BUCH
Ich danke Sie!
Ente Lippens war einer der charismatischsten Spieler der Bundesliga. Er war ein außergewöhnlicher Techniker, stoppte viele Bälle mit dem Allerwertesten und war nie um einen Spruch verlegen. Nun ist seine Biographie erschienen. Von Justus Meyer.

Willi Lippens
Freunde helfen Freunden: Als Willi Lippens' Verein Geld
brauchte, brachte er "Anteilsscheine" mit seinem Konterfei heraus.


Willi Lippens wird hart angegangen. Gegen den großartigen Techniker weiß sich sein Gegenspieler nur mit Fouls zu helfen, bis es „Ente“ Lippens irgendwann zu bunt wird. Er stößt seinen Gegenspieler zu Boden und der Unparteiische ermahnt ihn: „Herr Lippens, ich verwarne Ihnen!“ Nach kurzem Stutzen ruft Lippens zurück: „Ich danke Sie!“ Der Schiri zeigt ihm daraufhin die Rote Karte. Die bekannteste Anekdote über den Linksaußen mit dem Watschelgang einer Ente, der nach eigener Aussage nie eine Torchance überhastet vergab, sondern sie lieber vertändelte.

Dietmar Schott, langjähriger Sportchef des WDR-Hörfunks, hat im Stile einer großen Reportage eine lesenswerte Biographie des Ausnahmekönners Willi Lippens geschrieben. Er schildert Lippens' Karriere von den Anfängen beim VfB Kleve 03, wo er heimlich gegen den Willen des Vaters kickte, über Rot-Weiß Essen und später bei Borussia Dortmund und Dallas Tornado. Viele alte Weggefährten kommen zu Wort und alle sind sich einig: So einen wie ihn gibt es heute nicht mehr!

„Lippens hat Senk-, Spreiz- und Plattfüße. Darunter krumme O-Beine. Er stoppt den Ball mit dem Hintern, täuscht rechts an und geht mit einem Beinschuss links vorbei.“ So beschrieb ein Journalist Lippens' eigenwilligen Stil. Dass er den Ball gern mit dem Hintern stoppte, wird auffallend häufig erwähnt. Ebenso wie Lippens' sonstige Verrücktheiten auf dem Platz, die Verteidiger verzweifeln und Zuschauer jubeln ließen.

Auch Lippens selbst weiß die ein oder andere interessante Anekdote zu berichten. Wie jene von dem Spiel, das ihm noch heute ein schlechtes Gewissen bereitet. Gladbach brauchte in der Saison 1969/70 nur einen Punkt bei den Essenern und Günter Netzer sprach Lippens vor dem Spiel an: „Sag mal, Ente. Wenn wir heute Unentschieden spielen, dann wäre das doch für beide Klubs gut. Wir werden Meister, und ihr könnt nicht mehr absteigen!“ Lippens stimmte zu: „Ein Unentschieden wäre perfekt! Warum nicht?“ Natürlich floss bei der Abmachung kein Pfennig. In einem lahmen Spiel gelang dann ausgerechnet Lippens der Siegtreffer für RWE per Hinterkopf. Netzer kam nach dem Spiel erbost zu ihm, obwohl die Gladbacher trotzdem Meister geworden waren. „Das war ja wohl nicht nötig. Abgemacht ist abgemacht.“ Lippens verstand seinen Ärger: „Günter, was soll ich machen. Der Kleff muss doch eine solche Bogenlampe halten!“

Willi Lippens war eine Attraktion der Bundesliga, doch mit dem internationalen Fußball wollte es nicht so ganz klappen. Seinem Vater zuliebe war Willi Niederländer geblieben, aber mit seinen Landsleuten hat es nie funktioniert. Ein Wechsel zu Ajax Amsterdam war gescheitert und Lippens brachte es nur auf ein einziges Länderspiel (1 Tor) für die Oranje. Für Deutschland hätten es nach Auskunft des damaligen Bundestrainers Helmut Schön ohne weiteres 40 bis 50 werden können. Eine Entscheidung, die Willi Lippens bis heute bereut.

Zu Lippens' Zeiten war die Bundesliga noch in Ordnung, die Spieler tranken ein Bier mit den Fans, und es gab noch Zauberer, Individualisten wie ihn. Leider schwelgt die Biographie von Dietmar Schott allzu ausgiebig in Sentimentalitäten, doch dem Menschen Willi Lippens kommt sie näher. Wenn auch hauptsächlich über den Sportler Lippens. Bei allen Schnörkeln und Haken in seinem Spiel, bei allem Watscheln, ist Lippens bis heute ein gradliniger, bodenständiger Mann geblieben. Und wenn die Fans in Essen von ihrer „Ente“ sprechen, bekommen sie noch immer ein Funkeln in den Augen, so dass man beinahe glauben möchte, zu seinen Zeiten sei die Bundesliga tatsächlich noch irgendwie alles besser gewesen.


Ich danke Sie!
Dietmar Schott: Ich danke Sie!, Der Fußballer Willi "Ente" Lippens, Klartext-Verlag, 206 Seiten, 16,95 Euro

Zurück  |