England
Premier League Clubs dürfen letztmals Glücksspielwerbung auf Trikotbrust machen
In der englischen Premier League rückt an wird Glücksspielwerbung auf der Trikotvorderseite bald Geschichte sein, genauer gesagt ist ab der Saison 2026/27 Schluss. Dann gibt es keine Logos von Wettanbietern mehr auf der Brust, kein „Bet“ mehr im Mittelpunkt der Kamerabilder und keine millionenschweren Deals mit Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Risiko und Wahrscheinlichkeiten beruht.
Foto Sebastian Vollmert
Das klingt nach Umbruch, doch wer glaubt, dass dieser Schritt mit Pauken und Trompeten erfolgt, liegt daneben. Die Premier League entscheidet sich für den sanften Rückzug mit viel Spielraum für letzte große Geschäfte.
Ein Abschied auf Raten – weshalb die Premier League Glücksspielwerbung auf der Trikotbrust beendet
Ganz ohne Zwang und Gesetzeskeule hat sich die englische Eliteliga dazu entschieden, den Wandel einzuleiten. Im April 2023 einigten sich alle zwanzig Klubs auf eine freiwillige Selbstverpflichtung, künftig auf Glücksspielwerbung auf der Trikotvorderseite zu verzichten. Die Initiative kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern ist eine direkte Reaktion auf zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Druck. Kampagnen wie „The Big Step“ machten in den vergangenen Jahren mit Nachdruck auf die problematische Nähe von Fußball und Wetten aufmerksam. Dabei ging es weniger um reine Werbeästhetik als vielmehr um die Normalisierung des Wettens im Sport.
Anstatt jedoch auf staatliche Eingriffe zu warten, wählte die Liga den Weg der Selbstregulierung. Das wirkt zunächst vorbildlich, ermöglicht den Clubs jedoch gleichzeitig, bestehende Verträge geordnet auslaufen zu lassen und neue Einnahmequellen zu erschließen. Schließlich geht es um mehr als nur Symbolpolitik. Die Entscheidung betrifft ausschließlich die prominenteste Fläche, also die Trikotvorderseite, während andere Werbeplätze weiterhin erlaubt bleiben. Ein Detail, das später noch an Bedeutung gewinnt.
Auch in Deutschland ist Glücksspielwerbung fest im Fußball verankert
Ein Blick auf die Bundesligastadien zeigt, dass der Trend kein rein englisches Phänomen ist, denn auch in Deutschland prägen Wettanbieter das Erscheinungsbild vieler Clubs. Zwar greift hierzulande der Glücksspielstaatsvertrag, der Werbung inhaltlich und zeitlich einschränkt, doch grundsätzlich ist Sponsoring durch lizenzierte Anbieter erlaubt.
Vereine wie Werder Bremen setzen auf Partner, die über Tochterfirmen mit gültiger Lizenz verfügen. Auch andere Clubs kooperieren oder kooperierten mit Unternehmen wie Tipico oder bwin. Besonders beliebt sind Bandenwerbung, Trikotärmel und digitale Formate. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex, doch die wirtschaftliche Realität spricht für sich.
Ein entscheidender Faktor ist, dass sich die Zielgruppen in hohem Maße überschneiden. Fußballfans gehören laut Marktforschung zu den besonders wettaffinen Konsumenten und zu denen, die beispielsweise gerne Spiele wie Book of Ra spielen, außerdem erhalten die Anbieter durch Sponsoring Zugang zu einer leidenschaftlichen, regelmäßigen und verlässlichen Zuschauerbasis. Das ist ein Umstand, der Werbung im Fußball zu einem strategischen Volltreffer macht.
Drei Jahre bleiben – ein letzter Run auf lukrative Deals läuft bereits
Die Übergangsfrist steht fest, so dürfen bis Sommer 2026 Glücksspielanbieter auf der Trikotvorderseite präsent bleiben. Genau das nutzen viele Clubs, um noch einmal Kasse zu machen, bevor sich das Fenster schließt.
West Ham United liefert das wohl sichtbarste Beispiel für diese Strategie. Der Londoner Verein verkündete im Sommer 2024 einen neuen Trikotsponsoringvertrag mit BoyleSports für die Saison 2025/26. Ein klassischer Last-Minute-Deal mit einem stattlichen Volumen, denn rund zwölf Millionen Pfund sollen dabei in die Vereinskasse fließen. Das übertrifft das Jahresbudget mancher Zweitligisten deutlich.
