INTERVIEW
„In einem Pass steckt auch eine Botschaft“
Gemeinsam mit Hans-Dieter te Poel hat Peter Hyballa ein lesenswertes und spielnahes Lehrbuch über modernes Passspiel geschrieben. Im ersten Teil des Interviews spricht Hyballa, der die U19 von Bayer Leverkusen trainiert, über kaatsen, den Trend zum Chipball und die Philosophie des FC Barcelona. Interview Matthias Greulich

 


Peter HyballaPeter Hyballa als Trainer der U19 von Bayer Leverkusen. Zuvor war er unter anderem Jugendtrainer bei Borussia Dortmund, wo er Mario Götze ausbildete und Cheftrainer bei Alemannia Aachen

 

Herr, Hyballa, Sie unterscheiden 20 verschiedene Passarten. Was hat es mit dem „Kaatsen“ auf sich?
RUND: Peter Hyballa: In Deutschland würde man sagen, „klatschen lassen“. Es ist der Pass, wenn du den Neuner als Stoßstürmer anspielst, der den Ball nach hinten abprallen lässt und wieder in den freien Raum zieht. Das Wort kommt aus Holland und ich bin ja halber Holländer. Ich fand „klatschen lassen“ ein bisschen altbacken.

 RUND: Man kann sich „Kaatsen“ besser merken.
Peter Hyballa: Und man kann „kaats!“ in einer lauten Arena im Profibereich besser verstehen. Beim Coaching ist es gut, wenn wir Trainer eine verständliche Sprache finden. Vielleicht auch eine, die nur deine eigene Mannschaft kennt.

 RUND: Warum sehen wir im Moment so viele Chip-Bälle?
Peter Hyballa: Dieser Ball ist so interessant geworden, weil viele Abwehrlinien hoch stehen, um das Spielfeld eng und kompakt zu halten. Man hat heute einen oder zwei Stürmer, die sehr schnell sind. Anstatt sich durchzukombinieren, versucht man den Chipball über die Abwehr auf den schnellen Stürmer zu spielen und dann geht’s ab. Früher hat man Kick and Rush gesagt, aber das hört sich nicht mehr so attraktiv an. 2014 machst du den Chipball daraus und schon ist es wieder attraktiv und modern. Aber man muss ihn trainieren. Bei uns im Buch heißt er „Über die Abwehr Ball“.

 RUND: Sie stellen einige Übungsformen für das Rondo vor, mit dem beim FC Barcelona und dem FC Bayern unter Pep Guardiola beinahe jede Trainingseinheit beginnt.
Peter Hyballa: Rondos sind eine freiere Form. Oft in Überzahl, wo du öfter den Ball hast. Die Kunst für den Trainer ist, in der Situation zu variieren, bestimmte Dinge auf dem Platz zu sehen und die Spieler zu coachen. Ein Buch hilft dir als Anstoß und Ideengeber, aber die eigentliche Arbeit musst du dann selber leisten auf dem Platz.

 RUND: Bei den Rondos wird jede Situation spielerisch gelöst.
Peter Hyballa: Mein Mitautor Hans-Dieter te Poel und ich sind beide Anhänger einer spielerischen Idee, das ist der Ausgangspunkt. Letztendlich ist entscheidend, wie du als Spieler Spielsituationen löst. Es ist schön, wenn du im Training ein Männchen aufstellst, das sich nicht bewegen kann. Aber im Spiel hast du einen Gegenspieler. Und wenn du keine Lösungen hast, keinen guten Pass spielst, kein gutes Dribbling hast, dann kriegst du auf die Socken und hast einen Ballverlust. Im Training musst du einfach viel das Spiel kopieren. Bei diesen Passstafetten geht es nicht darum, die Pässe laufen zu lassen, sondern mit Druck zu spielen. Im Stadion hast du Druck als Spieler. Die Passqualität ist entscheidend: Wenn du im Training 100 mal präzise passt, ist es besser als wenn du das 50 mal tust. Dann kannst du wahrscheinlich Spielsituationen im Ballbesitz besser lösen. Das ist die Idee dahinter.

 RUND: In Spanien geht man soweit, von einer Kommunikation der Spieler untereinander durch Pässe zu sprechen.
Peter Hyballa: Es steckt ja eine Botschaft darin, wenn du einen Mitspieler mit einem Tempopass nach vorne anspielst. Zusammen den Ballbesitz zu behalten ist etwas, was die Spieler miteinander verbindet.  Wenn du lange den Ball hast und kannst dadurch die Gegenspieler ein bisschen verarschen, das macht ja Spaß. Ich habe schon in einige Ländern trainiert: Warum spielen alle Fußballer auf der Welt gerne fünf gegen zwei? Weil es ein verbindendes Element ist, die Bedeutung ist ja auch in dem Wort „Pass“ schon enthalten.

 RUND: Der FC Barcelona hat diese Kommunikation mit Passstafetten auf die Spitze getrieben.
Peter Hyballa: Die Philosophie von Barcelona ist schon sehr krass. Nach dem Motto: Wir passen uns den Ball bis in den Fünfmeterraum des Gegners zu. Daran merkt man, dass der Pass elementar wichtig ist im Fußball. Dazu kommt das Dribbling und irgendwann der Schuss. Das sind die drei Möglichkeiten, den Ball weiter zu leiten. Im deutschen Fußball haben wir oft viele Philosophien vermischt und uns Dinge aus anderen Ländern abgeschaut. Vielleicht ist unser Fußball deshalb momentan so variantenreich.

 RUND: Hat die Verwissenschaftlichung des Spiels Einfluss auf das Passspiel?
Peter Hyballa: Der Fußball wird auseinandergeschnitten. Man könnte auch meinen, dass dies in unserem Buch geschieht. Aber wenn man es liest, sind es eigentlich auch viele einfache Übungen. Noch einmal: Es geht viel um Wettkämpfe. Um Passstafetten. Das Spiel hat sich seit den Sechzigern oder Siebzigern verändert – aber es spielen immer noch elf gegen elf. Im Wesentlichen hat sich das Tempo erhöht. Dazu kommt: Die Überzahlspiele in Wettkampfformen machen den Spielern Spaß. Was sie auf der Straße gespielt haben, kannst du ins Training einbauen. Wenn ein Spieler mich fragt: „Was machen wir heute?“ Dann sage ich: „Spielen!“

 

Lesen Sie in Teil 2: Youtube-Fußball und Streit beim Pressing.
 
Peter Hyballa und Hans-Dieter te Poel: Modernes Passspiel – Der Schlüssel zum High-Speed-Fußball, 416 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3898997171
 
„Passspielbuch 2 - Passspiele (inter)national“ erscheint Anfang 2015.

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