KOLUMNE
Wenn überall nur noch Samba gespielt wird
Kommt bald der globale Einheitsfußball? Um Erfolg zu haben, spielen die Mannschaften in den Profiligen immer ähnlicher. Es wird dabei immer schwerer, unterschiedliche Stile des Fußballs auszumachen, klagen Sibusiso Zuma von Arminia Bielefeld und der Autor und Weltmeister von 1986 Jorge Valdano im Gespräch mit RUND.


„Spieler mit phänomenaler Vision“: Diego bestimmt das Spiel von Werder, hat aber nicht die Identität der Mannschaft verändert Foto Maak Roberts


Die kurzsichtige Oma konnte nicht ahnen, was sie angerichtet hatte. Ihr zuliebe färbte sich Sibusiso Zuma die Haare blond – eine Seltenheit in dem Township in Südafrika, wo der Fußballprofi aufwuchs, und er fortan von allen anderen Kindern auf dem Platz zu unterscheiden war. Mittlerweile spielt der Angreifer seit zwei Jahren bei Arminia Bielefeld im beschaulichen Ostwestfalen. Die Haarfarbe ist sein Markenzeichen auf dem globalen Markt für Fußballer, wo Brasilianer in der Ukraine und Ivorer in Belgien Karriere machen. An Europa hat sich Zuma gewöhnt, seitdem er beim FC Kopenhagen zum ersten Mal in seinem Leben Schneeflocken sah. Wenn er wissen will, was seine Nationalmannschaftskollegen der „Bafana Bafana“ in ihren über ganz Europa verstreuten Klubs machen, schaltet er auf dem Sofa die Satellitenschüssel an.

Fußballer wie Zuma können über den Begriff Globalisierung nur müde lächeln. Sie wissen genau, was in den wichtigsten Profiligen läuft. Von der Bundesliga hat der Angreifer eine hohe Meinung, sehr wettkampfstark sei sie, an einem guten Tag könne auch Bielefeld die großen Bayern schlagen. Was hat sich verändert, seitdem er nach Deutschland kam? „Es gibt die Tendenz, dass deutsche Mannschaften immer ähnlicher spielen. Ich finde den spanischen Fußball im Moment aufregender“, sagt Zuma, der das schöne und effiziente Spiel des FC Barcelona bewundert.

Jorge Valdano, einer der größten Experten für das schöne Spiel, bestätigt im Interview mit „RUND“ Zumas Einschätzung auf internationaler Ebene. „In den letzten Jahren hat sich die Spielweise der verschiedenen Teams weitgehend uniformiert. Dadurch, dass sich die Spieler ständig um die ganze Welt bewegen, werden die Nuancen des südamerikanischen oder des europäischen Stils weitgehend eingeebnet“, klagt der Mann, der mit Argentinien 1986 Weltmeister wurde, dann Sportdirektor bei Real Madrid war und den Fußball nun in viel beachteten Kolumnen und Büchern seziert.

Wird es also bald den globalen Einheitsfußball geben? Wer viele Bundesligapartien gesehen hat, kann die Gefahr bestätigen. Die meisten Teams versuchten sich aus einer perfekten Organisation mit wenigen Ballkontakten zu befreien, um dann ihre Tore zu erzielen. Angreifer wie Zuma müssen in ihren Klubs viel Abwehrarbeit verrichten, wird der Ball nach vorne gespielt, sollen sie ihn halten, bis die Kollegen nachgerückt sind. „Das ist sehr harte Arbeit. Es fehlt uns häufig die Energie, mit Macht in den Strafraum zu kommen“, bestätigt Zuma. Die Kraft für die kreativen und spektakulären Momente fehlt dann allzu häufig. In Dänemark, wo langsamer gespielt wird, schoss Zuma mit einem spektakulären Fallrückzieher einen Treffer, der zum schönsten Tor aller Zeiten gewählt wurde. In Bielefeld konnte er das bislang nicht zeigen. Es sind die wenigen überragenden Einzelkönner, die aus dem Kollektiv herausragen: Bernd Schneider oder Lincoln konnten dem Spiel von Leverkusen und Schalke Überraschendes vermitteln, das länger im Gedächtnis bleibt als die nackten Resultate.

Die meisten Trainer brauchen den schnellen Erfolg, um im Amt bleiben zu können. Die Versuchung, erfolgreiche Mannschaften wie den defensiv ausgerichteten Weltmeister Italien zu imitieren, ist groß. Aber es gibt Ausnahmen: Dort, wo das Klubmanagement langfristiger denkt, kann ein Stil abseits vom Einheitsbrei entstehen. Etwa in Bremen. Obwohl sein Team in der abgelaufenen Saison nicht Deutscher Meister wurde, bekommt Werders Trainer Thomas Schaaf inzwischen sehr viel Anerkennung. Einige rauschhafte Spiele in der Champions League haben Werder zur einzigen deutschen Mannschaft gemacht, die unter Fußball-Connaisseuren sofort genannt wird, wenn vom schönen Spiel die Rede ist. Jorge Valdano bescheinigt ihnen, attraktiven Angriffsfußball auf hohem Niveau zu spielen, ohne dabei ihre Identität verloren zu haben. Selbst die Anwesenheit von Diego, einem Spieler mit einer „phänomenalen Vision“, so Valdano, habe die Mannschaft nicht in ein Sambaorchester verwandeln können. Und das ist eigentlich das größte Kompliment, das man einer Mannschaft machen kann.

Matthias Greulich

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