Kolumne

 Struktur statt Spektakel: Warum Allegri für den AC Mailand fußballerisch Sinn ergibt

Die Verpflichtung von Massimiliano Allegri als neuer Cheftrainer des AC Mailand ist ein bewusster Schritt hin zu taktischer Kontrolle und fußballerischer Vernunft. Von Samira Samii

 

 

Mit Massimiliano Allegri: Samira Samii – Spielerberaterin, strategische Beraterin im Profifußball und Kolumnistin

 

Die Verpflichtung von Massimiliano Allegri als neuer Cheftrainer des AC Mailand ist ein bewusster Schritt hin zu taktischer Kontrolle und fußballerischer Vernunft. In einer Phase, in der der Klub sportlich stagniert und strategisch neu ausgerichtet werden muss, setzt Milan nicht auf modischen Fußball, sondern auf die bewährte Substanz eines Trainers, der weiß, wie man Spiele gewinnt – nicht unbedingt, wie man sie schön macht.

Defensive Organisation als Leitprinzip

Allegri ist ein Verfechter der Balance – sein Ansatz basiert nicht auf aggressivem Pressing oder Ballbesitz um jeden Preis, sondern auf Stabilität, kompakten Abständen zwischen den Mannschaftsteilen und dem Minimieren von Risiko. In Turin bevorzugte er Formationen wie das 4-3-3 oder 4-4-2 mit situativer Umstellung auf eine Fünferkette gegen den Ball. Dabei zeigte er ein exzellentes Gespür für gegnerische Schwächen und reagierte häufig adaptiv statt proaktiv – eine Qualität, die in der Serie A nach wie vor Erfolg bringt.

Für Milan bedeutet dies: Die Rückkehr zu strukturierter Defensivarbeit, klaren Raumzuteilungen im Mittelfeld und einer gezielten Nutzung des Umschaltspiels. Die instabilen Leistungen unter Stefano Pioli, insbesondere gegen tief stehende Gegner oder bei Rückständen, könnten durch Allegri minimiert werden – allerdings zu einem gewissen Preis in Bezug auf offensive Kreativität.

Kaderanalyse: Wer passt – und wer nicht?

Der aktuelle Kader des AC Mailand ist in Teilen kompatibel mit Allegris Anforderungen, verlangt aber punktuelle Korrekturen. Schlüsselspieler wie Mike Maignan, Fikayo Tomori oder Ismaël Bennacer bringen das nötige taktische Grundverständnis mit, um in einem kontrollierten System zu funktionieren. Fragezeichen bestehen vor allem im Zentrum: Milan fehlt ein defensivorientierter, physisch präsenter Sechser – ein Spielertyp wie Allegri ihn in Turin mit Marchisio oder später Rabiot bevorzugte. Ob Yacine Adli oder Reijnders diese Rolle ausfüllen können, ist fraglich.

Im Angriff hängt viel davon ab, wie Allegri den technisch starken, aber taktisch inkonstanten Rafael Leão einbindet. Während Pulisic in einem klar definierten Konterspiel seine Stärken ausspielen kann, braucht Leão mehr Freiräume und Vertrauen – Aspekte, bei denen Allegri in der Vergangenheit mit kreativen Spielern wie etwa Paulo Dybala ambivalent agierte.

Entwicklungspotenzial junger Spieler: Schwachstelle im Profil

Allegri ist kein klassischer Entwicklungstrainer. Junge Spieler werden unter ihm häufig über längere Zeiträume nur dosiert eingesetzt. Dies widerspricht grundsätzlich Milans Transferstrategie, die stark auf Scouting und das Entwickeln internationaler Talente ausgerichtet ist. Eine zentrale Frage wird daher sein, wie Allegri mit Spielern wie Luka Romero, Chaka Traorè oder Jan-Carlo Simic umgeht – und ob der Klub ihm hierbei klare Vorgaben macht.

Europäische Wettbewerbe: Erwartungshaltung trifft Realität

Ein wiederkehrender Kritikpunkt an Allegri betrifft seine internationale Erfolgsbilanz. Zwar erreichte er mit Juventus zweimal das Champions-League-Finale, doch sein oft vorsichtiger Ansatz wirkte im Duell mit dynamischeren Teams aus England oder Spanien limitiert. Wenn Milan mittelfristig wieder zu einem ernstzunehmenden europäischen Klub aufsteigen will, muss Allegri sein taktisches Repertoire erweitern – insbesondere im Spiel gegen dominante Gegner.

Fazit: Fußballerisch logisch, strategisch ambivalent

Die Entscheidung für Massimiliano Allegri ist aus sportlicher Sicht nachvollziehbar: Er bringt Ordnung, Erfahrung und die Fähigkeit, eine Mannschaft taktisch zu stabilisieren. Kurzfristig dürfte Milan defensiv wieder verlässlicher agieren und regelmäßig Punkte holen – besonders gegen die „kleineren“ Teams der Liga. Doch ob dieser Ansatz auch mittelfristig reicht, um international wieder wettbewerbsfähig zu werden und gleichzeitig eine junge Mannschaft zu entwickeln, bleibt offen.

Für den AC Mailand ist Allegri ein Trainer der Struktur, nicht der Innovation. Doch genau das könnte in dieser Phase genau das sein, was der Klub braucht – zumindest im Hier und Jetzt.

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