DIALOG
Gut, dass wir geredet haben
Die Fronten zwischen Polizei und Fußballfans scheinen manchmal verhärtet zu sein. Auf einem Kongress in Frankfurt verlief der Dialog zwischen Fans, Polizei und Verbänden jedoch ausgesprochen konstruktiv – selbst über bengalische Feuer will man nun sprechen. Von Christoph Ruf

Polizeieinsatz

Ihr da oben, wir hier unten: Fans und Polizei reden wieder miteinander
Foto Pixathlon


Wenn Vertreter von Fans und Polizei zusammenkommen, ist die Ausgangslage oft ähnlich wie bei Tarifverhandlungen. Am Anfang werden Maximalpositionen ausgetauscht, später kommt man sich erstaunlich weit entgegen.

Beim Kongress „Feindbilder ins Abseits“, den DFL, DFB und Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Frankfurt organisierten, war das nicht anders. Die wechselseitigen Vorbehalte sind ja leidlich bekannt. Der aktive Teil der Fanszene, die „Ultras“, fühlt sich gegängelt und in seinen Bürgerrechten beschnitten, die Polizei weist auf Straftaten hin, die aus deren Reihen begangen werden. Und beide Seiten haben gute Argumente für ihre Sicht der Dinge. Der Ligaalltag verläuft zwar so friedlich, dass manches Volksfest und manche Diskothek eine schlechtere Bilanz haben dürfte. Nach DFB-Angaben kam es in der vergangenen Saison von der Bundesliga bis zur Regionalliga und im DFB-Pokal bei 1973 Spielen zu „13 Vorfällen, die als Gewalttaten im engeren Sinn, also Gewalt gegen Personen“ zu betrachten sind. Außerhalb der Stadien kommt es aber nach wie vor zu Straftaten und Übergriffen, wie der neu gewählte GDP-Präsident Bernhard Witthaut betonte. Auch die Gewalt gegen Polizeibeamte habe zugenommen.

Die Wahrnehmung der Ultras ist eine andere. Johannes Liebnau von der HSV-Gruppierung „Chosen Few“ berichtete. Das Wort der eigens eingesetzten „szenekundigen Beamten“ würde vor Ort oft ignoriert, bei einer Fahrt durch vier Bundesländer gälten oftmals vier unterschiedliche, zuweilen auch widersprüchliche Vorgaben. Fans würden oft schon am Bahnhof eingepfercht, um direkt zum Stadion gebracht zu werden – ohne die Möglichkeit zu haben, auf Toilette zu gehen oder nach einer sechsstündigen Zugfahrt etwas zu trinken zu kaufen. Als Liebnau davon berichtete, dass er mit seiner Freundin zu deren Leidwesen noch keinen Urlaub planen könne, weil der entsprechende Spieltag noch nicht terminiert sei („ich weiß nicht, ob wir freitags oder sonntags spielen“), ging ein Raunen durch die 300 Zuhörer. Mancher mag sich gewünscht haben, dass die Spieler des Lieblingsclubs ein Spiel auch so ernst nehmen wie die jungen Anhänger.

Auf den Gängen und während der Kaffeepause wichen die Fronten dann weiter auf. Dass bei vielen Fußballspielen der Polizeieinsatz unverhältnismäßig hoch sei, gab auch mancher Beamte zu. Das aber liege am politischen Druck aus den Landesinnenministerien, sagte ein Beamter aus den neuen Bundesländern. Besonders in Wahlkampfzeiten werde gerne mal ein übergroßes Aufgebot verlangt, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und mit allen Mitteln auszuschließen, dass das eigene Bundesland in die Schlagzeilen kommt.

Ein anderer Polizeivertreter, Heinz Lennartz von der Polizeidirektion Mönchengladbach, hatte zuvor ähnliches berichtet: „Wir erdrücken manche Spiele mit Polizeikräften.“ Auch mancher Fanvertreter zeigte sich selbstkritisch mit seiner Zunft. Das martialische Auftreten vieler Ultragruppierungen wirke sicher nicht deeskalierend, deute aber nicht automatisch auf Gewaltbereitschaft hin: „Ultras sind natürlich furchtbare Selbstdarsteller. Aber sind das beim Fußball nicht alle Beteiligten?“

Das Abbrennen von Pyrotechnik ist wohl der größte Streitpunkt zwischen Vereinen und Polizei andererseits und den organisierten Fans andererseits. Für letztere gehören die brennenden Fackeln zu einer anständigen Stadionatmosphäre, erstere weisen auf die Verletzungsgefahr hin – bengalische Feuer („Bengalos“) werden bis zu 1000 Grad heiß. Nun haben sich über 50 Ultragruppen von Lübeck bis Burghausen unter dem Titel „Pyrotechnik legalisieren, Emotionen respektieren“ zusammengeschlossen. Sie bieten an, Böller und Kanonenschläge zu ächten und die Bengalos nur noch nach Absprache einzusetzen. „Pyrotechnik geht einher mit Verantwortung. Wir wissen um die Risiken, die der Einsatz von Pyrotechnik mit sich bringt. Bei verantwortungsbewusstem und vernünftigem Umgang sind diese Risiken allerdings auf ein Minimum reduzierbar“, heißt es in dem Manifest. Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB und DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus zeigten sich am Mittwoch Nachmittag vorsichtig gesprächsbereit. „Das Thema der Verantwortlichkeit ist dabei das A und O“, sagte der Ex-Profi, der nicht widersprach, als Spahn zu Protokoll gab, dass man „das Problem mit mehr Polizei nicht in den Griff bekommen“ werde.

Zurück  |