FERNSEHEN
Zum Fremdschämen: "Herr Klopp, war's das?"
Sportreporter zwischen Oberflächlichkeit und Comedy: Warum viele Trainer und immer mehr Zuschauer die Interviews nach Spielschluss nicht mehr ertragen können. Ein Kommentar von Giovanni Deriu.

 

Jürgen Klopp
Genervt vom TV-Moderator: Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Foto Pixathlon

 

Ein Trainer hat es schwer: Das Spiel ist gerade einmal acht Minuten alt, da muss er auch schon Rede und Antwort stehen, die erste Analyse abgeben für die Fernsehsender. Dass den meisten Trainern aber ausgerechnet bei den öffentlich Rechtlichen Sendern der "Gaul durchgeht", wie neulich erst wieder bei BVB-Coach Jürgen Klopp, und das live, hat seine Gründe. die Moderatoren scheinen oberflächlicher zu werden, und mit Comedians konkurieren zu wollen. Zum Leidwesen von Fußball-Fans und Experten, die sachlich informiert werden möchten.

Dass Klopp nun abermals ausgerechnet Jochen Breyer dermaßen auflaufen ließ, ist bedauerlich - aber verständlich. Der ZDF-Mann, der erst seit Kurzem zum Sport-Anchorman avancierte, war eigentlich eine hoffnungsvolle Neuerscheinung auf den Bildschirmen Deutschlands. Breyer brachte eine Leichtigkeit in die Berichterstattung. Außerdem kann er simultan aus dem Spanischen dolmetschen. Nun ist er ein unverbrauchtes Gesicht, das sich zunehmend selbst seziert.

Auch bei Jochen Breyer, 32, nimmt die Unsachlichkeit und Oberflächlichkeit zu. Diese ist man seit Jahr und Tag eher von ZDF-Außenreporter Boris Büchler gewohnt, dem schon andere Blogger und Medien oft "eine Schleimspur" am Spielfeldrand und in der Mixed Zone unterstellen – nicht um ihn anzugreifen, sondern als Kritik, die Spiele besser aufzuarbeiten.

Neulich stand Jochen Breyer im Studio mit Oliver Kahn, der die Situation noch zu retten versuchte. Doch nach Borussias 0:3 bei Real Madrid, war auch Breyer nicht mehr zu retten. Der Zuschauer fühlte mit Jürgen Klopp mit, dessen Elf kein Tor gelungen war. Gerade nach solch herben Niederlagen täten gelungene Fragen plus Aufbereitung der wichtigsten Szenen Not. Der Sportmoderator auf Augenhöhe, das mag der gemeine Fan, Hobbytrainer oder Spieler.

Stattdessen passierte eine Szene zum Fremdschämen:  Jochen Breyer wollte ganz spontan und oberschlau und witzig keck (so sicher weiß man es nicht) rüber kommen, und erntete einmal mehr eine patzige aber souveräne Reaktion von Jürgen Klopp, der das Mikro aus der Hand gab, während Breyer bereits die Gesprächsführung verloren hatte. Anschließend konnte er sich einige Kommentare über Klopps Verhalten nicht verkneifen.

Wie Klopp die Chancen im Rückspiel sehe, fragte Breyer und wollte zeigen, was für ein scharfer Hund er ist. "Sie haben gerade gesagt, wir treten natürlich an, aber die Sache ist durch, oder?" Klopp rang erneut nach Worten, ehe er seinem Unverständnis kopfschüttelnd Ausdruck verlieh: "Wie könnte man mir Geld überweisen für meinen Job, wenn ich heute hier sagen würde, die Sache ist durch? Das wäre genauso doof, als wenn ich sagen würde, wir hauen die sicher weg."

Damit aber nicht genug, ziemlich eindeutig leitete Klopp einen weiteren Pass ein:"Entschuldigung, ich möchte nicht im ZDF-Studio schon wieder mit jemanden aneinandergeraten. Aber auf doofe Fragen kann ich nur doof antworten. Wie wir alle wissen."  Breyer stand bedröppelt da, statt es auf sich beruhen zu lassen, wollte er bei den Zuschauern, Klopp war längst fort, Boden gut machen.

Auch Louis Van Gaal bellte als Bayern-Trainer so manch einen unvorbereiteten Reporter harsch an. Jeder solle eben den Job nach bestem Wissen und Gewissen erledigen, sich gut vorbereiten, und die Spiele fachlich gut - wenn es sein muss, mit anderen Experten - analysieren.

Genauso sehen es auch José Mourinho und Pep Guardiola, letzterer zwar gut in der deutschen Sprache, aber nicht gut genug, um ironische Feinheiten zu verstehen, oder Spitzen an Reporter zu verteilen. Dazu ist Jürgen Klopp da, der seinerseits beim ZDF einer der profiliertesten TV-Experten während der WM 2006 war.

Es ist wohl einmalig in Europa, dass, wie in Deutschland, Sportreporter gerne auch ein bisschen Comedians sein wollen. Oder es gar sind wie Oliver Welke, der diesen Spagat ganz gut hinbekommt. Verglichen mit Reportern aus anderen Ländern, wie etwa England, Spanien oder Italien, bleibt auch Welke sehr an der Oberfläche.

Was unterscheidet den Moderator oder Reporter vom Fan? Antwort: Nicht viel, oder nur die Krawatte vor der Kamera. Um ehrlich zu sein, der Stadionbesucher kann das Spiel besser analysieren und würde wohl ganz andere Fragen stellen. Das ist schade. Mein Wunsch an Breyer und Co.: Lasst die Comedians, Comedians sein, bereitet euch gut vor, beobachtet das Spiel genau, und nutzt das Expertenwissen an eurer Seite. Fragt klug, aber konkuriert nicht mit den Experten. Und bitte nehmt euch weniger wichtig.



Zurück  |