RASENBALLSPORT LEIPZIG
Red Bull bastelt sich einen Fußballklub
So etwas wie diesen Regionalligaklub gab es im deutschen Fußball noch nie: Der Rasenballsport Leipzig soll ins Profigeschäft - mit allen Mitteln. Der Chef des Getränkekonzerns mischt in der Formel 1 längst groß mit. Ziel ist, den Namen seiner Firma weltweit bekannter zu machen. Von Roger Repplinger, Leipzig

 

Peter PacultAls Trainer von Rapid Wien auf der Bank in der Europa League: Peter Pacult arbeitet jetzt bei Rasenballsport Leipzig – in der Regionalliga Foto Pixathlon

 

Leere Stadien sind leerer als sonst irgendetwas. Die Fans von Rasenballsport Leipzig (RBL) saßen links, die des Halleschen FC rechts. Dazwischen türkisfarbene und blaue Sitze, deren Farbe man sieht, weil keiner drauf saß. In der 50. Minute verschwand der Ball, den ein FC-Verteidiger dorthin haut, wo keiner sitzt, unter einem Sitz. Weg war er. "HALLE sagt NEIN zum Produkt Rasenball LE!" stand auf dem Transparent, das die FC-Fans an den Zaun gehängt haben. Die FC-Fans nennen den Gegner "Produkt".

Die offiziellen RBL-Fanklubs haben 250 Mitglieder. "Ohne Kurve geht es nicht", behauptet RBL-Geschäftsführer Dieter Gudel. Bis RBL eine hat, kann es dauern. 3685 Zuschauer sind zu diesem Spiel der Regionalliga Nord gekommen. Ins Zentralstadion, Fassungsvermögen 44.345 Zuschauer, das als "Red Bull Arena" firmiert, seit der österreichische Getränkekonzern den Namen bis 2030, mit einer Option auf weitere zehn Jahre, gekauft hat.

In der abgelaufenen Saison hat RBL den Aufstieg verpasst. "Das war im Geschäftsmodell nicht vorgesehen", sagt Tobias Kollmann, 41, Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik der Universität Duisburg-Essen. Er hat gerade eine der größten Erhebungen zum Thema Image von Fußballvereinen abgeschlossen. Kollmann sagt über die Leipziger: "Die sind auf Erfolg programmiert, die wissen, dass die Kombination aus Sympathie bei Fans, Erfolg auf dem Rasen und damit positive Auswirkungen für die Marke, erst in der Bundesliga funktioniert."

Als RBL mit 1:0 in Führung ging, zeigte der Hallenser Block ein Transparent: "Wir sind Mitglieder - und ihr?" Stimmberechtigte Mitglieder hat RBL nach Gudels Angaben neun, nicht stimmberechtigte 160. Über Neuaufnahmen entscheidet der Vorstand, fünf Jahre Mitgliedschaft sind Voraussetzung, um in ein Organ des Vereins aufrücken zu können. Gudel versucht das zu erklären, indem er seinen Fußballverein mit dem "Lions Club" vergleicht. Dank des Konzerns braucht Gudel keine Mitglieder, um über Beiträge Geld zu verdienen.

RBL gehört dem Getränkekonzern und der gehört Dieter Mateschitz. Eine Konstruktion, die der 50+1-Regelung des DFB widerspricht, gemäß der ein Investor nicht mehr als 50 Prozent der Stimmrechtsanteile eines Vereins besitzen darf. Mitglieder und Mitbestimmung braucht RBL nicht. Nur eine Kurve.

Der Klub ist am Reißbrett entstanden. Dem Getränkekonzern fehlt - nach Erfolgen etwa in der Formel 1 - ein Klub im europäischen Spitzenfußball. RBL wurde am 19. Mai 2008 gegründet, eine Spielberechtigung für die Oberliga vom SSV Markranstädt, einem Leipziger Vorortklub, gekauft. Für 100.000 Euro wurden vier Jugendmannschaften mit 70 Spielern vom Insolvenzverwalter des FC Sachsen Leipzig gekauft. Der Nordostdeutsche und der Sächsische Fußballverband beschlossen, die Anmeldefrist für die Meldung dieser Jugendmannschaften im Sommer 2009 zu verlängern, sodass diese für die folgende Saison spielberechtigt waren. Manche Leipziger Fußballfans vermuten, dass versucht wird, die Vereine Lok und Sachsen - große Vergangenheit, große Namen - zu zerstören, damit nur RBL - keine Vergangenheit, klebriger Name - übrig bleibt. Falls einige dieser Fans die Hoffnung hatten, dass die Verbände versuchen, die Leipziger Traditionsklubs vor RBL zu schützen, dann wurde die enttäuscht.

