INTERVIEW

„Kaum noch Schwächen am Ball“

Er hat beide Klubs trainiert: Am heimischen Fernseher sah Erich Ribbeck das Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Seine Karriere hatte der mittlerweile 76-Jährige als Bundestrainer nach der EM 2000 beendet. Interview Henning Klefisch.

 

Lothar Matthäus und Erich RibbeckBei der Südamerikareise der Nationalf 1999: Lothar Matthäus und der damalige Bundestrainer Erich Ribbeck.Foto Pixathlon

 

RUND: Herr Ribbeck, wie haben Sie das Champions-League-Finale erlebt?
Erich Ribbeck: Ich habe mir das Spiel zu Hause vor dem Bildschirm im Kreise meiner Familie angeschaut. Dortmund und Bayern haben eine exzellente Werbung für die Bundesliga betreiben können. Viele Menschen haben dieses Spiel gesehen. Deshalb war es ein absoluter Glücksfall, dass im Champions-League-Finale zwei deutsche Mannschaften spielen konnten.

RUND: Wie fanden Sie das fußballerische Niveau?
Erich Ribbeck: Ich bin immer vorsichtig, weil man am Fernsehschirm die Spiele immer anders betrachtet, als wenn man live dabei ist. Man darf auch nicht vorschnell in der Beurteilung der einzelnen Spieler sein, weil man nicht alle Laufwege sieht. Was auffällt, ist die Tatsache, dass sämtliche Spieler kaum Schwächen am Ball zeigen. Zudem sind sie auch athletisch sehr gut ausgebildet und können über 90 Minuten ein hohes Tempo gehen. Bei Dortmund war das fast noch extremer, wenn man sieht, dass sie 90 Minuten in einem hohen Tempo in Bewegung sind. Zu früheren Zeiten war das sicherlich nicht so der Fall.

RUND: Welchem Ihrer ehemaligen Vereine haben Sie die Daumen gedrückt?
Erich Ribbeck: Ich sehe das eher neutral. Grundsätzlich hält man lieber zu dem Außenseiter. Das sind natürlich menschliche Verhaltensweisen, die man da zeigt. Auf der anderen Seite muss man jedoch auch sagen, dass die Bayern in der Gesamtheit einen Tick besser besetzt waren. Auch Dortmund hätte dieses Spiel gewinnen können, wenn sie in der Anfangsphase einen Treffer erzielt hätten.

RUND: Wie beurteilen Sie die Stärke der Bundesliga - viele Fachleute sehen sie auf dem Weg zur besten Liga der Welt?
Erich Ribbeck: Das kann ich nicht beurteilen. Ich sehe meistens nur die Bundesligaspiele. Ich beobachte die ausländischen Ligen nicht so intensiv. Letztlich kann man nur einen Vergleich anstellen, wenn die Mannschaften direkt gegeneinander spielen. Wie kann man die Klasse einer Liga beurteilen Was uns bisher immer so ausgezeichnet hat, war die Ausgeglichenheit in der Bundesliga. Wenn eine Mannschaft mit 25 Punkten Vorsprung Meister werden kann, dann ist das außergewöhnlich. Man muss die nächste Spielzeit abwarten, ob das wieder so eintreten wird. Wenn so etwas wieder passierte, hätte man solche Verhältnisse wie in den vergangenen Jahrzehnten in Spanien. Letztlich ist dies in Frankreich und Portugal ähnlich. In England ist die Ausgeglichenheit mit vier bis fünf Teams in der Spitze ein wenig größer.

RUND: Welchen Teams trauen Sie zu, dass sie auch einmal oben angreifen können?
Erich Ribbeck: In erster Linie den Teams, die nun auch oben mit dabei sind. Man wartet darauf, dass Freiburg einen Einbruch erlebt. Bei Mainz war es dieses Jahr schon ein bisschen weniger als im Jahr zuvor. Auf Bremen muss man achten. Die werden sicherlich nicht noch einmal so weit hinten landen. Das Gleiche trifft auf Wolfsburg zu. Die Aufsteiger werden es wieder schwer haben. Bei Hoffenheim habe ich das Gefühl, dass sie im nächsten Jahr wieder oben mitsprechen werden. 1899 hat eine qualitativ gute Mannschaft. Jetzt muss man sehen, was mit Lewandowski passiert. Neben Bayern werden Dortmund, Leverkusen und Schalke sicherlich auch wieder an der Spitze stehen.

RUND: Wie intensiv ist der Kontakt zu ihren Ex-Vereinen ?
Erich Ribbeck: Da gibt es Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski. Beide sehe ich ab und zu dann sprechen wir über alte Zeiten. Die Eintracht war mein erster Verein. Da gibt es keine intensiven Kontakte. Zu Borussia Dortmund habe ich über Reinhard Rauball Kontakt. Wir sehen uns und telefonieren regelmäßig. Wenn ich Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sehe, sprechen wir über unser Golfhandicap und weniger über Fußball. Franz Beckenbauer treffe ich häufiger. Zu ihm hat sich ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis entwickelt. Leverkusens Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser kenne ich noch aus früheren DFB-Zeiten.Wir hatten zuletzt ein Treffen zum 25-jährigen Jubiläum des UEFA-Pokalsieges 1988. Ein Großteil der Spieler war anwesend, ein schöner Moment. Ich bin auch viel unterwegs und bin kein passionierter Stadiongänger.

