INTERVIEW

Nora Tschirner: „Ich war keine gute Küsserin“

Mit Fußball kennt sich Nora Tschirner sehr gut aus, nicht erst seitdem sie für den Film „FC Venus“ unter Volker Ippig trainierte. Im RUND-Interview versucht Christian Ulmen sie aus dem Konzept zu bringen.



Christian Ulmen und Nora Tschirner
Im Film „FC Venus“ sind sie Partner: Christian Ulmen
ist Hertha-Fan, Nora Tschirner geht am liebsten zum HSV



RUND: Frau Tschirner, gehen Sie mit Ihrem Filmpartner Christian Ulmen zum Fußball?
Nora Tschirner: Nee, mit dem war ich noch nie beim Fußball. Ich wüsste gar nicht, ob das gut ginge. Ich würde zu viel quatschen, und er müsste immer sticheln. Ich war aber oft beim HSV, als wir in Hamburg gedreht haben, das war großes Kino.

RUND: Ich habe ihn gerade beim Händewaschen auf der Toilette getroffen und mit ihm über den Sieg des FC St. Pauli gegen seinen Lieblingsklub Hertha BSC im DFB-Pokal gesprochen.

Nora Tschirner: Ja, da hat er böse gelitten. Ich soll auch schön grüßen.

RUND: Er hat im RUND-Interview gesagt, er könne sich nicht vorstellen, in einem Fußballfilm mitzuspielen, nun spielt er in „FC Venus“.

Nora Tschirner: Euer Interview wurde am Set auch besprochen. Es war spitze, weil es im Nachhinein natürlich klingt wie ein PR-Gag. Und die Vorstellung, dass Christian in solch einem Film mitspielt, war wirklich lustig, zumal wir noch kurz vor dem Film für „Ulmens Auftrag“ bei Hertha gefilmt hatten und die Sendung nicht ganz ausgestrahlt werden konnte, weil Christian so unlustig war, so von Ehrfurcht erfüllt.

RUND: Mit wem haben Sie die Fußballszenen geübt?
Nora Tschirner: In der Vorbereitung mit Trainern des HSV-Nachwuchszentrums und der Hertha, später am Set mit dem ehemaligen Bundesligatorwart Volker Ippig. Ich glaube, dass Volker ein kleines Problem mit dieser Geschichte hatte. Frauen, die auch nur den Hauch einer Chance haben, gegen Männer zu gewinnen? Das fand er so absurd. Lustig, weil das ja genau unser Thema war. Die Männer mussten oft viel schlechter spielen, als sie wollten. Das war schon eine Frage des Stolzes. Bei uns Mädels fing es dann natürlich erst recht an. Wir wollten es wissen. Volker hat sich viel um uns gekümmert, dabei war er gnadenlos. Einmal schrie er andauernd Anneke (Anneke Kim Sarnau, die im Film die Torhüterin Kim Wagner spielt, Anmerkung der Redaktion) an: Anneke, Winkel halbieren! Außerdem wird er auf dem Platz ein bisschen zum Siebtklässler, wenn’s um Gemeinheiten geht. Was für die Sache, ehrlich gesagt, absolut perfekt war.

RUND: Was war besonders demütigend für die Männermannschaft?
Nora Tschirner: Die Jungs im Film mussten sich von uns tunneln lassen. Man sah dann in ihren Gesichtern: „Das ... nein! Soweit sollte das mit dem Schauspielern niemals gehen.“ Da dachte ich: Hoppla! Es ging wirklich um Befindlichkeiten. Wir haben uns ab und zu ganz schön abgegrätscht am Set. Einmal, als die Kamera nur so mitlief, rief Volker plötzlich: „So, wir spielen jetzt einfach mal mit Leinen los!“ Was zu einer ziemlich rauen Spielart und einigen Schrammen führte, letztere natürlich eher auf Seiten der Frauen. Hinterher gab es Diskussionen, weil nun wiederum wir Mädchen uns ungerecht behandelt fühlten. Es ging zu wie auf dem Schulhof. Und es war irre zu sehen, wie es allen richtig um etwas ging in diesen Momenten.

RUND: Abseits der Lügen im Alltag lernen sich Männer und Frauen auf dem Platz ganz anders kennen?

Nora Tschirner: Ja, es geht um gegenseitiges Verständnis und Kompromisse in Beziehungen. In unserem Fall am Beispiel Kleinstadtfußball. Die Frauen merken: Fußball macht Spaß, dabei haben wir die ganze Zeit gesagt, dass unsere Männer Vollidioten sind, was ist denn das jetzt. Und plötzlich werden sie ganz gepackt von diesem Fieber. Genau wie die Männer merken, dass es schon uncool ist, die ganze Zeit allein zu Hause mit den Kindern hintenan zu stehen, während der Partner sich nur noch seinem Hobby verschreibt. Plötzlich verstehen Sie, dass ihre Frauen sie mit ihrem Gemecker nicht nur schikanieren wollen. Es ist ein Aufeinanderzugehen, bei dem man am Ende weiß, so: Die spielen ab jetzt jede Woche miteinander und alle haben was davon. Das fand ich eine schöne Idee.

RUND: Wie wird das denn bei der WM sein, schauen Frauen und Männer gemeinsam?

