HISTORIE
Wie die Einkommen explodierten
60 Jahre Bundesliga: Anfangs durften die Profis offiziell nur 1.200 Mark verdienen, obwohl unter der Hand ganz andere Summen  gezahlt wurden. Ein Auszug aus dem Buch „50 Jahre Bundesliga“. Von Karlheinz Mrazek und Matthias Greulich.

 

Franz BeckenbauerSpitzenverdiener der Liga: Franz Beckenbauer im WM-Jahr 1974 im Bayern-Trikot. Foto Pixathlon

 

Im Herbst 1967 waren es Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker und Bayern-Manager Robert Schwan leid, das verlogene Spiel mit illegalen Geldzuwendungen, frei nach dem Motto: »Nur wer sich erwischen lässt, ist ein Gauner«, länger zu tolerieren. Das Duo wollte eine Anhebung des Beckenbauer-Einkommens erreichen und letztlich den Boden für eine Freigabe der Gehälter bereiten.

Das Bundesligastatut erlaubte damals als Höchstgage 1.200 Mark im Monat. Es wurde an Ausnahmespieler gezahlt, zum Beispiel an »Löwen«-Torhüter Petar Radenkovic und Franz Beckenbauer, mit 20 bei der WM 1966 in England zum Weltstar geworden.

Neudecker und Schwan machten den Vorstoß in Hamburg, wo im Oktober 1967 das EM-Qualifikationsspiel gegen Jugoslawien (3:1) stattfand. Ansprechpartner war Franz Kremer, der Vorsitzende des Bundesligausschusses aus Köln. Als Ergebnis einer stundenlangen Beratung dieses Gremiums gab Kremer dann bekannt: »Nach reiflicher Überlegung sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass die augenblickliche Situation geändert werden muss. Wir sehen ein, dass die Schwierigkeit, Franz Beckenbauer im Land und für die Nationalelf zu behalten, ein Entgegenkommen verlangt. Deshalb sind wir einverstanden, dass der FC Bayern München das Monatsgehalt für den Spieler Beckenbauer von 1.200 auf 1.400 Mark erhöht.« Neudecker und Schwan glaubten, im falschen Film zu sein. 1400 Mark für einen Weltstar als Maximum, das wollte nicht in ihre Köpfe. 1.400 Mark verdiente seinerzeit ein Buchhalter oder der Redakteur einer Provinzzeitung.

Wie Schwan reagierte, beschrieb Beckenbauer in seinem Buch »Ich – wie es wirklich war« so: »Ihn ärgerte vor allem die Scheinheiligkeit. Wusste er doch ganz genau, dass der Ausschussvorsitzende als Präsident des 1. FC Köln dem 54er Weltmeister Hans Schäfer in der Bundesliga weder 1.200 noch 1.400 Mark, sondern wesentlich mehr zahlte.«

 

 

50 Jahre Bundesliga

Karlheinz Mrazek/Matthias Greulich: 50 Jahre Bundesliga, Copress Verlag, 19,90 Euro, 256 Seiten, ISBN 978-3-7679-0921-2



Sehr viel stärker wurden die Profigehäter durch ein Gerichtsurteil beeinflusst, auf das die Bundesliga nicht vorbereitet war und das die gesamte Fußballwelt radikal veränderte: Der belgische Fußballspieler Jean-Marc Bosman, seinerzeit Amateur beim belgischen Viertligaklub Cercle Mechelen, errang vor dem EU-Gerichtshof einen Sieg von weit tragender Bedeutung. »Er hat«, schrieb Matthias Geyer im »Kölner Stadt-Anzeiger«, »das Gebäude des europäischen Sports, das auf festem Fundament zu ruhen schien, mit großem Knall in die Luft gejagt.«

Der Gerichtshof entschied, dass der Freizügigkeitsartikel 48 des EWG-Vertrages auch auf den Fußball anzuwenden sei. Damit war die Ausländerklausel (nur vier Spieler aus einem EU-Land in einem Klub) Makulatur. Einen Aufschrei in der Branche aber verursachte die Aufhebung der Ablösesummen bei vertragsfreien Profis, die Kritiker oft als »Menschenhandel« bezeichnet hatten. »Damit wurde den Vereinen, die wichtigste Möglichkeit der Refinanzierung genommen«, beklagte Wolfgang Holzhäuser, bis 1998 DFB-Ligasekretär, die Entscheidung. Vergeblich, so war zu lesen, sollen Mittelsmänner dem Belgier Schweigegelder bis zu 2,2 Millionen Mark geboten haben, damit er seine Klage zurücknimmt. Diese Versuche jedoch kamen zu spät; der »Michael Kohlhaas in kurzen Hosen« (»Süddeutsche Zeitung«) war längst vom Gerechtigkeitssinn gepackt..