So etwas wie RBL gab es im deutschen Fußball bislang nicht. "Bei der TSG Hoffenheim ging es nie darum, nur die Bekannt- und Beliebtheit der Marke SAP zu steigern", sagt Kollmann, der BWL-Professor, "bei RB Leipzig geht es dagegen hauptsächlich um den Transport der Marke Red Bull, direkt und unmittelbar. Deshalb das Vereinslogo, der Namen und die vielen Analogien zum Konzern und seinem Produkt."

Das RBL-Maskottchen ist ein Bulle mit Nasenring. Es gibt ein Logo mit geflügelten Bullen, das nur deshalb nicht auf den Trikots ist, "weil Adidas seine Kollektion schon im Mai macht, und wir da ein genehmigtes Logo noch nicht hatten", so Gudel. Die "Dose" ist im Stadion allgegenwärtig: im Presseraum, im Pressekonferenzraum, neben der Trainerbank.

Über 100 Mio. Euro wird der Konzern investieren, um RBL in die Bundesliga zu schieben. Wenn es mehr kostet, ist es auch egal. Allein das 92.000 Quadratmeter große Trainingsgelände kostet 30 Mio. Euro: sechs Großfeldplätze, davon zwei mit Kunstrasen, Kabinentrakt, Internat, Büros, Geschäftsstelle. Der erste Bauabschnitt ist im August 2011 fertig. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung nennt "RB Leipzig ein unglaubliches Geschenk an die Stadt". Er vergleicht Mateschitz' Investitionen mit der Ansiedlung eines Unternehmens. In der zweiten Liga entstehen 2000 Arbeitsplätze, vermutet Jung, in der ersten bis zu 6000.

Womöglich ist das Geld des Konzerns gut investiert. "Weil der Fußball eine massive Breitenwirkung hat", sagt Gudel, bei dem man, wenn er lacht, sieht, dass links hinten ein Zahn fehlt. Am Ende, so der Ökonom Kollmann, werden sie in Österreich ausrechnen, "ob das Investment im richtigen Verhältnis zur Steigerung der Bekanntheit und Beliebtheit der Marke steht".

Mateschitz gibt Geld und will Erfolg dafür. Der Vertrag von RBL-Trainer Tomas Oral hätte sich im Aufstiegsfall verlängert. Für ihn kommt nun der Österreicher Peter Pacult, das entschied die Zentrale in Salzburg. Dietmar Beiersdorfer, ehrenamtlicher RBL-Vorstandschef und hauptberuflich Red Bulls "Head of global Soccer", verließ das Unternehmen im April. Nachfolger wurde Detlef Kornett, der Ex-Europa-Chef der Anschutz Entertainment Group. Ex-Bayernstar Thomas Linke ist nicht mehr RBL-Sportdirektor, es gibt noch keinen Nachfolger. Mit Beiersdorfer und Linke hatte Mateschitz Stress. Mateschitz hat von manchem viel: Geld. Von anderem wenig: Geduld. Das kann ein Problem werden.

Fußball erweist sich als schwierig - schwieriger als die Formel 1. Wie man hört, soll er sehr verärgert gewesen sein, als sich die beiden Red-Bull-Piloten mal gegenseitig von der Piste schubsten. Mehr als über Beiersdorfer und Linke, über die er sich auch sehr geärgert hat. Gudel berichtet von einem Gespräch mit Mateschitz über dieses Thema, aus dem nicht zitiert werden darf, weil, wie die RBL-Pressestelle mitteilt: "Herr Gudel kann nicht für Dietrich Mateschitz sprechen, es steht ihm nicht zu, ihn zu zitieren."

Kollmann nennt das, was bei RBL passiert, "ein sportpolitisches Erdbeben", das "eine neue Qualität im Hinblick auf die Einbindung eines Investors bei einem Fußballverein" darstellt. Aus Marketinggesichtspunkten findet Kollmann RBL "ein spannendes Projekt, welches sich nicht an Traditionen im deutschen Fußball hält und spätestens im Profibereich noch Gegenwind bekommen wird". Wenn RBL irgendwann die Bayern schlägt und Sympathiepunkte sammelt, "könnte es auch sein, dass das Konzept Schule macht". Den DFB stört das nicht: "Im Moment wird RB Leipzig den Statuten des DFB gerecht", findet Sprecher Maximilian Geis.

Im Moment ist es so, dass man RBL nur mag, weil was fehlt. Bei Gudel ein Zahn, im Stadion Zuschauer und der Mannschaft Erfolg. Möglich, dass diese Sympathie brüchig ist.

Der Text ist in der Financial Times Deutschland erschienen.

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