PORTRÄT
Chancentod wird Überflieger
Jahrelang wurde Stefan Kießling wegen seiner technisch wenig filigranen Spielweise belächelt.Doch der Mittelstürmer gehört mittlerweile aufgrund seiner bemerkenswerten Lernfähigkeit zu den besten Angreifern der Liga. Von Kai Butterweck.

Stefan Kießling

Kein ungewohntes Bild: Stefan Kießling jubelt nach einem Treffer für Bayer Leverkusen
Foto Pixathlon



Es war der Tag, an dem es Stefan Kießling endgültig allen Kritikern beweisen konnte. „Das letzte Mal habe ich in der E-Jugend dreimal getroffen“, strahlte der in Freundeskreisen nur „Kieß“ genannte Stürmer der Leverkusener, nach seinem Dreierpack gegen den VfB Stuttgart. Vom ehemaligen Chancentod zum Überflieger, der sich Hoffnungen auf die Nominierung für die WM in Südafrika machen darf.

Der aus dem beschaulichen Lichtenfels stammende Blondschopf kickte in der Jugend zunächst beim TSV Eintracht Bamberg, eher er mit zarten 18 Jahren zum 1.FC Nürnberg wechselte. Es dauerte allerdings drei ganze Spielzeiten, bis sich Stefan Kießling in der Saison 2005/06 in die Stammformation kämpfte. Dort hatte er auch maßgeblichen Anteil am Erreichen des 8. Tabellenplatzes der Franken zum Ende der Saison. 10 Tore konnte „Kies“ in dieser Serie erzielen und er schoss sich erstmals in den Fokus der Medien und Experten. Darunter war auch Michael Skibbe, der damalige Trainer von Bayer 04 Leverkusen. Er lotste Stefan Kießling dann in der Folgespielzeit für 6 Millionen Euro zum Ligakonkurrenten an den Rhein. „Der Schritt nach Leverkusen fiel mir nicht leicht, da ich in Nürnberg eine tolle Zeit hatte. Aber unterm Strich war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens“, sagt der mittlerweile 26-Jährige heute.

Während er in seiner ersten Saison für die Werkself selten über eine Einwechslung für Voronin oder Barnetta hinauskam, konnte sich „Kieß“ über eine gute Vorbereitung zur Saison 2007/08 für die Stammformation empfehlen und spielte während dieser Serie fast permanent volle 90 Minuten. Am Ende konnte er sich über neun Tore freuen. Während der Hinrunde dieser Spielzeit kam Stefan Kießling sogar zu seinem ersten Einsatz in der Nationalmannschaft. „Da wurde ein Traum für mich wahr“, antwortete er kurz nach seinem Debut gegen Dänemark im März 2007. Allerdings konnte er an diesem Abend zu wenig Akzente setzen, um auch in der Folgezeit das begehrte Trikot mit dem Bundesadler regelmäßig tragen zu dürfen. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass sich „Kieß“ eine wichtige und tragende Rolle innerhalb von Bayer 04 Leverkusen erkämpft hatte und er durch konstante Leistungen und zunehmende Treffsicherheit sein Image als Chancentod nach und nach ablegen konnte.

Das honorierte auch Bundestrainer Jogi Löw und bescherte Stefan Kießling am 11. Februar letzten Jahres seinen zweiten Einsatz im Nationaltrikot. Mittlerweile schwärmen auch die letzten Kritiker von der Entwicklung des schlaksigen Blonden, der mit 14 Treffern die Torjägerliste anführt. Die Erwartungen an ihn haben sich erhöht, gerade im Vorfeld der WM. „Ich kann mit dem Druck sehr gut umgehen. Seit der Geburt meines Sohnes bin ich auch menschlich reifer geworden und der Rückhalt meiner Familie gibt mir immens viel Kraft“. Den Namen seines Sohnes Tayler, der im Februar 2008 geboren wurde, ließ sich der gebürtige Franke auf den Unterarm tätowieren. Nach jedem Treffer von ihm folgt seitdem sein ritueller Kuss des Unterarms dem anschließenden Torjubel. Ende Januar 2008 folgte die standesamtliche Trauung mit seiner Lebensgefährtin Norina. „Fußball ist geil. Erfolg ist was Tolles. Aber Familie ist für mich das Wichtigste. Es gibt nichts Schöneres, als nach Hause zu kommen“, sagt Stefan Kießling.

Bodenständig und geerdet hat der ruhige Hüne dieses Jahr noch drei große Ziele vor Augen. Mit Leverkusen am Ende der Saison den leidigen Vereinsbeinamen „Vizekusen“ abzulegen, sich nach der Meisterfeier sogar noch über die Torjägerkanone zu freuen und dann vom 11. Juni bis zum hoffentlich 11. Juli für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Für den sympathischen Überflieger könnte dort der große Traum seiner bisherigen Laufbahn in Erfüllung gehen.

Stefan Kießling im Nationaltrikot

Im Nationaltrikot: Stefan Kießling ist ein Kandidat für die WM in Südafrika
Foto Pixathlon

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