BoyleSports tritt damit die Nachfolge von Betway an, das zuvor jahrelang auf der Brust der Hammers zu sehen war. Wettanbieter wissen, dass ihre Zeit auf dem Trikot begrenzt ist, und greifen daher noch einmal tief in die Tasche. Für die Clubs ist das eine letzte Gelegenheit, Einnahmen zu sichern, bevor neue Partner mit womöglich geringerer Zahlungsbereitschaft gefunden werden müssen.
Besonders betroffen sind bestimmte Clubs und es geht um mehr als nur Prestige
Die Maßnahme trifft nicht alle Premier-League-Vereine gleich hart. Während globale Marken wie Manchester United oder Arsenal keine Glücksspielwerbung auf der Brust führen und auf andere Sponsoren setzen können, gestaltet sich die Lage bei anderen deutlich schwieriger. In der Saison 2022/23 nutzten unter anderem Bournemouth, Brentford, Everton, Fulham, Leeds United, Newcastle United, Southampton und West Ham die Werbefläche für Anbieter aus der Wettbranche.
Rund 60 Millionen Pfund pro Jahr fließen ligaweit durch diese Art von Sponsoring. Vor allem kleinere Vereine, die keine globale Strahlkraft haben, sind auf diese Einnahmen dringend angewiesen. Schätzungen gehen davon aus, dass einigen Clubs künftig bis zur Hälfte ihrer bisherigen Werbeeinnahmen fehlen könnte. Gerade in der unteren Tabellenhälfte könnte das wirtschaftliche Ungleichgewicht zur Herausforderung werden.
Moral im Konflikt mit dem Markt
Die Entscheidung wurde nicht stillschweigend hingenommen. Insbesondere die lange Übergangsphase sorgt für Kritik. Einige Organisationen bemängeln, dass die Clubs zwar grundsätzlich das Richtige tun, sich aber möglichst viel Zeit dabei lassen. Will Prochaska von der Initiative „The Big Step“ bezeichnete den Schritt als verpasstes Signal und warf den Vereinen vor, ihre moralische Verantwortung dem finanziellen Kalkül unterzuordnen.
Verantwortliche auf Club- und Ligaebene hingegen argumentieren mit Realismus. Langfristige Verträge ließen sich nicht über Nacht beenden, wirtschaftliche Stabilität sei für Angestellte und Infrastruktur ebenso entscheidend wie für sportlichen Erfolg. Die Premier League beschreibt den Kompromiss als ausgewogenen Schritt zwischen gesellschaftlichem Anspruch und betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit.
Es bleibt noch genügend Raum für Glücksspielwerbung
Das Verbot in England beschränkt sich auf einen einzigen Bereich, nämlich die Trikotvorderseite, abseits davon gibt es weiterhin viele Möglichkeiten, sich als Glücksspielmarke zu präsentieren. Ärmelwerbung ist mittlerweile fast ebenso prominent wie die Brust, Trainingskleidung und digitale Bandenwerbung bieten weitere Plattformen. Auch in sozialen Medien, Vereins-Apps oder bei Hospitality-Angeboten bleibt Sponsoring möglich. Die Branche zeigt sich anpassungsfähig. Die reine Sichtbarkeit auf der Brust mag wegfallen, doch die Verbindung zum Sport wird keineswegs gekappt. Vielmehr dürfte sich die Werbung stärker auf digitale Kanäle und flächendeckende Markenpräsenz verlagern.
Das Sportsponsoring der Zukunft
Die Premier League setzt ein Zeichen, das auch über England hinaus registriert wird. Im Vergleich zu Ländern wie Spanien oder Italien, wo staatliche Verbote gelten, geht die Liga einen eigenständigen Weg. Ob dieser Kurs andere inspiriert, bleibt abzuwarten.
Für Clubs bedeutet die Umstellung mehr als nur einen neuen Sponsor finden zu müssen. Sie könnten gezwungen sein, neue Themenfelder zu besetzen, etwa nachhaltige Partnerschaften oder lokal verankerte Marken. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob damit wirklich ein langfristiger Wertewandel einhergeht oder lediglich das sichtbarste Symptom ausgeblendet wird.
Diese News zeigen, dass sich Fußball bewegen kann, wenn der Druck groß genug ist. Ob freiwillige Selbstverpflichtungen künftig häufiger zum Mittel der Wahl werden oder ob doch wieder die Politik regulierend eingreifen muss, bleibt offen. Sicher ist nur, dass die Trikotbrust als Werbefläche künftig ein Stück sauberer aussieht während im Hintergrund neue Deals längst vorbereitet werden.
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