STARGAST

Der Zauberer vom Balkan

Mladen Petric vom FC Basel ist der aufregendste Spieler der Schweizer Super League. In der kroatischen Nationalelf feierte er ein sensationelles Comeback. Nun wird er für Borussia Dortmund stürmen. RUND hat den Ausnahmestürmer getroffen.


Jetzt ein Borusse: Mladen Petric Illustration Toni Schröder



Mladen Petric kann zaubern. Wie sonst soll man sich erklären, was in jener Europapokal-Nacht des 23. November 2006 in Basel passiert ist? Der FC Basel hatte im Uefa-Cup-Gruppenspiel gegen AS Nancy zum 2:2 aufgeholt – natürlich mit maßgeblicher Unterstützung seines besten Stürmers Mladen Petric -, als Basels Torhüter Franco Costanzo wegen einer Notbremse die rote Karte sah. Es lief die 93. Minute und die Schweizer konnten nicht mehr auswechseln. Also schlüpfte Mladen Petric in den verschwitzten Torwart-Sweater, stülpte sich die klobigen Handschuhe des argentinischen Schlussmanns über und hörte sich dessen Ratschlag an: „Mach eine Finte und spring in die andere Ecke.“

Petric nickt, ohne den Blick vom Ball abzuwenden, der auf dem Elfmeterpunkt ruht. Es brodelt im St.-Jakob-Park. Und dann hechtet Petric an seinem ungewohnten Arbeitsplatz in die linke Ecke, streckt sich, taucht tief – und pariert den platziert und hart geschossenen Elfmeter. Er hält ihn sogar fest. Und der Schweizer Fußball hat eine neue Heldenepisode. Mit Zauberei, meint jedenfalls Mladen Petric, habe das herzlich wenig zu tun: „Man sucht sich eine Ecke und springt“, sagt er lapidar.

Der FC Basel schied zwar später im Uefa-Cup aus, Mladen Petric aber setzte seinen zaubergleichen Aufstieg fort. Der 26-jährige ist zum aufregendsten Fußballer der Schweizer Super League geworden. Er erzielte letzte Saison 19 Treffer in der Liga und lieferte elf Mal die Vorlage. In 180 Meisterschaftspartien für die Grasshoppers Zürich, mit denen er zwischen 1999 und 2004 zwei Mal Meister wurde, und für den FC Basel, bei dem er seit 2004 spielt und bislang einen Meistertitel feiern konnte, steht er mit 67 Toren zu Buche.

Petric, ein drahtiger Typ, windet sich auf dem Weg zu seinen Toren mit elegantem Dribbling an seinen Gegnern vorbei, nagelt Freistöße aus 30 Metern Entfernung in den Torwinkel oder schnippelt sie von der Strafraumgrenze über die Abwehrmauer hinweg ins Ziel. Egal, ob er mit seinem begnadeten linken Fuß abzieht, wuchtig köpft oder quer in der Luft liegend mit einem spektakulären Seitfallzieher abschließt – meistens sind es zauberhafte Tore.

Sein Trainer Christian Gross, der selbst eine Ausnahmeerscheinung im Schweizer Fußball ist, zählt Petric mit seinen individuellen Fähigkeiten zu den drei besten Stürmern, mit denen er zusammengearbeitet hat – neben Kubilay Türkyilmaz, der noch immer Rekordtorschütze der Schweizer Nationalmannschaft ist, sowie dem Franzosen David Ginola, den Gross bei Tottenham trainierte. „Mladen Petric spielt eine überragende Saison“, sagt Gross, „und zeichnet sich durch eine hohe Effizienz aus.“ Und der Spieler weiß den Karriereabschnitt unter dem erfolgsfokussierten Gross zu schätzen: „Da hat noch einmal eine richtige Entwicklung stattgefunden, vor allem, was die Aggressivität anbelangt.“

Für den FC Basel ist Mladen Petric in einer Saison mit Höhen und Tiefen zu einer Lebensversicherung geworden. Im Basketball würde man ihn zum Most Valuable Player wählen. Man wunderte sich, wie solch ein hochbegabter Mittzwanziger noch in der Schweiz zu halten ist. Vermutlich lag es auch am Spieler selbst und seinem Umfeld. Offerten aus Moskau und der Ukraine schlug er aus, auch einem konkreten Werben von Celtic Glasgow widerstand er, und Kontakte zwischen ihm und Werder Bremen wurden im Winter auf Eis gelegt.

Nun wechselt Petric zu Borussia Dortmund. Dass der BVB die Fühler nach Mladen Petric ausgestreckt hat, hängt auch mit seinem zweiten Anlauf in der kroatischen Nationalmannschaft zusammen. 2001 hatte er, der beide Pässe besitzt, sich gegen die Schweiz entschieden – das Land, in dem er aufgewachsen ist – und für Kroatien, die Heimat seiner Eltern, wo auch er am 1. Januar 1981 geboren wurde. Doch nach seinem ersten Länderspiel 2002 fristete Petric lange Zeit in der Schweizer Versenkung einen Dornröschenschlaf, den erst der neue Nationaltrainer Slaven Bilic beendete, ein ehemaliger Bundesligaprofi vom Karlsruher SC und WM-Dritter 1998 mit Kroatien. Nun hat er in Dortmund einen Vertrag bis 2011 unterschrieben, der FC Basel bekam 3,5 Millionen Euro Ablöse.

Ein Platz ganz vorne in der Auslage des internationalen Fußball-Schaufensters wurde Petric spätestens mit seinem spektakulären Comeback in der Nationalmannschaft freigeräumt. Im vergangenen Oktober beim 7:0 EM-Qualifikationsspiel gegen Andorra gelangen ihm vier Tore. Inzwischen erzielte er in 13 Länderspielen sechs Treffer und Kroatiens Presse feiert ihn nach dem Rücktritt von Stürmer Dado Prso wie einen Neugeborenen: „Slaven Bilic hat einen großen Stürmer bekommen.“

Und der kann tatsächlich zaubern. Als er 14 Jahre alt war und nach einer Blinddarmoperation im Spital lag, schenkte ihm sein Bruder Josip ein Büchlein mit einfachen Zaubertricks. Petric beherrscht ein paar davon virtuos, er hat sich sogar bei magischen Seminaren fortgebildet und unterhält heute im Trainingslager seine Kollegen schon mal mit kleinen Vorführungen. „Nach einem gelungenen Trick in verblüffte Augen zu schauen, das gefällt mir“, sagt Mladen Petric.

Christoph Kieslich

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