INTERVIEW
„Die Bild-Zeitung dringt nicht durch“
Dieter Hecking steckt mit Hannover 96 mitten im Abstiegskampf. Von einigen Medien wird er attackiert, doch ist der Trainer das Problem in Hannover? Interview Roger Repplinger
Blick auf die Uhr: In Boulevardmedien wurde schon häufig darüber spekuliert, wann die Zeit für Dieter Hecking abgelaufen sei Foto Hoch Zwei
RUND: Herr Hecking, angesichts des Ärgers, den Sie seit Wochen mit der Presse in Hannover haben, ist der Spaß im Training immer noch ein Äquivalent?
Dieter Hecking: Erst mal muss ich Ihnen sagen, das ist für mich kein Ärger. Das gehört, wenigstens zum Teil, zu meinem Job. Solange die Kritik nicht ins Persönliche geht, nicht unter die Gürtellinie, muss man damit leben. Dass beim Boulevard manchmal Geschichten konstruiert werden, dass da spekuliert wird, wie bestimmte Dinge abgelaufen sein sollen, ohne wirklich das nötige Hintergrundwissen zu haben, das nervt schon manchmal: Aber gegen solche Geschichten kann man sich wohl kaum wehren.
RUND: Der Versuch, den Trainer abzuschießen, hat früh angefangen.
Dieter Hecking: Das hat etwas mit der Erwartungshaltung zu tun. Wir wurden vergangene Saison Achter, haben guten Fußball gespielt, uns gut verstärkt, das wurde ja auch von den Medien zunächst so gesehen, was also sollten wir als Ziel ausgeben? Sollen wir sagen, wir wollen zwischen Platz zehn und 13 einlaufen? Dann heißt es: Der Trainer gibt keine Ziele vor, also sagst du: internationaler Wettbewerb.
RUND: Hannover hat nicht viel für Neuverpflichtungen ausgegeben.
Dieter Hecking: Dreieinhalb Millionen. Wenn Sie mal gucken, was der VfL Bochum ausgegeben hat, der 1.FC Köln, Frankfurt, alles Mannschaften, bei denen wir sagen, die liegen auf Augenhöhe. Wir liegen mit den Ausgaben im unteren Viertel der Liga. Das sagt eigentlich alles. Wir haben einen Etat von 50 Millionen, vergleichen Sie mal.
RUND: Umso größer der Erfolg in der vergangenen Saison.
Dieter Hecking: Wir haben in der vergangenen Saison das beste Ergebnis der Bundesliga-Zugehörigkeit von Hannover 96 geschafft. Es ist zwei Jahre nur nach oben gegangen. Dann mache ich das, im Nachhinein betrachtet, unglückliche Versprechen vor der Fan- Kurve. In der allgemeinen Euphorie habe ich gesagt: Wir holen in der kommenden Saison die fehlenden fünf Punkte für die Uefa-Cup-Qualifikation. Das wird von den Medien natürlich auch aufgenommen.
RUND: Dann geht der Start daneben.
Dieter Hecking: Auswärts gegen Schalke, wir verlieren 0:3, zu Hause Cottbus, schlechtes Spiel, hast klare Chancen, musst in Führung gehen, spielst 0:0, fährst nach Stuttgart, verlierst 0:2, zu Hause Gladbach, da gewinnst du 5:1. Dann ist doch von der Spielansetzung her eigentlich weitgehend alles normal gelaufen. Durch die überzogene Erwartungshaltung gilt es aber als Fehlstart. Und dann stehen gegen Leverkusen fünf kranke Spieler auf dem Platz und wir scheiden im Pokal gegen Schalke mit 14 verletzten und kranken Spielern aus…
RUND: Man kann über die Art und Weise der Niederlagen reden.
Dieter Hecking: Ja, die war nicht immer in Ordnung. Dafür werden wir zu Recht kritisiert.
RUND: Leverkusen im September 2008 war entscheidend
Dieter Hecking: Nicht nur, aber danach gingen die Probleme richtig los: Isma√´l verletzt, Lala nicht mehr dabei, Enke verletzt, Tarnat schon länger verletzt - Führungsspieler, auf die ich gesetzt hatte. Dann bricht vieles weg. Die Hierarchie ging verloren. Und die Spieler, die noch dabei sein konnten, fühlten sich wohl in dieser kritischen Phase noch nicht bereit für Führungsaufgaben. Das ist auch nachvollziehbar. Aber auf diese Weise entstand schon ein Art Riss im Mannschaftsgefüge.
RUND: Ist der Riss gekittet, nachdem nun einige der Spieler wieder da sind?
