STARGAST
Gottes Werk und Teufels Beitrag
Weil er ein beim Torjubel Palästina-T-Shirt auf dem Spielfeld trug, verurteilte ihn der spanische Fußball-Verband nach Presseberichten zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro. Frédéric Kanouté vom FC Sevilla gehört zu einem der auffälligsten Spieler in der Primera División. Der 32-Jährige sorgte aber auch mit seiner Weigerung, die Werbeaufschrift eines Wettunternehmens zu tragen und Kritik an Nicolas Sarkozy für Aufsehen.

Frederic Kanoute
Er traf in Hannover: Frédéric Kanouté vom FC Sevilla Foto Pixathlon



Man könnte auf die Idee kommen, dass sich Frédéric Kanouté beim FC Sevilla nie richtig eingelebt hat: Als ihn ein Gönner zum Spieler des Monats wählte, tauschte er den Preis – einen edlen Schinken aus Andalusien – diskret gegen Käsespezialitäten. Den Schriftzug eines Unternehmens, das Glücksspiel im Internet anbietet, überklebte der gläubige Muslim als „Werk des Teufels“ mit einem Streifen Tape. Der Trikotsponsor des Klubs war erbost, und dass das Ganze auch noch beim europäischen Supercup-Finale in der Glücksspielhochburg Monaco passierte, machte den Skandal nicht kleiner. Sein Auto mit dem Kennzeichen seiner Geburtstadt Lyon hat der Renitente auch noch nicht umgemeldet, weil es doch einfacher mit der französischen Versicherung sei.

Doch Kanouté ist kein zweiter David Odonkor, der aus Spanien wann immer es geht in die Heimat fliegt. Er gehört zu den begehrtesten Spielern und gibt flüssig Interviews auf Spanisch. Kanoutés größter Aficionado ist der clevere Sportdirektor Ramón „Monchi“ Rodriguez: „Er bricht mit allen Klischees, die man von größeren Spielern hat. Er verfügt über die beste Koordination, die ich im Weltfußball kenne.“ Monchi jubelte innerlich, als der FC Barcelona sich vor einigen Jahren für den Argentinier Maxi Lopez entschied und Fredie, wie ihn alle nennen, von den Tottenham Hotspurs nach Sevilla wechselte. „Ich wusste, dass er wie für die spanische Liga gemacht ist.“

Bislang 72 Tore erzielte der 1,92 Meter lange Angreifer in 154 Spielen der spanischen Liga – häufig wurde er mit Ronaldinho verglichen, als der noch in Barcelona spielte und topfit war. Aber sie sind ganz unterschiedliche Spielertypen: Der zehn Zentimeter kleinere Brasilianer wirkt auf dem Platz erstaunlich robust, seine unglaublichsten Szenen füllen längst die Galerien bei youtube. Vom schlaksigen Kanouté gibt es dagegen weniger Spektakuläres zu sehen. Ähnlich wie einst Roy Makaay ist er bei den Gegnern aber wegen seiner Effektivität vor dem Tor gefürchtet. „Meine gute Form kommt auch durch unsere Mannschaftsleistung zustande. Ich bin wahrscheinlich reifer in meiner Spielweise geworden und zielgerichteter“, glaubt er. Bei seinen ersten Auslandsstationen West Ham United und in Tottenham lernte er sich zu behaupten, in Sevilla passt nun alles zusammen.

Als Jugendspieler bei Olympique Lyon hatte er keine Lobby und konnte sich nicht durchsetzen. Erst auf der britischen Insel wurde er zum ernsthaften Kandidaten für die französische Nationalelf für die EM 2004. Ohne Zögern entschied er sich für Mali, dem Geburtsland seines Vaters. Beim Afrika-Cup erreichte sein Team sogar das Halbfinale, Kanouté traf vier Mal in fünf Spielen. In dem nordafrikanischen Land möchte er ein Dorf für benachteiligte Kinder bauen lassen, er hat eine Stiftung gegründet, die schon 150.000 Euro an Spenden gesammelt hat. Von seinem Geburtsland erwartet er ebenfalls, Verantwortung in Afrika zu übernehmen. „Die Ideen eines Sarkozy in der Ausländerpolitik sind total hinterwäldlerisch.“


Frederic Kanoute
Den Schriftzug des Wettanbieters hatter er einst überklebt: Fréderic Kanouté Foto Pixathlon


Viel spricht dafür, dass sich Kanouté nicht so von Andalusien verabschieden wird, wie Zidane von der Weltöffentlichkeit. Ebenso wie Zizou verlor er nach einer Provokation die Beherrschung und flog im spanischen Pokalfinale vom Platz. Nach dem Finale hat er endlich die seit Monaten in spanischen Medien diskutierten Wechselabsichten dementiert. Vor dem Wechsel von Thierry Henry zum FC Barcelona hatte man lange geglaubt, dass Barca seine sensationelle Entwicklung mit einer erneuten Offerte honorieren würde. „Ein interessanter Spieler“, sagte Frank Rijkaard lächelnd, was Trainer in seinem Fall immer zu sagen pflegen, als ihn die Reporter im Estadio Ramón Saáchez Pizjuán im Frühjahr 2007 nach der Niederlage im Spitzenspiel nach Kanouté fragten.

So werden sich die Journalisten in Sevilla noch länger darüber begeistern können, dass Fredie seine spanische Aussprache längst dem starken andalusischen Dialekt, dem Andaluz, angepasst hat. Das „s“ lässt er inzwischen ebenso gerne weg, wie die Alteingesessenen. Die Episode mit dem verschmähten Schinken, ist längst vergessen. Und mittlerweile spielt auch Kanouté mit dem Schriftzug des Wettanbieters, der sich im Gegenzug bereit erklärte eine größere Summe an die Stiftung des Angreifers zu spenden.
Matthias Greulich

Zurück  |