ONLINE-EXTRA RUND 03/07
„Ich habe keine Dose verlegt“
Mit Stefan Beinlich ist der Erfolg zum Zweitligisten Hansa Rostock zurückgekehrt. Im RUND-Interview spricht der 35-Jährige Hansa-Kapitän über seinen Beruf als Elektriker, sein Karriereende und Rostocks Weg in Liga eins.

Stabilisator: Stefan Beinlich
Foto Martin Kunze
RUND: Herr Beinlich, stimmt es, dass sie nach dem Spiel immer lange in der Badewanne liegen müssen?
Stefan Beinlich: Ja, wenn du älter wirst, dauern die Wehwehchen etwas länger. Um wieder spielen zu können, muss ich zu so vielen Ärzten, Physiotherapeuten und Heilpraktikern – da geht ne Menge Zeit drauf. Wenn du älter bist, dauert ein Pferdekuss nicht zwei, sondern fünf Tage.Aber toi toi toi, bisher bin ich in meiner Karriere von großen Verletzungen verschont geblieben.
RUND: Wie lange macht Ihr Körper das noch mit?
Stefan Beinlich: Mir macht dieser Job so viel Spaß, da möchte ich mir kein Ende setzen. Wenn ich merke, dass es nicht mehr geht, ist Feierabend. Ich hoffe, ich schaffe den richtigen Zeitpunkt. Mein Karriere-Ende werde ich definitiv in Rostock erleben. Der Vertrag läuft bis 2008.
RUND: Sie wollen noch ein Jahr Bundesliga spielen?
Stefan Beinlich: Wenn es nach Wollen geht, würde ich gerne noch vier oder fünf Jahre Bundesliga spielen.
RUND: Wenn der Körper sagt, es ist Schluss. Arbeiten Sie dann wieder als Elektriker?
Stefan Beinlich: Ich bin zwar gelernter Elektriker, aber in dem Beruf werde ich nicht mehr arbeiten. Bei uns im Haus habe ich keine Dose verlegt. Das lasse ich lieber von Fachleuten machen. Nicht, dass ich es nicht könnte, aber zuhause soll es wirklich ganz sicher sein. Ob ich nach meiner Zeit als Spieler noch etwas mit dem Fußball zu tun habe, weiß ich nicht. Vielleicht als Trainer. Ich kann mir vieles vorstellen.
RUND: Hansa hat in der Hinrunde kein Spiel verloren. In der Rückrunde gab es erst einen Sieg. Bricht die Mannschaft ein?
Stefan Beinlich: Nein, das wirft uns nicht um. Das Wichtigste ist bei uns der Teamgeist. Dieser hat uns in der Hinrunde stark gemacht. Die Mannschaft ist auch jetzt intakt. Wenn man die Einzelspieler der Zweiten Liga vergleicht, sind wir vielleicht nicht die beste Mannschaft, vielleicht zählen wir nicht einmal zu den besten drei, aber der Teamgeist macht uns stark.
RUND: Wie zeigt er sich denn, der Teamgeist aus Rostock?
Stefan Beinlich: Ob eine Mannschaft funktioniert oder nicht, erkennt man an Kleinigkeiten. Das sieht man, wenn ein Tor fällt, wenn sich alle Spieler freuen und nicht nur drei. Bei uns freuen sich die Feldspieler, die Auswechselspieler und die Spieler, die auf der Tribüne sitzen. Wir sind eine Mannschaft.
RUND: Und Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft? Sind sie der Vater des Geistes?
Stefan Beinlich: Ich will da keinen herausheben, dass macht eine Mannschaft kaputt. Bei uns tragen alle ihren Teil bei. Aber es ist richtig, dass ich als älterer Spieler den jungen helfen möchte. Als ich 1994 das erste Mal bei Hansa spielte, war ich einer der jungen Dachse und konnte von den erfahrenen Spielern profitieren. Heute versuche ich unseren jungen Spielern etwas mit auf den Weg zu geben. Dass das Leben weitergeht, auch wenn man mal ein Spiel verloren hat oder wenn man mal ausgewechselt wird. Dann musst du nicht mit gesenktem Kopf durch die Stadt gehen. Das ist immer noch Fußball, ein Spiel. Entscheidend ist, dass jeder sein Bestes gibt und kämpft. Das sind Sachen, die auch ich erst mit der Zeit gelernt habe.

