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Der Freund der Stars
Aufmerksame Betrachter kennen Thomas von Ubrizsy schon lange, ohne zu wissen, wer er ist. Der Mann mit dem markanten Schnauzbart taucht seit 1974 bei jeder WM auf, hat schon jeden großen Fußballer getroffen, selbst in Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ ist er zu sehen. Aber kaum jemand weiß, was er eigentlich macht.



2006: Thomas von Ubrizsy mit Schweini und Poldi


Thomas von Ubrizsy kennt sie alle. Von A wie Augenthaler bis Z wie Zidane. Er hat mit Rudi Völler gemeinsam im Sturm gespielt und mit Pelé und Eusébio über Fußball philosophiert. Doch kaum ein Außenstehender kennt ihn, obwohl er bei jeder WM wieder auftaucht. Mal steht er im Innenraum, mal sieht man ihn auf einem Foto neben jubelnden Weltmeistern, mal geht er bei einer Filmaufnahme durchs Bild. Thomas von Ubrizsy ist Fifa-Media-Officer. Er agiert stets im Hintergrund und sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit ihre Stars zu Gesicht bekommt, wenn die sich ihren Fans wieder einmal nicht präsentieren wollen. Dabei helfen ihm seine umfangreichen Sprachkenntnisse: Spanisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Ungarisch und Französisch spricht er fließend, nicht zuletzt wegen seines, bescheiden formuliert, individuellen Lebenslaufes.

Der Sohn ungarischer Eltern verbrachte die ersten viereinhalb Jahre seines Lebens in seinem Geburtsort Altenmarkt am Chiemsee, bevor er nach dem Tod seines Vaters mit seiner Familie nach Uruguay auswanderte. Darum spiegelt sein Erscheinungsbild keineswegs den kleinen Jungen aus dem Chiemgau wieder, sondern ist wie sein Gemüt eindeutig südamerikanisch geprägt. „Ich halte mich für einen Latino und trage meine Haare auch gerne lang“, sagt er. Die silbernen Armbänder, die sein Handgelenk zieren, klimpern dazu im Takt. „Mit 18 bin ich nach Europa zurückgekehrt, habe in Zürich die Dolmetscherschule besucht und abgeschlossen. 1974 kam ich dann zur Fifa“, berichtet er. Neben seiner Tätigkeit als Media-Officer und Übersetzer bei Fifa-Wettbewerben ist Thomas von Ubrizsy auch persönlicher Fotograf seines langjährigen Freunds Sepp Blatter. „Sepp weiß, dass ich den richtigen Winkel für ein gutes Bild von ihm kenne.“ Dass der Fifa-Präsident auf das Auge des braungebrannten Weltenbummlers vertraut, kommt nicht von ungefähr. Als Modefotograf machte der sich in den 80er- und 90er-Jahren einen Namen und verstand es, selbst wunderschönen, jungen Frauen noch mehr erotische Klasse zu verleihen. „Ich hatte das Glück, all meine Leidenschaften beruflich zu verwirklichen, Fotografie, Sprachen und Fußball“, resümiert er, während sich ein Hauch von Zufriedenheit über sein kantiges Gesicht legt. Nach neun hautnah erlebten Weltmeisterschaften kennt sein Fundus persönlicher Anekdoten keine Grenzen. Ein Stichwortzettel hilft ihm dabei, die Ereignisse detailliert zu schildern.

Zum Beispiel wie er 1990 mit einem Ball in die Kabine der argentinischen Nationalmannschaft gegangen ist und ihn von Maradona signieren lassen wollte: „Da sah ich, dass sein Trikot auf dem Boden lag, habe mir aber nichts dabei gedacht und bin darüber gestiegen. Auf einmal fängt Maradona an zu fluchen und schreit mich an.“ Denn der Weltstar hatte eine Art Ritual, bei dem er vor jedem Spiel sein Trikot auf dem Boden ausgebreitet hat. Das schlimmste was man machen konnte, war darüber zu laufen. „Er hat mich fast aufgefressen. Er schrie nur: ,Bist du verrückt geworden?ÔøΩ Danach hat er mich total ignoriert.“ Aber schon kurz nach dem Spiel erinnerte sich der Argentinier an das Anliegen, kam zu von Ubrizsy und sagte: „Gib mir den Ball zum Unterschreiben.“ Was den Media-Officer sehr beeindruckte, „schließlich galt Maradona als sehr überheblicher Mensch“.

Thomas von Ubrizsy erzählt von den Großen des Fußballs wie manch anderer von der Grillfete des Nachbarn. Sätze wie: „Da habe ich dann noch kurz mit Ronaldinho gequatscht, den kenne ich schon seit seiner ersten Juniorenweltmeisterschaft“, tauchen in der Unterhaltung wie beiläufig auf. Dass nicht jeder Star auf Anhieb mit ihm reden will, stellt er jedoch auch klar. „Als Deutschland 1998 im Viertelfinale gegen Kroatien ausgeschieden ist, sollte ich Berti Vogts für ein Interview holen.“ Die Mannschaft hatte die Kabine abgeschlossen, Berti sei „stinkwütend gewesen“ und habe der Fifa und dem Schiedsrichter die Schuld an der Niederlage gegeben. „Er hat mich auch verbal angegriffen. Daraufhin habe ich das Interview mit ihm verweigert.“ Als Verbindungsglied zwischen Weltpresse, Spielern und Trainern hat man es nicht immer leicht, gerade unter Zeitdruck. „Ich habe das Glück, dass ich viele Spieler und Trainer bereits von Jugendturnieren oder früheren WMs kenne. Die meisten erkennen mich wieder und sind dann eher gewillt, zu den Interviews zu kommen.“Das hängt nicht zuletzt mit seinem Aussehen zusammen. Vergleicht man beispielsweise ein Bild von 1990 mit einem von der letzten WM in Deutschland wird schnell klar, dass Thomas von Ubrizsy seinen Stil gefunden hat und auch beibehält. Die braune Haarpracht sitzt noch genauso gut wie der klassische Schnauzer. Einziger Unterschied zu 1990: Die rosa Porsche-Brille fehlt. „Den Bart habe ich 1982 einmal abrasiert. Danach habe ich mich wie ein nacktes Huhn gefühlt.“

Thomas von Ubrizsy reist übrigens gerne nach Südafrika. Ganze 18 Besuche stattete er dem Kap der Guten Hoffnung bereits ab. Auch wenn es bislang noch keine konkreten Gespräche gegeben haben soll, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass er auch 2010 zur nächsten WM wieder in Johannesburg landet. Es wäre das zehnte Turnier, bei dem er auftaucht, vor den Kameras und neben den Stars.
Stefan Hossenfelder


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