Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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ENGLAND
Sozialisten am Rand von Sherwood Forest
Im Mai 1980 besiegten sie den Hamburger SV im Europacup-Finale. Heute ist Nottingham Forrest nur noch zweitklassig. Lesen Sie im ersten Teil, wie der geniale Manager Brian Clough ein Provinzteam zur besten Mannschaft Europas machte. Von Elmar Neveling.


Nottingham Forest
Die größten Europas: Nottingham Forest mit dem Europapokal der Landesmeister, ganz rechts Trainer Peter Taylor, der kongeniale Partner von Manager Brian Clough
Foto Pixathlon



Es ist der 28. Mai 1980: Nottingham Forest steht im Finale des Europacups der Landesmeister und gewinnt mit 1:0 gegen den Hamburger SV. Wie im Vorjahr, als die Schweden von Malmö FF im Endspiel mit gleichem Ergebnis bezwungen wurden. Nach der Meisterschaft 1978 sowie den Ligapokalen von 1978 und 1980 bereits der fünfte Titel innerhalb von nur zwei Spielzeiten. Doch wie konnte aus der damals besten Mannschaft Europas ein Team werden, das heute nur noch zweitklassig ist?

Nottingham – das steht für Robin Hood, den König der Diebe, der das Diebesgut den Armen gab. Für Sherwood Forest, wo der Sheriff von Nottingham sein Unwesen trieb. Für den ewigen Kampf von Groß gegen Klein. In guter alter Heldentradition besaßen offenbar auch die Klubgründer ein Faible für Figuren der Geschichte. So sind die roten Trikots, die seit dem Gründungsjahr 1865 getragen werden, eine Huldigung an die „Rothemden“ von Giuseppe Garibaldi, den Truppen des italienischen Volksbefreiers aus dem 19. Jahrhundert. Den Klub benannten die Gründer nach dem nahe Nottingham gelegenen Wald, so dass Forests Fans ihre modernen Helden gerne als die „tricky trees“ („trickreiche Bäume“) bezeichnen. Zumindest zu besseren Zeiten.

Mehr als ein Jahrhundert lang blieb Forest wenig heldenhaft, sondern ein eher mäßig erfolgreicher Klub. Einzige bedeutende Titel waren zwei englische Pokalsiege, zwischen denen allerdings gut sechzig Jahre lagen: 1898 und 1959. Bis am 6. Januar 1975 eine neue Zeitrechnung für die Reds begann. Der Stichtag für den Anstoß zur erfolgreichsten Ära in der Klubhistorie. Der eigenwillige wie charismatische Coach Brian Clough, einst ein begnadeter Stürmer in Middlesbrough und Sunderland – 251 Tore in 274 Spielen –, übernahm den damaligen Zweitligisten und prägte ihn wie niemand vor oder nach ihm.

Clough war irre, irre gut. Ein Meister der Motivation, ungehemmt in seiner Wortwahl und mit großem Selbstvertrauen ausgestattet: „Wir haben zwanzig Minuten darüber gesprochen und dann entschieden, dass ich Recht habe“ oder „Man sagt, Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, doch mich hat man dazu ja nicht beauftragt“, diese Bonmots von ihm werden gerne zitiert.

Clough formte Underdogs zu Titelanwärtern und Mitläufer zu Stars. Seine Spielphilosophie bedeutete eine Revolution für den englischen Fußball: Er verschmähte das klassische aber auch stupide Kick-and-Rush und ersetzte es durch attraktives schnelles Kurzpassspiel. Die Zeiten schneebedeckter Bälle waren passé: „Falls Gott gewollt hätte, dass Fußball in den Wolken gespielt wird, dann hätte er keinen Rasen auf dem Boden wachsen lassen.“

Der zuweilen kauzig-rüde Clough war nicht immer tugendhaft wie Robin Hood, doch als überzeugter Sozialist gleichfalls ausgestattet mit einem Herz für die Kleinen und im steten Kampf gegen das Establishment. Zusammen mit seinem Assistenten Peter Taylor bildete er ein perfekt harmonierendes Trainerduo. Während der extrovertierte Clough der geniale Stratege war, der die Öffentlichkeit auf sich zog, war der akribische Taylor sein ruhiges Pendant. Der Mann für die alltägliche Trainingsarbeit und ein Meister im Aufspüren von hoffnungsvollen Talenten, von ungeschliffenen Rohdiamanten. Zwei Gegenpole, die sich gegenseitig anzogen. „Ich kann ohne ihn nicht Manager sein“, brachte Clough ihm seine größtmögliche Wertschätzung entgegen.

