ITALIEN
Kettenraucher, Scudetto und das nächste Wunder
Mit Preben Elkjaer-Larsen und Hans-Peter Briegel wurden sie schon einmal Meister: Der FC Hellas Verona kehrt sensationell nach elf Jahren wieder in die Serie A zurück.Von Giovanni Deriu.
Nach elf Jahren wieder Grund zum Jubeln: Fans von Hellas Verona. Foto Pixathlon
Das Stadion Bentegodi in Verona hat seinen FC Hellas wieder. Elf Jahre lang mussten die Tifosi von Hellas Verona warten, bevor der Aufstieg in die höchste Spielklasse Italiens, die Serie A, klar gemacht wurde. Als Vize-Meister der Serie B, hinter dem Überraschungsaufsteiger der US (Unione Sportiva) Sassuolo, möchte Hellas nach langer Abstinenz wieder an den Erfolgen anknüpfen, die einst Spieler wie Hans-Peter Briegel und Thomas Berthold, Preben Elkjaer Larsen oder Adrian Mutu und Gilardino erst möglich machten – in Fußball-Europa wieder eine Rolle zu spielen. Vom Gewinn des Scudetto redet derweil in Verona keiner, den sicherten für Hellas letztmalig Hans-Peter Briegel und Elkjaer-Larsen 1985.
Der Gewinn der italienischen Meisterschaft damals glich einer favola, einem Märchen. Und dieses Märchen um Hellas Verona erzählte man sich auch in all den mühsamen Jahren in der Serie B und C1, bevor es dann in dieser Saison wieder nach oben ging – das Märchen von Trainer Osvaldo Bagnoli, der quasi mit seiner No-Name-Truppe 1985 die italienische Meisterschaft errungen hatte. Die Aufstiegsmannschaft dieser Tage um Trainer Andrea Mandorlini erinnerte sich immer wieder an die Story von damals. Mit 82 Punkten, und einer mutigen und offensiven Spielweise wie damals zu Briegels Zeiten, verdiente sich Hellas Verona heuer den Aufstieg. Gegen Mitaufsteiger Sassuolo (Emilia-Romagna, nah an Modena, wo Sassuolo auch spielt) gewann das Team im altehrwürdigen „Marcantonio Bentegodi“ vor knapp 20 000 Zuschauern mit 1:0, in der Rückrunde gab es ein 1:1. In beiden Spielen traf der 28-jährige Argentinier Juanito. Insgesamt erzielte Juanito zehn Treffer, sein italienischer Kompagnon und Sturmpartner Daniele Cacia kam auf 24.
Ein paar Argentinier und Brasilianer strecken den Kader des Aufstiegsteams, aber Festigkeit im Mittelfeld, nie zu schade, auch mal doller ins Tackling zu gehen, verlieh dem Hellas-Team von heute ein robuster Isländer links der Zentrale, Emil Hallfredsson. Nun, die Stutzen nach unten gerollt und ganz ohne Schienbeinschoner wie einst Briegel, so spielt Hallfredsson nicht, aber ein bisschen Ähnlichkeit besteht schon mit „Peter Panzer“. Drei Treffer steuerte der Isländer in dieser Saison bei.
Meister mit Hellas Verona: Hans-Peter Briegel, hier bei der WM 1986 gegen Marokko. Foto: Pixathlon
Ja, überhaupt, das Märchen von damals, als Diego Maradona aus Barcelona kommend beim SSC Neapel anheuerte, rollten die Veroneser das Feld von hinten auf. Alle Favoriten ließ das Team von Trainer Begnoli hinter sich, AC Turin, AC Milan, Inter Mailand, Sampdoria, und die alte Dame von Juve. Maradonas SSC Napoli wurde nur Achter. Und Maradona zollte Hans-Peter Briegel noch in den kommenden Jahren Respekt.
Stattdessen trumpften der Kettenraucher und Flitzer Elkjaer-Larsen, Briegel und Galderisi auf. Sie rauchen so viel, und sind dennoch so schnell, fragte ein Talkmaster, und der Däne Elkjaer antwortete: „Gerade weil ich so viel rauche, bin ich so schnell.“ Damals reichte die Kondition zum Scudetto.
Und diesmal muss das Ziel lauten, oben bleiben, und zumindest die Erzfeinde des Stadtteils Chievo hinter sich zu lassen. Sie teilen sich das „Bentegodi“, FC Hellas und Chievo. Als Emporkömmlinge werden Fans und Club von Chievo gesehen. Immerhin sorgte aber auch Chievo Verona, kaum 2001 aufgestiegen, mit seiner attraktiven Spielweise für Furore in Italien und auch in Europa. Coach Gigi Delneri prägte diese kurze Ära von Chievo, 2007 noch im Uefa-Cup dabei, stieg das Team im selben Jahr ab, aber auch gleich wieder auf. Seit Jahren trifft Rekordspieler und Schütze Sergio Pellissier für Chievo. Avancen anderer Topclubs ließen ihn stets kalt, einmal Verona, immer Verona. In dem Fall Chievo.
Man darf also gespannt sein auf die Derbys in der Stadt von Romeo und Julia. Als fliegende Esel („Mussi volanti“) werden die Chievo-Fans und Spieler vom Stadtrivalen Hellas genannt, ganz dem Motto, eher würden Esel fliegen, als Chievo aufsteigen. Auch dieses Märchen wurde wahr, Chievos „Esel“ hatten den Höhenflug, während Hellas nach einer gemeinsamen Saison in der Serie A abstieg.
Hier der FC Verona, einst von Studenten gegründet, und auf Bitten eines Professors den Club-Beinamen „Hellas“ erhalten, und dort der Club vom gleichnamigen Stadtteil Chievo mit den fliegenden Eseln. Vielleicht wird in der kommenden Saison eine neues Märchen in Verona geschrieben …
Buch-Tipp: Tim Parks: Eine Saison mit Verona - Eine Reise durch Italien auf der Suche nach Träumen, Fußball und dem Herzen des Landes. ISBN 3-442-45374-7
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