EM 2008
Sanftere Sanktionssysteme
In der Schweiz laufen die Vorbereitungen für die EM 2008 – vor allem im Sicherheitsbereich: Der Strafenkatalog wird auf internationales Niveau gebracht. Doch einige der Massnahmen sind umstritten, die Fans protestieren – zum Teil erfolgreich

Achtung: Die Schweiz
Foto Valentin Jeck
Seit dem 1. Januar 2007 gilt in der Schweiz das so genannte „Hooligangesetz“. Es bietet die Grundlage für eine Datenbank, in der Personendaten für landesweite Stadionverbote registriert sind. Die Angaben bleiben bis zu zehn Jahre lang im Computer gespeichert. Weitere Massnahmen sind Platzverbote, Ausreisebeschränkungen, Meldeauflagen oder präventiver Polizeigewahrsam, wie man sie auch schon aus anderen Ländern kennt.
Fankreise hatten 2006 Unterschriften gegen das Hooligangesetz gesammelt. Die für eine Volksabstimmung benötigte Anzahl wurde zwar nicht erreicht, doch es etablierte sich eine neue Zusammenarbeit zwischen Fangruppen, die im vergangenen Sommer bereits zum Tragen kam. Da hatte die Swiss Football League nach einem übereilten Beschluss neue repressive Regelungen zum Saisonstart erlassen: Tickets für die Gästesektoren durften nur noch nach einem Identitätsnachweis verkauft werden. Die Fangruppierungen der meisten Klubs boykottierten daraufhin Auswärtsspiele ihrer Mannschaft. Da die Zahlen mitreisender Fans in der Schweiz sowieso eher gering sind, wirkte der Druck: Nach wenigen Spieltagen wurde der untaugliche Versuch abgebrochen.
Der Flop brachte einiges in Bewegung. Die Aktion der Fans führte den Klubleitungen die Abhängigkeit von den aktiven Anhängern vor Augen. In verschiedenen Vereinen wurden die Kontakte zwischen Vereinsführung und Fans daraufhin ausgebaut. So nimmt beim FC St.Gallen ein Fanvertreter regelmässig an den Sitzungen der Geschäftsleitung teil. Eines der Resultate dieser Gespräche ist ein sanfteres Sanktionssystem, damit nicht in jedem Fall gleich Stadionverbote ausgesprochen werden müssen.
Auch die Zusammenarbeit der Anhänger verschiedener Klubs setzte sich fort. Im März startete die Aktion „Fansicht“. Ziel ist es, die Auswirkungen des Hooligangesetzes zu dokumentieren und den Widerstand dagegen zu koordinieren. Die Aktion wird getragen von den Fangruppen der wichtigsten Klubs, dabei sind etwa die Südkurve des FC Zürich oder die Muttenzer Kurve des FC Basel. Plattform ist eine Internet-Homepage unter der Adresse www.fansicht.ch. Dort finden sich unter der Rubrik „Grobe Fouls“ konkrete Erfahrungen mit der neuen Repression im Stadionalltag. Die ersten dort gesammelten Beispiele zeigen das Hauptproblem des neuen Gesetzes: Es gibt kaum Möglichkeiten, sich gegen unberechtigte Stadionverbote zu wehren – eine Tatsache, gegen die auch die Fans in Deutschland seit einiger Zeit angehen. „Fansicht“ fordert deshalb ein unabhängiges Schiedsgericht, das strittige Fälle beurteilen soll.
Andreas Kneubühler
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