ONLINE-EXTRA RUND 03/07

„In Schalke erkenne ich mich wieder“

Der Wissenschaftsjournalist Jean Pütz kann nicht nur die Darmflora beruhigen, sondern weiß auch, wie Fußball helfen kann, Allergien zu vermeiden. Nebenbei erfahren wir, wie er als Fan des 1. FC Köln gestrickt sein muss, um das alles zu ertragen.

 


Jean Pütz erklärt den Fußball
Foto Stefan Schmid



RUND: Herr Pütz, gibt es eigentlich fußballerische Intelligenz?
Jean Pütz: Wenn man selbst Fußballer war, weiß man, dass es nicht einfach ist, den Ball zu führen, den Überblick zu bewahren und dann noch präzise abzugeben. Ob das nun fußballerische Intelligenz ist oder nur eine sehr spezielle Schmalspurintelligenz, weiß ich nicht. Vor allem geht es auch um gestalterischen Einfallsreichtum, um die schnellste Reaktion und um die Disziplin, die Strategie umzusetzen, die der Trainer fordert.

RUND: Gesundheitlich ist Ihnen Fußball suspekt. Sie kritisieren, dass das Köpfen ein großes Problem des Fußballs ist. Finden Sie denn alles am Fußball ungesund?
Jean Pütz: Nein, oft gilt ja auch: Was uns nicht umwirft, macht uns stark. Es gibt ja zum Beispiel im Bereich der Allergien eine Art Schmutztheorie. Als die DDR zur Bundesrepublik fand, beobachtete man, dass die Kinder dort viel weniger allergieanfällig waren als im Westen – immerhin circa ein Drittel weniger. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die DDR ja erhebliche Probleme mit der Umweltverschmutzung hatte! Das liegt daran, dass den Kindern der Dreck weniger schadet, als man geglaubt hat. Ähnliche Beobachtungen kann man auch bei Kindern machen, die auf dem Bauernhof aufgewachsen sind. Die Kinder werden bei uns überaus hygienisch erzogen, aber das ist nicht das Beste. Der Körper, insbesondere der Darm, braucht einfach die Auseinandersetzung mit fremden Keimen und Substanzen, die sich im Schmutz befinden, zum Beispiel mit dem Dreck des Bolzplatzes.

RUND: Sie waren jahrzehntelang eines der ganz bekannten Gesichter des WDR. Verfolgen Sie, was ihre Sportreporterkollegen so machen?
Jean Pütz: Ja, ich höre gerne die Schlusskonferenz der Bundesliga im Radio. Der Manni Breuckmann ist genial und sogar ein persönlicher Freund. Der weiß eine Reportage perfekt mit interessanten und lustigen Bemerkungen zu schmücken, für mich ist er Kult.

RUND: Und die anderen?
Jean Pütz: Es gibt viele gute, und ich bewundere vor allem ihre Schlagfertigkeit. Solche gibt es nicht nur bei den Öffentlich-Rechtlichen. Nebenbei: Als Schande empfinde ich das DSF, das ist kein Sportsender, sondern der bescheißt wissentlich die kleinen Leute mit dubiosen Gewinnspielen und üblen, exhibitionistischen Darbietungen, die die Bezeichnung „Sex“ nicht verdienen. Zu den First-Class-Reportern zähle ich auch Werner Hansch – ein Phänomen, wie der sich entwickelt hat. Ebenso wie Reinhold Beckmann, ein Allrounder, und auch Heribert Faßbender. Der war ja Leiter der großen WDR-Sportredaktion. Sportreporter sind große Individualisten, und ihre Redaktionen gleichen Haifischbecken, dort gibt es ein Stechen und Hakeln. Das hat mich übrigens immer abgestoßen.

RUND: Woher kommt dieses Hauen und Stechen?
Jean Pütz: Wahrscheinlich liegt das daran, dass diese Reporter alle so eloquent sein müssen, und jeder, der eloquent ist, hört sich gerne sprechen, um das der Menschheit zu beweisen. Es kommt aber immer noch darauf an, was man sagt.

RUND: Warum fasziniert Fußball so viele Menschen?
Jean Pütz: Nehmen wir Bayern München. Warum haben die so viele Fans? Ganz klar: Die Menschen haben ein Bedürfnis, endlich mal unter Gewinnern zu sein. Weil sie selbst oft Verlierer sind oder sich als Verlierer empfinden.

RUND: Aber Sie sind Fan des 1. FC Köln. Wohl kaum, weil Sie gerne mal unter den Gewinnern wären, oder?
Jean Pütz: Der FC hat da notgedrungen eine andere Klientel. Als FC-Fan muss man auch leidensfähig sein.

RUND: Wie sehen sie die Situation in der Ersten Liga?
Jean Pütz: Na, wenn ich einem jetzt die Meisterschaft gönne, dann Schalke. Da finde ich mich eher wieder. Ich habe ja auch meine Sendungen immer für normale Menschen gemacht, nicht für solche, die schon alles wissen. Viele Wissenschaftler schlagen mir auf die Schulter, was ich aber nie wollte. Meine Zielgruppe ist der Mann von der Straße. Da komme ich auch her. Ich habe einen etwas schwierigen Lebenslauf hinter mir und identifiziere mich trotzdem heute auch noch voll damit. Deshalb mag ich auch den Fußball, denn er ist ja wirklich das Spiel des kleinen Mannes.

Interview Jörn Duddeck, Martin Krauss

www.jean-puetz.net

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