FILM
Zwischen Himmel und Hölle
Die Berliner Regisseurin Buket Alakus lässt ihren Film „Eine andere Liga“ unter Fußballerinnen spielen – weil die Hauptfigur burschikos und verbissen wirken sollte. Von René Martens

Wenn Besiktas verliert, heult ihr Vater „Rotz und Wasser“, und zwischen ihrem Onkel und ihrer Tante gibt es oft Streit, weil er zu Fenerbah√ße hält und die Gattin zu Besiktas. Trotzdem hatte Buket Alakus bis vor kurzem keinen Bezug zum Fußball. Die 34-jährige Regisseurin war „ungetauft“ – bis sie mit der Arbeit an „Eine andere Liga“ begann. Die Kernidee ihres zweiten Films: Eine 20-Jährige kämpft sich nach einer Krebsoperation, bei der sie eine Brust verliert, zurück ins Leben. Der Fußballbezug sei erst „aus der Mitte der Figur“ entstanden, sagt Alakus. Burschikos und verbissen sollte die Protagonistin sein – da assoziiert man schnell Sport.
Buket Alakus wohnt der Liebe wegen in Berlin, ist aber auf St. Pauli verwurzelt. Deshalb spielt der Film hier und im benachbarten Altona, und der Kinobesucher kann in eine ähnliche Kulisse eintauchen wie bei Filmen von Fatih Akin. Die Fußballszenen des Films entstanden in der Adolf-Jäger-Kampfbahn und auf einem Millerntor-Nebenplatz, wo die Filmmannschaft FC Schanze trainiert. Das Team aus Spaßkickerinnen verschiedener Herkunft, bei der Hayat (Karoline Herfurth), die Protagonistin, nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus einsteigt, besteht teilweise aus Laiendarstellerinnen aus dem Schanzenviertel.
Nachdem feststand, dass die Hauptfigur eine Fußballerin sein würde, hat sich Alakus den Zugang zum für sie fremden Spiel „journalistisch“ erarbeitet, sich Spiele von Frauenteams und massenweise Fußballfilme angeschaut. Bei der Recherche fiel ihr auf, dass viele Filme – „Kick it like Beckham“ zum Beispiel, inhaltlich verwandt, zudem teilweise in Hamburg gedreht – finanziell in „einer anderen Liga“ spielen. „Super Kranfahrten, tolle Effekte, all der Süßkram, den man sich wünscht. Das war für uns nicht drin“, sagt Alakus.
Weil es der Regisseurin wichtig ist, dass bei der Arbeit ein „Großfamiliengefühl“ entsteht, hat sie oft gemeinsam mit dem Filmteam Fußball geguckt – mal im Fernsehen, mal im Stadion. Und wenn die Darstellerinnen für ihre Rolle trainierten – „alle mussten Dreck fressen“ –, kickte Alakus manchmal mit. Das private Resultat der sportlichen Filmarbeit: „Viele Schauspielerinnen haben aufgehört zu rauchen.“ Inzwischen habe sie der Fußball „gepackt“, sagt die Regisseurin. Sie merkt das „beim Schreiben der nächsten Drehbücher“, dauernd will sie Fußballideen unterbringen. Ein Spiel und ein Film hätten gemein, dass „man als Zuschauer lange zwischen Himmel und Hölle schwebt, kurz vor dem Ende kann die entscheidende Wende kommen“.
„Eine andere Liga“ leidet etwas darunter, dass die zweite Hauptfigur, Hayats Verehrer Toni (Ken Duken), zu simpel gezeichnet und die Handlung ein bisschen überfrachtet ist. Trotzdem ist der Film, der im Übrigen bestmöglich für die Protagonisten ausgeht, sympathisch. In der romantischsten Szene dinieren Toni und Hayat auf dem Millerntor-Rasen – im von Fackeln umsäumten Mittelkreis. Buket Alakus kann zwar nicht vergessen, dass „das Flutlicht extrem viel gekostet hat“, aber das Gefühl im leeren Stadion sei einmalig gewesen: „Plötzlich glaubst du, dir gehört das alles.“
Zurück |