Beide zusammen bauten eine Mannschaft auf, die nach dem Aufstieg 1977 in die First Division (die heutige Premiere League) einen unglaublichen Durchmarsch hinlegte. Wie 1998 der 1. FC Kaiserslautern in der Bundesliga, schaffte auch Nottingham die Sensation: Als Aufsteiger direkt Meister zu werden. Im Falle der Reds war dies sogar die erste Meisterschaft in der Geschichte des Vereins.

Säulen des Teams waren Spieler wie der spätere Stürmer des 1. FC Köln, Tony Woodcock, oder der kantige Außenverteidiger Viv Anderson, der durch seine Zweikampfstärke zum ersten dunkelhäutigen Nationalspieler Englands wurde. Ohnehin lag Forests größter Trumpf in einer kaum zu überwindenden Defensive. Im Abwehrzentrum hielten die Haudegen Kenny Burns und Larry Lloyd den Laden dicht. Zwei, die bei ihren Ex-Klubs verkannt und vom Duo Clough/Taylor zu einem Abwehrbollwerk aufgebaut wurden. Und wurden sie doch einmal ausgespielt, stand da ja noch Peter Shilton im Kasten.

Klublegende Shilton war 1977 von Stoke City zu Forest gewechselt und gilt bis heute als bester Torwart Englands. Dies mag per se nicht als besondere Auszeichnung gelten, doch der englische Rekordspieler (mehr als 1.000 Ligaspiele) war unbestreitbar ein Meister seines Fachs und noch bis ins Alter von knapp 48 Jahren als Profi aktiv. Auch dank seiner kompromisslosen Vorderleute musste Shilton im Meisterjahr 1977/78 in 42 Partien nur 24 Mal hinter sich greifen.

Nottingham Forest

Stolz wie Oscar: Brian Clough und Peter Taylor Foto Pixathlon


Weitere Eckpfeiler des Teams waren der Schotte John Robertson, den Clough einst „Picasso unseres Spiels“ nannte oder der Nordire Martin O’Neill, der heute ein angesehener Trainer der Premiere League. Sein Assistent bei Aston Villa ist John Robertson, der 2005 von den Forest-Fans zum besten Spieler aller Zeiten gewählt wurde.

Im Europokal der Landesmeister gelang dem Klub die nächste Sensation. Bei der ersten Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb wurden sie 1979 Europapokalsieger. Für die Engländer keine ganz so große Sensation wie Nottinghams Meistertitel, beherrschten die englischen Teams doch zu dieser Zeit den europäischen Fußball ähnlich wie heute die Champions League. Dass Nottingham den Europacup mit einem zuweilen unansehnlichen Defensivfußball gewann, störte nur Fußball-Ästheten, Clough war es egal.

Die heute etwa 275.000 Einwohner zählende Provinzstadt Nottingham aus den East Midlands war 1979 der Nabel der Fußballwelt. Doch als ob es dem Team bewusst gewesen wäre, dass sich in der Fußballgeschichte ein Fenster einmalig öffnete, blieb es weiter begierig, fraß seine Gegner förmlich auf und verteidigte den europäischen Titel im Jahr darauf. Im Finale brachte Keeper Shilton die HSV-Stars um Felix Magath, Horst Hrubesch und Landsmann Kevin Keegan immer wieder zur Verzweiflung. Den „tricky trees“ gelang somit ein Novum, indem sie der einzige Klub sind, der häufiger den Europacup als den nationalen Meistertitel gewonnen hat. Den nämlich nach wie vor nur ein einziges Mal, 1978.



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