PYROTECHNIK
Das nächste Tischfeuerwerk
Die Diskussionen um ein kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik sind vom DFB abgebrochen worden. Eine Fanititiative wirft dem Verband vor, ein Gutachten unter Verschluss zu halten, in dem das kontrollierte Zündeln eine legale Option darstellt. Von Christoph Ruf
Pyrotechnik in Nürnberg: Obwohl die Diskussionen um ein legales Abbrennen vom DFB
beendet wurden, sind Bengalos bei fast jedem Bundesligaspiel zu sehen.
Foto: Pixathlon
Eigentlich sind die Dinge klar. Die einen, die Ultras, lieben Pyrotechnik. Die bunten Feuerchen gehören für sie zu einem stimmungsvollen Support wie „Jingle Bells“ zum Weihnachtsmarkt. Die anderen, die Verbände und die Polizei, würden die bis zu 1000 Grad heißen bengalischen Feuer hingegen am liebsten mit aller Konsequenz aus den Fankurven verbannen. Für sie gehören die Mini-Fackeln zum Fußball wie „Jingle Bells“ zum Tauchurlaub in der Karibik.
Doch da den ersteren bewusst ist, dass zweitere letztlich am längeren Hebel sitzen und die anderen wiederum wissen, dass das Nadel-Suchen im Heuhaufen deutlich erfolgsversprechender ist als das Aufspüren von winzigen Stiften in einer vollbesetzten Fankurve, setzten sich einst im Frühjahr Vertreter beider Seiten an einen Tisch und entwarfen ein Friedensszenario: Namentlich bekannte Fans zündeln unter polizeilicher Aufsicht in ausgewiesenen Zonen zu verbredeten Zeitpunkten. Das mögliche Ziel zur Aufweichung der festgefahrenen Fronten schien also klar. Beide Seiten ließen nun ihre Juristen den Weg dorthin überprüfen.
Es hätte also alles harmonisch enden können, Fotos von Handshakes zwischen jungen Menschen in Kapuzen-Sweatern und älteren im Zweireiher hätten dieser Tage die Runde machen können. Stattdessen muss in diesen vorweihnachtlichen Zeiten davon berichtet werden, dass die Faninitiative nach dem Scheitern des Kompromissweges scharfe Geschütze gegen den DFB auffährt: „Wir haben Kenntnis darüber erlangt, dass Sie nicht nur uns, sondern auch die Vereine und die Öffentlichkeit erneut bewusst getäuscht haben“, heißt es in einem Offenen Brief der Initiative „Pyrotechnik legalisieren“, der am Wochenende DFB-Präsident Theo Zwanziger und DFL-Boss Reinhard Rauball zuging. „Trotzdem“, heißt es großmütig, „geben wir Ihnen die Chance, mit uns an den Verhandlungstisch zurück zu kehren.“
„Die versuchen halt, die Angelegenheit auszusitzen“, vermutet Anke Wiedenroth. Was die Kampagnen-Vertreter zu ihren Vorwürfen bringt, erzählt die Würzburger „Sprecherin Süd“ der Kampagne nur allzugerne. Man habe (durch welche Kanäle auch immer) Einblick in das vom DFB in Auftrag gegebene juristische Gutachten nehmen können, dessen Ergebnis der Verband im November als Grundlage für die Aufkündigung der Konsenssuche anführte, seither aber auch gegenüber Journalisten unter Verschluss hält. „Weiterhin nicht in Frage kommt eine sogenannte Legalisierung von Pyrotechnik“, hieß es damals in einer Presseerklärung vom 2. November. Und: „Bestätigt wird das Verbot durch ein vom DFB-Präsidium in Auftrag gegebenes unabhängiges Rechtsgutachten.“ In dem, so die Fanvertreter stehe allerdings eher das Gegenteil. Nämlich, dass der "begrenzte Einsatz von Pyrotechnik in Fußballstadien" unter "einschränkenden Voraussetzungen“ durchaus möglich sei.
„Dass die mit solchen Methoden arbeiten, spricht für sich“, findet Wiedenroth, die „nun weiß, warum niemand offiziell in das DFB-Gutachten schauen durfte. Die haben das sofort zur Geheimsache erklärt.“ Mittlerweile hätten sich bei DFB und DFL sowieso „die Hardliner durchgesetzt.“ In den ersten beiden Gesprächsrunden, die die von mehr als 150 deutschen Ultragruppierungen unterstütze Initiative mit den Verbänden geführt habe, sei hingegen auf beiden Seiten der Wille spürbar gewesen, zu einem Konsens zu kommen.
In der Tat bestätigen Gesprächsprotokolle, dass auch Verbandsvertreter, allen voran der mittlerweile in Katar tätige damalige DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn, die Vision von legal abgebranntem Feuerwerk durchaus erstrebenswert fanden, falls durch dieses Entgegenkommen dem wilden (und gefährlichen) Gezündel in dichtgedrängten Menschenmassen ein Ende bereitet werde. Deshalb schickten beide Seiten nach ersten Gesprächen ihre Anwälte in die Bütt. Schließlich verhalten sich die bunten Feuerchen im Paragraphendschungel in etwa so dezent wie eine Billardkugel beim Carambolagespiel. Dem interessierten Sportsfreund bietet das ungeahnte Einblicke in die faszinierende Unterwasserwelt des deutschen Paragraphenmeeres. Das „Versammlungsstättenrecht“ und das „Sprengstoffrecht“ wurden von beiden Parteien ebenso durchforstet wie „europarechtliche Vorschriften.“ Daraufhin galt es die „Erlaubnis der Feuerwehr, die Zustimmung des Betreibers sowie (..) die für die Sicherheit zuständigen Behörden und die Richtlinien des DFB“ zu berücksichtigen, wie es in einer Erklärung von „Pyrotechnik legalisieren“ heißt. Dass das Fan-Gutachten die juristischen Hürden danach für überwindbar hält, überrascht nicht. Dass das der Gegenseite möglicherweise einen ähnlichen Tenor hat, schon eher. Dennoch hoffen die Fans, dass der Verband sein Schweigen wieder aufgibt.
Genau das scheint sich anzubahnen. Eine Antwort wird derzeit beim DFB in Frankfurt vorbereitet, wie Sprecher Jens Grittner ankündigt: „Ich kann nicht ausschließen, dass die Kommunikation zwischen uns und den Fanvertretern zu Missverständnissen geführt hat. Wenn dort möglicherweise Erwartungen geweckt wurden, die nicht erfüllt werden können, bedauern wir das.“ Inhaltlich, so Grittner, sei die Haltung des DFB klar: „Die Sicherheit aller Stadionbesucher hat für uns höchste Priorität uns ist mit Pyrotechnik einfach nicht vereinbar.“
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