Dieter Hecking: Nein. Wir schleppen die Probleme weiter mit. Steven Cherundolo konnte wegen Verletzungen noch gar keine Konstanz entwickeln, Michael Tarnat war zehn Monate weg, Schlaudraff drei Monate, dass da die Leistung schwankt, ist normal, wird aber in dem kritischen Umfeld, das wir inzwischen haben, nicht mehr toleriert. Die Journalisten hier vor Ort sagen: Hecking, das haben wir schon zehn Mal erklärt bekommen, das können wir nicht mehr hören. Das sind aber Fakten und die sind auch nicht zu übersehen.
RUND: Trifft Sie die Kritik?
Dieter Hecking: Natürlich, es geht ja jetzt auch schon sehr lange, etwa vier Monate, gegen meine Person. Aber: Am Anfang hat es mir mehr ausgemacht. Man stumpft ab. Für mich ist und bleibt letztlich entscheidend, wie und was wir intern miteinander reden und vor allem, was der Vorstandsvorsitzende Martin Kind sagt.
RUND: Es gibt ein paar Spieler in der Mannschaft, die haben sich verbessert.
Dieter Hecking: Ja. Jiri Stajner spielt eine tolle Saison, Konstantin Rausch, Christian Schulz auch, Bastian Schulz ist dabei, sich einen Stammplatz im defensiven Mittelfeld zu erobern. Hanno Balitsch spielt auf konstant gutem Niveau. Robert Enke ist zu nenne. Und: Szablocs Huszti hatte sich so entwickelt, dass wir ihn für gutes Geld verkaufen konnten.
RUND: Sie haben Probleme in der Innenverteidigung.
Dieter Hecking: Das stimmt: Mit Valérien Isma√´l und Vinicius sind auch zwei feste Größen längerfristig ausgefallen. Das war natürlich nicht absehbar und das hatten wir uns vor der Saison auch ganz anders vorgestellt.
RUND: Die objektiven Gründe für die Situation von 96 sind auch deshalb schwer zu vermitteln, weil eine große Nervosität um und im Club ist.
Dieter Hecking: Das ist so. In Vereinen, in denen ich gespielt habe oder Trainer war, war es immer so, dass, auch wenn es dem Verein dreckig ging, bis Mitte der Woche kritisiert wurde, und dann hieß es: Am Samstag kommt Dortmund und dann gemeinsam dagegen. Das erlebe ich hier so nicht.
RUND: Es ist besonders für Martin Kind schwierig, Ruhe zu bewahren.
Dieter Hecking: Ja, natürlich. Es gibt im Fußball eben überall und immer wieder vermeintliche wertvolle Ratschläge von außen. Das ist in jedem Verein und gerade auch bei der Nationalmannschaft so. Aber unser Präsident positioniert sich immer sehr klar. Und wenn es Kritik an meiner Arbeit gibt, dann klären wir das intern auf konstruktive Art und Weise.
RUND: In all der Hektik ist das wahre Problem der Mannschaft kaum mehr zu sehen.
Dieter Hecking: Was uns fehlt ist Konstanz. Das ist das Problem. Und auch dabei spielen letztlich die Verletzungen eine wesentliche Rolle. Dazu kommt die Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsspielen. Die ist schon frappierend und kaum zu erklären.
RUND: Ist das jetzt nicht eine Chance, die Hektik bei Hannover los zu werden, wenn sich Kind nicht anstecken lässt, sondern die Ruhe behält?
Dieter Hecking: Ich sage Herrn Kind: Wir haben eine Mannschaft, die den Klassenerhalt schafft, aber es bleibt möglicherweise eng bis zum Schluss. Ich gebe Ihnen keine Garantie, aber die Mannschaft ist gut genug, die Klasse zu halten. Das ist so. Ich bin mittlerweile der dienstälteste Trainer bei Hannover 96, das zeigt, wie wenig Kontinuität hier immer war. Und aus solch einer schweren Zeit können wir alle viel lernen, was uns später dauerhaft zugute kommt.
RUND: Die „Bild“-Zeitung versucht alles, Kontinuität zu verhindern.
Dieter Hecking: Das mag so sein – aber wenn, dann bislang offensichtlich vergeblich. Denn es ruft ja keiner „Hecking raus“. Das zeigt, dass sie mit ihrer Meinung nicht durchdringen.
RUND: Hier gab es eine Debatte, ob 96 besser mit einer oder zwei Spitzen spielt. Das ist doch Kokolores, weil es nicht drum geht, wie viele Stürmer auf dem Platz stehen, sondern darum, was die, die auf dem Platz stehen, machen.
Dieter Hecking: Da haben Sie recht. Wir haben ja auch in beiden System schon erfolgreich gespielt. Diese Flexibilität hat die Mannschaft also offensichtlich. Wir müssen das nur noch mehr verinnerlichen.
RUND: Ohne Mut kein Erfolg und ohne Erfolg kein Mut.
Dieter Hecking: Ja, so könnte man sagen, aber aus dieser Spirale werden wir rauskommen.
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