STADION
Baustelle Millerntor
Die Osttribüne, von den Fans des FC St. Pauli "Gegengerade" genannt, wird zum Jahresende fertig. Jetzt klappt es mit 4.000 Stehplätzen schon zum ersten Zweitliga-Heimspiel gegen Ingolstadt am 11. August. Von Roger Repplinger.

 

Millerntor-StadionDie neue Gegengerade: Geht alles glatt, werden dort die Fans des FC St. Pauli am 1. September stehen.
Foto Ulrike Schmidt

 

Vier Kräne, zwei gelbe, einer in Orange und ein roter. An einem der gelben Kräne hängt ein Fertigteil aus Beton – mit Aussparung für die Tür. Das Teil muss einen schmalen Schlitz passieren, in dem Teil der Osttribüne, der schon steht. Der Mann im Kranführerhäuschen sieht nicht viel, ein Bauarbeiter, blauer Helm, dirigiert das Betonteil mittels Seil. Sieht aus, als er einen Drachen steigen lässt.
Im Millerntorstadion wird an der Osttribüne, auch „Gegengerade“ genannt: Platz für 13.000 Fans, davon 10.000 Steh- und 3000 Sitzplätze, gearbeitet. Zusammen mit dem Ausbau des Trainingsgeländes an der Kollaustraße und der Nordtribüne, die als letzte gebaut wird, kostet sie 22 Millionen Euro. „Geht noch“, findet Stadionchef Wolfgang Helbing, 59. Wird wahrscheinlich nicht teurer, und sogar pünktlich fertig. Und das bei einem Zeitplan von Ende Mai bis Anfang August, „bei dem alle sagten: Geht nicht“, so Helbing.

Das mit den Kosten und der Zeit kann man nicht von allen Baustellen der Stadt behaupten. Vielleicht liegt es daran, dass hier gearbeitet wird: 30 Mann sind auf der Baustelle unterwegs.
„Mit einigen Sachen sind wir weiter als der Zeitplan vorsieht, mit anderen nicht, aber bei den Verschiebungen geht es nur um Tage“, sagt Helbing. Bei den Tribünenstufen im vorderen Bereich, am Ende werden es 48 Stehplatz- und 14 Sitzplatz-Traversen sein, Höhe: 20 Meter, ging es schneller. Dafür waren die Kanalarbeiten mühsam. Vor der Tribüne lief ein „Nazi-Kanal“, wie Helbing ihn nennt. Erbaut zur gleichen Zeit wie der Flakturm IV, also 1942, und auch so massiv: „Unglaublich viel Eisen verbaut, der Kanal war wie der Bunker selbst. Wir mussten allerschwerstes Gerät einsetzen“, sagt Helbing. Das Rausholen war teuer, das Entsorgen „wird es auch“, fürchtet Helbing.
Der Kanal musste raus, weil ein Regenwasserrückhaltebecken gebaut wird, damit das Regenwasser, das auf die Tribüne prasselt, nicht auf ein mal ins Siel drückt, sondern kontrolliert. Nun ist ein neuer Kanal drin. „Großes Teil“, sagt Helbing.

Komplett fertig wird die Tribüne Ende des Jahres. „Immerhin so weit fertig, dass wir Teile nutzen können, das müssten wir bis zum zweiten Heimspiel, schaffen“, schätzt Helbing. Könnte also mit den Stehplätzen was werden am Samstag, 1. September, 13 Uhr, gegen den Aufsteiger SV Sandhausen. Voraussetzung sind Wellenbrecher und Zäune und ein vernünftiger Zu- und Abgang. Ein Treppenhaus hat die Tribüne schon jetzt, aber das ist nur was für Bauarbeiter.

Wolfgang HelbingIm Dauereinsatz: Wolfgang Helbing, Stadionchef beim FC St. Pauli. Foto Ulrike Schmidt

 

Die Ost-Tribüne ist nicht so kompliziert wie die anderen, weil nicht so viele Extraräume: Séparées, Ballsäle und Büros rein kommen. Dann nimmt Helbing die Finger: „Auf den Ebenen I und II die Sanitäreinrichtungen und Kioske, da erwarte ich keine Probleme, da haben wir schon Routine, das haben wir schon zwei Mal gebaut.“ Im Erdgeschoss „die Fanräume und die Wache für die Polizei, das ist gut durchgeplant, auch da erwarte ich keine Probleme“. Um die Wache gibt es eine Diskussion, der „Ständige Fanausschuss“ und Mitglieder der „AG Stadionbau“ des FC St. Pauli hatten Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) einen Brief geschrieben, in dem sie ihn um Vermittlung bitten. Die Fans wollen keine Wache in ihrer Tribüne, sondern auf dem Heiligengeistfeld. Die Konsequenz wäre, so Helbing: „Zusätzliche Investitionen, die wir nicht haben, und zusätzlicher Platz auf dem Domgelände, den wir nicht kriegen.“

Das größte Hindernis beim Bau, bei der Nordtribüne wird das noch schwieriger, ist der Platz. Dom, Fanfest, Schlagermove, auf dem Heiligengeistfeld ist immer was. „So ist das bei einem innerstädtischen Stadion“, erklärt Helbing. Wenn es mit der Nordtribüne losgeht, ist von hinten gar nichts zu machen, da müssen die Kräne links und rechts stehen. „Kriegen wir auch hin“, ist Helbing zuversichtlich. Nun wird gerade der Sommerdom aufgebaut, der Platz für die Baufahrzeuge wird damit noch knapper. Im Stadion ist Openair-Kino, die Leinwand ist da, die Stühle auch, im Unterschied zum Sommer. Als die Fundamente gegossen wurden, wurde bis 21.30 Uhr betoniert, bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als es Dunkel war, gingen die Bauarbeiter und die Kinobesucher kamen.

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Millerntor-StadionBaustelle mitten in der Stadt: Die neue Osttribüne des Millerntor-Stadions
Foto Ulrike Schmidt

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