INTERVIEW
„Die Bayern, das ist für mich Babylon"
Gentleman heißt bürgerlich Tilmann Otto und ist Fan des 1. FC Köln. Der Reggae-Star redet mit RUND über die Qualitäten von Lukas Podolski, Homophobie auf Jamaika und die Blicke von Christoph Daum. Interview Matthias Greulich und Oliver Lück.

Christoph Daum

Zweimal Trainer in Köln: Christoph Daum Foto Özgür Albayrak



RUND: Tilmann, wir zeigen dir dieses Bild von Christoph Daum. Welches Gefühl gibt er dir?

Gentleman: Oh ja, so kennt man den Christoph. Er hat schon damals so geschaut, als er meinen älteren Bruder in der E-Jugend des FC trainiert hat, da gibt es auch so ein Foto. Ich hätte Angst vor ihm, ehrlich gesagt. Man hat aber damals schon gemerkt, dass er es drauf hat, weil das Team meines Bruders sehr viel besser unter ihm wurde.

RUND: Ist es der oft geschmähte kölsche Klüngel, der dem FC immer noch Probleme bereitet?
Gentleman: Nach drei Siegen reden wir von der Champions League. Ich bin leider auch so. Und ich bin Fan seit den Achtzigern.


Der FC ist Heimat: Reggae-Star Gentleman



RUND: Wann warst du das letzte Mal im Stadion?
Gentleman: Das war mit meiner Frau bei der Weltmeisterschaft. Sie stammt aus den USA und hatte keine Ahnung vom Fußball. Sie ist dann richtig abgegangen und sagte, im Stadion werden die MCs entdeckt. Und es stimmt. Der Karl, der die Fans beim FC heiß macht, ist Selector. Der ruft immer „1. FC Köln" mit dem Mikro in der Hand.

RUND: Schreist du im Stadion?
Gentleman: Ich geh ab, ja klar. Es ist einfach ein extrem emotionales Spiel. Die Erfindung des Fußballs ist gemeinsam mit dem Rad die beste der Menschheit. Egal wo wir auf Festivals spielen – beim Fußball mit den Leuten ist das Eis immer gebrochen. Das Lokale, also der FC, ist für mich aber auch wichtig, der eher der kosmopoltische Typ ist. Dabei kann ich gut runterkommen.

RUND: Hast du Fanartikel zu Hause?
Gentleman: Einen Schal und eine Decke. Mein sechsjähriger Sohn kriegt jetzt auch einen Schal.

RUND: Und eine Dauerkarte?
Gentleman: Leider nicht, ich bin ja nie da. Mein Bruder hat eine. Die letzten acht Monate war ich auf Jamaika und habe immer samstags auf express.de geguckt, was die in der Zweiten Liga machen. In dem Moment, wo der FC absteigt, interessiert mich die Erste Liga gar nicht mehr so sehr.

RUND: Wer sind deine Lieblingsspieler des FC?
Gentleman: Flemming Poulsen fand ich ganz groß. Die Allofs-Brüder, Bodo Illgner. Damals, als der FC um die Meisterschaft mitspielte. Jetzt Poldi, als er wegging war es hart. Den würde ich gerne mal treffen. Ich glaube mit ihm man viel Spaß hat. Ich würde ihn fragen, warum er damals zu Bayern gegangen ist. Denn die Bayern, das ist für mich Babylon.

RUND: Das Gegenteil von dieser Ungläubigkeit im Rastafari-Glauben verkörpert der Gott Jah. Bob Marley hat gesagt, Jah kommt auf dich zu wie Pelé. Siehst du das auch so?
Gentleman: Ja, das ist ein super Bild, finde ich. Ich glaube, dass es beim Spiel spirituelle Momente gibt. Der Gesichtsausdruck bei Beckham, als er neulich dieses Freistoßtor geschossen hat. Der wusste genau, dass der Ball reingeht. Das Gefühl kenne ich, wenn ich selber spiele. Dass du schon vorher weißt, es klappt oder nicht. Das sind Magic Moments. Das ist genauso faszinierend wie das blinde Verständnis zwischen Teamplayern, wenn sie wirklich eingespielt sind. Das geht schon in die spirituelle Richtung. Auch das „Sommermärchen", da war Deutschland voll von Spirit. Und das kam durch den Fußball.

RUND: Der FC wurde scon von Kölner Gruppen wie De Höhner, den Bläck Fööss und Bap besungen. Wann wirst du gefragt?
Gentleman: De Höhner waren mit einem FC-Lied in den Charts, ein Knaller. Reggae und die Fußballatmosphäre passen aber nicht wirklich zusammen, aber das wäre egal. Der Fußball ist ja auch ein Teil von mir. Aber auf Deutsch zu singen ist für mich komisch. Ich würde lieber auf kölsch singen. Das ist leichter zu singen, weil es halt nicht jeder versteht.

RUND: Kriegst du eine Gänsehaut, wenn De Höhner im Stadion spielen?
Gentleman: Musikalisch ist es doch nicht so mein Ding. Aber als Fangesang finde ich es cool. Und es gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit. Wie auch bei den Black Fööss, die mich durch meine Jugend begleitet haben.

RUND: Wo ist deine Heimat?
Gentleman: Jamaika ist meine zweite Heimat, Köln die erste. Heimat wird bei mir aber immer mehr zum Zustand.


Zweite Heimat Jamaika: Gentleman war zuletzt acht Monate in der Karibik



RUND: Über das Thema Homphobie im Fußball wird immer mehr diskutiert, RUND hat dem Thema eine Titelgeschichte gewidmet. In der Reggae-Szene auf Jamaika ist Homophobie gang und gäbe. Wie hast du das erlebt?
Gentleman: Das ist in der jamaikanischen Kultur ganz weit verbreitet. Es hat wohl mit der bibelfesten Erziehung der Leute zu tun. Sie sagen „It’s a fucking sin." Das ist einfach total radikal. Und es ist eine Möglichkeit, die Aggression an einer Minderheit auszulassen, die nicht geschützt wird. Im „Weltspiegel" gab es kürzlich einen Fernsehbericht über die Homophobie auf Jamaika. Das ist krass. Ich werde jetzt häufig gefragt, ob Reggae schwulenfeindlich sei. Nein, ist er nicht. Das hat nichts mit der Musik und dem Spirit zu tun. Es gibt in anderen Musikrichtungen wie HipHop oder Heavy Metal auch Künstler, die gegen Minderheiten wettern. Aber es wird nur beim Reggae thematisiert. Darin liegt auch eine Doppelmoral.

RUND: Kannst du etwas dagegen machen?
Gentleman: Ich will die Leute auf Jamaika nicht vor den Kopf stoßen. Ich versuche das in meinen Lyrics eher zwischen den Zeilen zu machen. Es ist extrem kompliziert. Ich vertrete meine Meinung, kann die Leute aber nicht ändern. Gegen Ignoranz kann man leider nichts machen. Im Fußball frage ich mich seit Jahren, wann sich einer outet.

Gentlemans neues Album „Diversity" ist bei Universal erschienen.

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