Das Urteil hatte weit reichende Folgen. Nachdem die einzelnen Landesverbände zunächst den »Schaden« einzudämmen versuchten, Zwischenlösungen anstrebten und auf politische Unterstützung durch ihre Regierung hofften (so auch der DFB), machte die EU unmissverständlich deutlich, dass sie eine sofortige Umsetzung des Urteils verlange. So fielen dann auf Druck der EU in kürzester Zeit nicht nur die Ablösesummen weg, sondern auch die Ausländerklauseln. Einzelne Verbände öffneten danach ihre Ligen weiter als es das Urteil verlangte und hoben teilweise jegliche Form der Ausländerbeschränkung auf. Auch der DFB handhabte die Bestimmungen höchst liberal; er gab grünes Licht für alle Ausländer.

Eine wahre »Völkerwanderung« nicht nur in Europa, sondern weltweit setzte ein. Hatte die Ausländerrestriktion bis dahin verhindert, dass vor allem die reichen Klubs der west- und südeuropäischen Ligen hemmungslos Spitzenspieler ins Land holten, so kannten sie jetzt keine Grenzen mehr. Gewinner der Neuregelung waren vor allem Stars, deren ohnehin schon horrende Gehälter nach dem Wegfall der Ablösesummen weiter anstiegen und zum Teil Schwindel erregende Höhen erreichten.

Nicht nur die Ausländer machten vor Bosman einen symbolischen Kniefall, auch die Bundesligaprofis waren vom Urteil begeistert. Jahresgehälter von mehr als einer Million Mark, bis zum Bosman-Urteil die Ausnahme, wurden jetzt zur Regel. Innerhalb eines Jahres erhöhten sich die Schulden der Bundesligaklubs um rund 125 Millionen Mark (!).

1994 standen die Klubs vor einem 470 Millionen Mark hohen Schuldenberg. Ende der 90er-Jahre überstieg der Pegel die Milliardengrenze, drohte zahlreichen Bundesligaklubs die Insolvenz. Ein neuer Fernsehvertrag mit der Kirch Media rettete die Liga dann vor dem Kollaps. Für die Saison 1999/2000 gab es statt bisher 255 Millionen 330 Millionen Mark und 2000/01 kassierten die Klubs das Wahnsinnshonorar von 695 Millionen Mark, obwohl weder Sat.1 mit »Ran« noch Premiere jemals schwarze Zahlen geschrieben hatten.

Die Kirch-Pleite 2002 hat der steilen Wachstumskurve nur kurzfristig eine Delle verpasst: In der 50. Bundesligasaison 2012/13 sind es 412 Millionen Euro, ab der Saison 2013/14 bekommt die Liga dann sogar 628 Millionen Euro. Die zusätzlichen Millionen haben allerdings selbst hochverschuldete Klubs nur teilweise zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten verwendet. Stattdessen sind die Gehälter der Topstars in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Während Oliver Kahn vor zehn Jahren geschätzte sieben Millionen Euro (inklusive Werbeeinnahmen) pro Jahr verdiente, sind es bei  Franck Ribéry geschätzte zehn Millionen: 1630 Mal soviel wie ein Spitzenverdiener 1963 mit 1.200 Mark (613,55 Euro) bekam.

Es sind allerdings nur die Gehälter der Topstars explodiert. Das Gros der etwa 1300 Profi-Fußballer hierzulande ist von den Millionen-Gagen eines Ribery weit entfernt. Im Sommer 2011 zitierte die »Süddeutsche Zeitung« Lars Kindgen, den Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VdV, wonach ein durchschnittlicher Bundesligaspieler monatlich im Durchschnitt 20 000 bis 25 000 Euro Grundgehalt verdient. Vorbei sind die Zeiten, die der »Spiegel« im Mai 2003 beschrieb: »Funktionäre und Spieler der Krisenvereine Leverkusen und Kaiserslautern haben es sich im Elend dieser Scheinwelt besonders gemütlich gemacht. Bei Bayer Leverkusen erhalten Durchschnittsspieler 1,5 Millionen Euro garantiert, dazu noch eine halbe Millionen extra, wenn sie häufig spielen, plus Siegprämien.«

Die inzwischen hervorragende Jugendarbeit in Deutschland hat die immer noch stattlichen Gehälter nach unten gedrückt: »Viele Vereine ziehen lieber einen Jugendspieler hoch, als einen arrivierten und dementsprechend teureren Profi zu verpflichten«, so Lars Kindgen in der »Süddeutsche Zeitung«. Hinzu kommt, dass viele Klubs ihre aufgeblähten Spielerkader aus Kostengründen verkleinert haben.  


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