äußeren Erscheinungsbild in nichts nach. Andreas hat die „Eagles“ 1986 zusammen mit zwei Italienern gegründet. Auch Chris ist ein Fan der ersten Stunde. Für die beiden Urgesteine der Fanszene sind das familiäre Umfeld und der große Zusammenhalt ebenfalls ein wesentlicher Grund warum sie ins Südstadion gehen. „Fortuna war nie eine Masse, aber wir standen immer zusammen“, betont Andreas.

Doch nicht nur innerhalb der Fanszene herrscht ein großer Zusammenhalt, auch zwischen Fans und Spielern besteht eine enge Bindung. Die im Gegensatz zum FC kleine Fanszene macht es möglich, dass die Spieler den harten Kern der Fortuna-Fans persönlich kennen und mitunter nach einem Auswärtsspiel sogar auf die bequeme Heimfahrt im Mannschaftsbus verzichten, um gemeinsam mit den Fans zurückzureisen.

Vor allem die Auswärtsfahrten haben die kleine Fangemeinde zusammengeschweißt. Ob zu Zweitligazeiten in Schottenröcken nach Meppen oder wie in den letzten Jahren auf die Dorfplätze der Verbands- oder NRW-Liga, die treuen Fortuna-Fans begleiten ihre Mannschaft wo immer sie der sportliche Weg hin verschlägt. Sie gewinnen den Stadien der fünften Liga sogar mehr ab als den modernen Fußball-Arenen. „Die sind mir zu steril. Das ist alles nach Reißbrett-Schema. Ein Stadion muss nach Bratwurst riechen“, sagt Chris, der gerade deshalb so gerne ins Südstadion kommt. „Ich liebe das Stadion und will auch kein anderes“, betont er.

Vor allem die vielen kleinen Erlebnisse machen die Auswärtsfahrten auch in der NRW-Liga für die Fortuna-Fans attraktiv. „Die Leute freuen sich, wenn wir zu ihnen kommen und endlich mal was los ist. Die sind alle viel gelassener als in den großen Städten“, sagt Andreas. In der Tat dürften Geschichten wie die des Besitzers der Wurstbude im Iserlohner Schleddestadion in höheren Ligen ausgeschlossen sein. Aufgrund der unerwartet hohen Anzahl von Gästefans mit entsprechendem Appetit sah er sich gezwungen während des Spiels zum benachbarten Supermarkt zu fahren um neue Würstchen und Fleischspieße zu besorgen.

Doch trotz der von den Fortuna-Ultras so geliebten Stadion-Romantik der maroden aber traditionellen Spielstätten in Herne, Essen, oder eben auch im Kölner Süden sehnen sie sich doch nach Höherem. „Schöne große Vereine und viele Zuschauer, das vermisst man schon“, gibt Andreas zu.
Das alles hatten sie früher. 26 Jahre Zweite Liga, auch kleinere Erfolgserlebnisse wie das DFB-Pokalfinale 1983 oder die Erstligasaison 1973/74 konnte man feiern. Trotzdem gab es in der Stadt nie einen Zweifel an der klaren Präferenz der Kölner für den FC. Die Fortuna hat auch nie so polarisiert wie der FC St. Pauli in Hamburg oder 1860 München. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass es nie dazu kam, dass in Köln zwei annährend gleichwertige Fanlager entstanden sind. Eine Rivalität zwischen FC und Fortuna sucht man in Köln vergeblich. „Die sehen uns eher als kleinen Bruder und finden die Fortuna auch ganz gut“, erklärt Chris. Bestes Beispiel für das friedliche Verhältnis war das Aufstiegsspiel zur NRW-Liga 2008 gegen den VfL Leverkusen. Unter den knapp 6500 Zuschauern befanden sich auch etliche FC-Fans die den Kölner Verein unterstützten. Ein einmaliges Szenario wie es in den anderen Millionenstädten München, Hamburg oder Berlin undenkbar wäre. „In Köln sind die Leute einfach entspannter und sozialer. Die Kölner Mentalität spielt da sicherlich eine Rolle“, begründet der Fortuna-Fanbeauftragte Stollens diese besondere Beziehung.

Entscheidend ist zudem die nicht vorhandene soziale oder politische Abgrenzung zwischen den Fanszenen. So kann man nicht sagen, dass Fortuna der Arbeiterverein oder der Verein der linken Szene wäre.

Die mangelnde Abgrenzung zum FC sichert der Fortuna zwar immer noch Sympathien in Köln, höhere Zuschauerzahlen sind so jedoch kaum zu erreichen. Die Kölner mögen die Fortuna, nur hingehen tun sie nicht.

Diejenigen, die noch hingehen tun dies jedoch aus Überzeugung und mit Leidenschaft. Ihr Enthusiasmus während der Heimspiele ist ansteckend und zeugt von enger Verbundenheit und echter Hingabe. Schon allein durch sie wird in der Südstadt auch weiterhin „et Licht anjehn“.



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