Verlängerter Arm vom Trainer: Paule Beinlich und Frank Pagelsdorf Fotos: Imago
RUND: Damals wie heute spielten Sie unter Frank Pagelsdorf, wie ist ihr Verhältnis zum Trainer?
Stefan Beinlich: Es ist ein intensives Verhältnis. Ich glaube, er hat eine hohe Wertschätzung von mir als Spieler und ich habe eine große von ihm als Trainer. Wie damals ist Pagel der Architekt des Ganzen. Er lebt die Erfolgsbesessenheit vor. Ich bin ein bisschen der verlängerte Arm vom Trainer, deshalb wurde ich direkt Kapitän. Die Zusammenarbeit funktioniert super. Aber das Verhältnis als Freundschaft zu bezeichnen, wäre übertrieben, weil wir privat nie viel miteinander zu tun hatten. Frank Pagelsdorf ist mein Vorgesetzter. Er nennt mich Paule und nicht Stefan.
RUND: Paule ist ihr zweiter Vorname?
Stefan Beinlich: Ja, wenn man so will. Paule ist mein Spitzname. Bei allem, was zum Fußball gehört, höre ich auf Paule. Zuhause und bei allem Privaten ist Paule aber tabu. Da heiße ich Stefan. Das war in Hamburg, Leverkusen und Berlin so. Außer in England, während meiner Zeit bei Aston Villa hieß ich Stefan.
RUND: Wieso sind sie am Anfang der Saison vom HSV noch einmal nach Rostock gewechselt?
Stefan Beinlich: Die Entscheidung, wieder nach Rostock zu gehen, wurde von der kompletten Familie gefällt. Meine Frau und ich dachten, Rostock das wär’s noch mal für uns. Die Kiddies sind vor Freude in die Luft gesprungen und drei Mal ums Haus gelaufen. Wir wussten, dass wir uns in Rostock pudelwohl fühlen würden, weil wir hier noch Freunde haben. Die Alternativen waren Schweiz oder Amerika, woanders in der Bundesliga wollte ich nicht spielen.
RUND: Im Vergleich zu Birmingham, Berlin, Leverkusen oder Hamburg geht es in der Fußballstadt Rostock eher beschaulich zu?
Stefan Beinlich: Ja, als Profi lebst du in Rostock schon ein bisschen ruhiger. Allein das Medieninteresse ist in anderen Städten viel größer. In Leverkusen oder Berlin gab es sieben Tageszeitungen, in Rostock gibt es drei, wovon zwei eigentlich Hansa-Fans sind. Da lebt man schon ruhig und entspannt. Aber Hansa ist hier etwas Besonderes, das Aushängeschild für die ganze Region. Gerade weil die Arbeitslosigkeit hoch ist.
RUND: Schauen Sie die Deutschland-sucht-den-Superstar-Shows im TV?
Stefan Beinlich: Ab und zu. Wenn ich zu Hause bin. Meine Töchter gucken das, da schaue ich schon mal rein. Wieso?
RUND: Weil man in Rostock hört, Ihr Kollege Zafer Yelen hätte auch das Zeug, bei Dieter Bohlen aufzutreten.
Stefan Beinlich: Ja, das kann ich bestätigen. Ich hab ihn schon mal singen gehört: Das kann er. Er hat eine tolle Stimme. Aber er kann auch sehr gut Fußball spielen.
RUND: Steigt Hansa in dieser Saison auf?
Stefan Beinlich: Das hoffe ich. Aber dazu muss bei uns alles passen. Im Erfolg eine tolle Mannschaft zu sein, ist einfach. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir auch mit Niederlagen umgehen können.
RUND: Vielen Dank, Paule Beinlich.
Stefan Beinlich: Bitte schön.
Interview: Steffen Dobbert
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