KOLUMNE
Vollgas für die Rettung der Welt
Schnelligkeit ist für Fußballer furchtbar wichtig – nicht nur auf dem Platz. Viele lieben die rasende Fahrt im eigenen Sportwagen. Oliver Lück hat einen Vorschlag, wie die Kicker ihre Vorliebe für PS und ökologisches Handeln verbinden können.



Per Mertesacker
„Dann ticke ich aus und schreie auch herum“: Per Mertesacker, verkabelt am RUND-Lügendetektor Foto Stefan Schmid



Neulich habe ich mir überlegt, wie man das Klima retten könnte. Mir ist Per Mertesacker eingefallen. Sie kennen ihn, den baumlangen sympathischen Innenverteidiger. Nationalspieler von Werder Bremen. Fällt nie aus der Rolle. Gerne glauben Journalisten daher, dass der „WM-Held“ mit „Typ Schwiegersohn“ treffend beschrieben sei. Ein ruhiger, junger Mann eben – könnte man meinen.

Wäre es aber möglich, die Aggressionen, die im Straßenverkehr entstehen, als Treibstoff für das Auto zu nutzen, Mertesacker wäre die ideale Testperson. Denn wenn er den Motor seines Autos startet, verändert er sich. Das hat er mir vor einiger Zeit in einem Interview verraten. Aus dem moderaten, besonnenen Mann wird ein keifendes, hupendes Monster. „Dann ticke ich aus und schreie auch herum“, beschreibt er seine Wandlung, wenn andere nicht so fahren, wie er will. Wie viele trägt auch Mertesacker das Raser-Gen in sich. „Ich fahre gerne schnell, bin auch mal mit Tempo 200 dabei“, so der 22-Jährige.

Nahezu alle Fußballprofis haben dieses Gen, viele wurde auch schon geblitzt. Fragt man die Spieler, in welchen Situationen sie regelmäßig die Fassung verlieren, antworten gefühlte 90 Prozent „hinterm Lenkrad“. Auch Gerald Asamoah, der mich fast vor der Schalker Geschäftsstelle überfuhr. Oder Mike Hanke, einst in Gelsenkirchen und Wolfsburg, inzwischen Stürmer bei Hannover 96. Der erzählte mir mal, dass er gerne sportlich fahre, gar nicht genau wisse, wie viele Punkte er in Flensburg mittlerweile habe und dass die Schimpfwörter, die ihm am Steuer so einfallen, besser nicht für die Ohren anderer bestimmt wären.

Oder Tim Borowski, Mertesackers Teamkollege in Nationalteam und Bremen: „Ich würde an diesen Autorennen teilnehmen. Diese Cruiser, die sich irgendwo treffen und mit ihren schnellen Schlitten durch die Gegend heizen. Die Geschwindigkeit reizt mich, das Verbotene wäre ein zusätzlicher Kick.“ Adrenalin pur. Und der Tank wäre immer voll. Glauben Sie mir: Der Straßenverkehr und der Fußball werden schon bald unerschöpfliche Energiequellen sein. Wenn man zum Beispiel die Emotionen, die in den Stadien entstehen, in Elektrizität umwandeln könnte.

Jedes Tor, jeder Fehlpass, jede Entscheidung des Schiedsrichters würde Strom erzeugen. Wochenende für Wochenende würden die Bundesligakraftwerke so viel produzieren, dass nicht bloß das Flutlicht oder die Anzeigetafeln funktionierten. Alleine die Sprüche der Besserwisser könnten ganze Städte versorgen. Und jeder Bundesligist wäre ein kleiner Energiekonzern. „Kaufen Sie königsblauen Strom!“. Oder: „Unser Strom schießt Tore!“. Wie wäre es mit „100 Prozent Strom aus Muskelkraft“? Der Mainzer Zweitligatrainer Jürgen Klopp würde Werbung für sich selbst machen: „Immer unter Strom“.

Oder stellen Sie sich nur mal vor, was bei Energie Cottbus alles möglich wäre. Abgesehen davon, dass der Zusammenbruch der Weltwirtschaft den Weltuntergang bedeuten würde, würde mich wirklich interessieren, ob Per Mertesacker weiß, dass er das Klima retten kann.

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