Nora Tschirner: Normalerweise gucke ich eher mit Jungs. Diejenigen die solche Fußballsessions anschieben, sind sowieso immer Jungs. Dass eine Frau zu mir sagt: „Ey, lass’ ma’ heute Spiel gucken, wa?!“ passiert doch eher nie. Aber sobald es so international wird, wie eben bei einer WM, gucken bei uns alle mit.

(Christian Ulmen kommt an den Tisch.)

Christian Ulmen: Langweilt euch Nora?

RUND: Nein, überhaupt nicht.
Nora Tschirner: Ich geb’ mein Bestes, aber ich bin halt noch nicht so weit wie du.

Christian Ulmen: Bis später!

(Ulmen geht.)

Nora Tschirner: Okay, das war der Christian. Er hatte Leistungskurs „Charme“ in der Schule, das wissen viele nicht.

RUND: Kann es sein, dass er noch schlechter küsst als kickt?
Nora Tschirner: Das kann schon sein. Allerdings war ich auch nicht so ein wahnsinnig guter Küsser beim Drehen. Wir kennen uns gut, wir machen unsere Sendung zusammen, wir reden über private Sachen, wir mögen uns, aber dann vor der Kamera ein ernst gemeintes Liebespärchen zu spielen? Das war sehr merkwürdig. Ich hatte selten so ein Problem damit. Es hat viel Pubertäres, wenn wir zusammen sind. Dann so eine ernsthafte Beziehung zu spielen war unglaublich schwierig.

RUND: Der Fußball wird aber auch sehr aufs Korn genommen.
Nora Tschirner: Das wurmt euch schon ein bisschen, dass euer Fußball angegriffen wird, oder?

RUND: Ist nicht so schlimm. Auffällig ist aber wie der Film mit Klischees spielt. Es gibt einen Schwulen, der ein guter Fußball ist, Sie spielen eine spröde Bauingenieurin. Ist das nicht zu dick aufgetragen?
Nora Tschirner: Es gibt wahrscheinlich keine gute Komödie ohne Klischees. Ich finde es nur wichtig, dass man diese auch bricht.

RUND: Nervt Sie der Fußball-Hype nicht inzwischen ein wenig?
Nora Tschirner: Ja, der nervt mich. Ich hab' wirklich auch Angst gehabt vor dieser Promo-Tour, weil ich dachte ...

RUND: ... alle sitzen hier in Trikots?
Ich mag eigentlich Fans in Trikots, aber schon bei „Kebab Connection“ haben wir jedes zweite Foto an einer Dönerbude gemacht. Ich find’ Döner super und ich find’ auch die Türkei toll, aber irgendwann ... Und Fußball ist natürlich noch abgegriffener.

RUND: Immerhin können Sie vom Besuch im HSV-Stadion berichten.

Nora Tschirner: Genau. Ich mag „Hamburg, meine Perle“ von Lotto King Karl. Ich finde, das ist das charmanteste Fußballlied der Welt. Es macht es einem sehr leicht, HSV-Fan zu sein. Es ist so ein liebenswürdiger Umgang mit dem Gegner, sich für jeden Klub so ein Ding auszudenken wie „Wenn du aus Cottbus kommst, dann kommst du eigentlich aus Polen.“ Das ist so eine Art Gestichel, mit der ich mich gut anfreunden kann.

RUND: Auch Borussia Dortmund finden Sie gut, heißt es.
Nora Tschirner: Ich finde erstmal persönlich alles gut, was gegen Schalke ist. Das sind dann auch Hertha, HSV und Dortmund zum Beispiel. Mit Dortmund hat es angefangen, Hertha, natürlich, aber mein Lieblingsverein ist der HSV. Weil ich da trainiert habe, weil ich immer in Rothose rumgerannt bin, weil ich da die meisten Spiele sehe und weil die gerade so gut sind.

RUND: Haben Sie einen Lieblingsspieler?
Nora Tschirner: Ja, Atouba. Ich würde keine Mannschaft auf Atouba gründen wollen, aber das ist auf jeden Fall der unterhaltsamste. In Kombination mit Barbarez ist das immer Popcorn-Kino. Der Choleriker und das Schlitzohr. Wenn Atouba nach zwei Sekunden schon den ersten Gegner tunnelt, das ist so lustig. Über Treffsicherheit und lange Abspiele wollen wir nicht reden, das könnte wahrscheinlich ich besser. Aber wenn es um Finten geht, so á la: Ich wart hier jetzt mal bis fünf Gegenspieler da sind, dann fang' ich erst an und spiele alle aus, da lach ich mich tot.

RUND: Mögen Sie die Bayern?
Nora Tschirner: Die sind wie die Stones. Es ist alles perfekt, die Botschaft lautet: Wir sind eh die Tollsten und die Größten. Das lässt mich kalt. Bei einem Rolling-Stones-Konzert habe ich mich zwei Stunden zu Tode gelangweilt, aber ein wahnsinniges Konzert war Rod Stewart. Rod Stewart! Ich schenke meinen Eltern immer so Karten für die Waldbühne zum Geburtstag, die dann ein bisschen teurer sind und wo deren Heroes auftreten. Rod Stewart in strömendem Regen auf der Waldbühne – das war überraschenderweise hochemotional. Das war wie Fußball.

Das Interview ist in RUND – #10_05_2006 erschienen.

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