RUND: Wäre auch ein Zweitligist möglich gewesen?
Erich Ribbeck: Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Ich war damals sehr jung. Als ich die Chance als Trainer erhalten habe, war ich gerade einmal 31 Jahre alt. Ich war damals noch im Schuldienst auf dem Gymnasium. Da habe ich mir schon überlegt, ob ich diesen Schritt wage. Ich habe mich dann beurlauben lassen und hab es dann gemacht. Ich habe es nicht bereut. Meine ganze Lebensplanung hat sich dadurch geändert. Insofern kann ich mich nicht beklagen. Überall war es schön. Ich möchte da nichts hervorheben. Als junger Trainer hat man ein völlig anderes Verhältnis zu den Spielern. Bei Frankfurt und Lautern waren einige Spieler noch gleichaltrig. Es war immer interessant. Damals hatten die Spieler wie Charly Körbel eine andere Einstellung zum Spiel. Heute geht es um viel mehr Geld. Der Druck ist noch höher. In Dresden mit Pacult und bei Schalke mit Jens Keller sind Trainerdiskussionen aufgekommen, die letztlich völlig unnötig gewesen sind. Als ehemaliger Trainer sage ich mir, dass dort irgendetwas nicht stimmen kann, wenn alles von einem gewonnenen Spiel abhängt, ob man der geeignete Trainer ist. Der Druck ist heutzutage so stark geworden, dass kaum ein Verantwortlicher einen ruhigen Kopf bewahren kann.

RUND: Was halten Sie von den Relegationsspielen sowie den Aufstiegsspielen in die dritte Liga?
Erich Ribbeck: Das Beste wäre sicherlich, wenn der Meister aufsteigen würde und es dazu noch zu einem Relegationsspiel kommen könnte. In der Bundesliga ist es so, dass die Europa-League-Plätze bis Rang sieben gehen. Kurz danach beginnt häufig schon die Abstiegszone. Für die Spannung ist dies ideal. Wenn ich jedoch weiß, dass der Meister einer Liga nicht automatisch aufsteigen, sondern eventuell noch einmal scheitern kann, ist dies nicht zu verstehen. In den Regionalligen ist der Abstiegskampf häufig interessanter als der Aufstieg. Hoffentlich ist dies nur eine Übergangslösung.

RUND: Wie betrachten Sie die 3. Liga? Viele Vereine dort haben massive finanzielle Probleme.
Erich Ribbeck: Bei Alemannia Aachen sind qualitativ hochwertige Spieler ausgebildet worden, die nun bei Bundesligisten tragende Rollen übernehmen. Dort sind meines Erachtens in gewissen Bereichen Fehler gemacht worden. Der Stadionbau hat sicherlich auch dazu beigetragen. Die Nachwuchsarbeit bei der Alemannia war definitiv hervorragend. Warum der VfL Osnabrück oder auch Arminia Bielefeld so massive finanzielle Probleme haben, weiß ich nicht.

RUND: Wie würden Sie ihr Verhältnis zum 1. FC Köln beschreiben?
Erich Ribbeck: Ich bin kein Prophet, der ein Patentrezept für eine mögliche Lösung der finanziellen Probleme des 1. FC Köln hat Auffallend ist, dass das Stadion immer voll ist. Die Atmosphäre ist wahrlich beeindruckend. Ich habe gelesen, dass im Mannschaftskader Spieler von 17 Nationen gewesen sind. Ich hätte früher als Trainer nur schwer erfolgreich arbeiten können, wenn ich die einzelnen Spieler auch sprachlich und damit auch kommunikativ nicht erreiche. Das dauert ja ewig,, bis einer richtig übersetzt hat. Das hat sich beim 1. FC Köln glücklicherweise in den vergangenen Jahren geändert. Aus den Medien weiß ich, wie schwierig die finanzielle Situation ist, auch bezüglich den Verhandlungen mit der Stadt wegen der Stadionmiete. Dies trägt natürlich nicht dazu bei jetzt positiv in die Zukunft zu schauen. Ich glaube schon, dass die Situation in Köln derzeit nicht ganz einfach ist. Als Verein hängt man letztlich immer von den Spielern ab, die man zur Verfügung hat. Ob dieso gut sind, um sagen zu können, dass sie in der kommenden Saison aufsteigen können, glaube ich eher nicht.

RUND: Sollte man beim 1. FC Köln stärker auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchszentrum setzen?
Erich Ribbeck: Das ist in der heutigen Zeit, speziell in Köln, nicht immer so ganz einfach, weil die Erwartungen auch sehr hoch sind. In Freiburg oder Mainz, wo man etwas ruhiger arbeiten kann, ist dies sicherlich einfacher, weil dies schon über Jahrzehnte so funktioniert. Die Kölner waren stets mehr an Bayern München orientiert, als an Freiburg oder Mainz. Es ist immer einfacher, wenn man von unten nach oben kommt, als wenn man einmal oben gewesen ist und diesen Standard halten muss. Das ist bei vielen anderen Traditionsvereinen ähnlich gewesen. Ich drücke die Daumen, allein im Namen der zahlreichen FC-Fans. Beeindruckend, dass die Mannschaft des Öfteren nicht so gut gespielt hat und die Fans trotzdem hinter diesem Team stehen.

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