Porträt
Im Park der 1000 Türen

Christian Ziege hat den Sprung vom Profi zum Sportdirektor gewagt. Für RUND erklärt er, wie er Borussia Mönchengladbach zurück in die Erste Liga führen will. Und wir erklären ihnen den 35-Jährigen.


Nichts zu meckern: Christian Ziege hat den Sprung vom Profi zum Sportdirektor geschafft. Fotos Andreas Teichmann



Die Mission, innerhalb weniger Wochen das Unausweichliche abzuwenden, ist gescheitert. Der jüngste Manager der Bundesliga ist mit seinem Klub Borussia Mönchengladbach abgestiegen. Das sowieso nicht sonderlich glatte Gesicht des 35-Jährigen ist noch etwas zerfurchter geworden. Christian Ziege ist kein Schauspieler, kein Maskenträger, wie ihm in der Endphase des Gladbacher Todeskampfes vorgehalten wurde. „Wenn es für diesen Job wichtig ist, so zu sein, dann bin ich nicht geeignet.“

Dabei war Sportdirektor gar nicht sein Traumberuf: Zunächst wollte er zusammen mit Ehefrau Pia einen Friseurladen für Kinder mit angeschlossener Schuhabteilung eröffnen. „Die Kids können Disney-Filme auf Monitoren schauen, die Mütter derweil Schuhe kaufen.“ Ziege selbst hätte dabei sicherlich einen kompetenten Stylingberater abgegeben, überraschte er doch in seiner aktiven Zeit die Fußballwelt mit mehr als einer extravaganten und oft auch farbenprächtigen Frisur. Doch in der Schuhabteilung hätte es zu Komplikationen kommen können: Ausgeprägte Schweißfüße der jungen Kundschaft hätte der Jungunternehmer kaum mit einem Lächeln quittiert.

Auch der Lebensplan B landete in der Schublade: „Ein Hotel garni, nur mit Frühstück“, hätte ihn gereizt. Lust auf Gese moillschaft. Nicht unbedingt zu erwarten von einem ehemaligen Fußballprofi, dem fast über seine gesamte Karriere das Etikett des Schnösels anhaftete. Doch von diesem Image hat sich Ziege längst gelöst. Fast so etwas wie ein Stichtag war die Heirat mit seiner zweiten Frau Pia Ende 1997. „Mit der Gründung der Familie habe ich mich entwickeln dürfen – zum Positiven.“

Die Sehnsucht nach einer Großfamilie ist ein Leitmotiv seines Lebens. Eher ungewollt hat er sie ansatzweise erfüllt. Pia brachte aus ihrer ersten Ehe Tochter Katharina, heute 15, mit in die neue Gemeinschaft ein, dazu kamen noch Sohn Alessandro-Christian, neun, und Tochter Maria, die im Mai 1999 geboren wurde. Auf das mediterrane Flair muss der gebürtige Berliner noch verzichten. Nach dem sehnt er sich seit seiner Kindheit, seit seinem Schlüsselerlebnis, seiner ersten italienischen Reise. Ein Freund nahm ihn mit ins Land, wo die Zitronen blühen, dem Land, mit dem er später seine fußballerischen Wanderjahre beginnen sollte. Die Mutter des Kumpels war Italienerin, der Vater Spanier. „Da wurde eine riesige Tafel aufgebaut“, schwärmt Ziege, „und keiner fing an zu essen, bevor der Großvater nicht ,Guten Appetit’ wünschte. Das hat mir imponiert.“


„Hier gibts 1000 Türen“: Ziege will den Weg finden



Geborgenheit, Liebe, Respekt, ein Team sein – obwohl Borussia Mönchengladbach letztlich sportlich erfolglos blieb, versuchte der Manager, die private Sehnsucht und Erfahrung auf die Arbeitswelt zu übertragen und die Klubmitarbeiter mit einzubeziehen. Natürlich schwärmt der ehemalige Englandprofi von der Atmosphäre des altehrwürdigen und inzwischen dem Erdboden gleich gemachten Bökelberg. Doch er versteht sich weniger als Romantiker denn als Stürmer und Dränger. Der modern-riesige Borussia-Park wird mit Familienleben erfüllt. „Hier gibt’s 1000 Türen. Für den Zusammenhalt musst du etwas tun.“ Damit meint er nicht unbedingt die Osterhasen, die er eigenhändig am Gründonnerstag an alle Geschäftsstellenmitarbeiter verteilt. Miteinander zu sprechen ist ihm wichtig und inzwischen Alltag im so genannten Kompetenzteam – neben Ziege Trainer Jos Luhukay, Teammanager Steffen Korell und Jugend- und U23-Direktor Max Eberl.

Legendär sind auch die Tafelfreuden, die er in seiner sportlich weniger erfolgreichen Zeit beim AC Mailand einführte. Nur trainieren, das war dem Deutschen mit dem ausgeprägten Gemeinschafts- und Familiensinn zu wenig. „Man muss mehr machen.“ Also kam er gemeinsam mit Oliver Bierhoff auf die Idee, jeden Dienstag von einem Profi reihum Mannschaft und Trainer zu Tisch bitten zu lassen. Die Bewirtung war an der Region ausgerichtet, aus der der Gastgeber kam. Weißwüste und Weißbier waren die kulinarische Visitenkarte des Berliners. Mit riesigem Erfolg: „Ich sollte es gleich noch einmal machen.“

Auch im sportlichen Bereich ist der Jungmanager längst auf den Gruppengeschmack gekommen. Die Fehler der Klubvergangenheit – fehlender Gemeinschaftssinn durch zu hohe Fluktuation von Spielern, Trainern und Managern – will er nicht wiederholen. Mit „Scheidungskindern“ lässt es sich nur schwer erfolgreich arbeiten, musste er gleich in den ersten Wochen seiner jungen Managerlaufbahn feststellen. Bei Verhandlungen mit künftigem Familienzuwachs gibt er denn auch seine Fußballphilosophie vor, die jeder Kandidat übernehmen muss: „Ich allein schaffe es nicht. Der persönliche Erfolg kann nur durch den Mannschaftserfolg erreicht werden.“

Die von einem Spieler öffentlich geäußerte Sorge, die Nationalmannschaftskarriere sei gefährdet, wenn er nicht spiele, geht ihm gegen den Strich. „Mein, mein, mein – das ist ein Mannschaftssport! Dann soll er Tennis spielen.“ Großfamilie Borussia. Von der spricht auch Präsident Rolf Königs gerne. Doch das Familienleben könnte schnell zerstört werden, falls der Wiederaufstieg nicht gelingt, und Christian Ziege wäre nicht mehr jüngster Manager in der Bundesliga, sondern jüngstes Scheidungsopfer.

Bernd Schneiders

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