INTERVIEW AUS RUND 03/07
„Die meisten meiner Freunde wurden erschossen“
Beim FC Kopenhagen wurde er mit einem sensationellen Fallrückziehertor zur Legende, in Ostwestfalen tauschen sogar die Verkehrspolizisten seine Autogramme gegen Strafmandate aus. Sibusiso Zuma ist Publikumsliebling bei Arminia Bielefeld und in der südafrikanischen Nationalelf. Im RUND-Interview spricht der 31-Jährige über die WM 2010, wann er sich bewaffnen muss und wer seine Haare färbt.

„Die WM wird eine große Überraschung"
Fotos: S. Schmid
RUND: Herr Zuma, wir sind eben hinter Ihnen hergefahren. Ihr Fahrstil ist sehr ruhig, Sie fahren fast etwas lahm.
Sibusiso Zuma: Ich finde, dass die Deutschen viel zu schnell unterwegs sind. Besonders auf der Autobahn. Ich fahre einen BMW, aber neulich wurde ich von einer älteren Dame überholt – in einem Polo! Sie fuhr unglaublich schnell. Als ich das meinen Freunden in Südafrika erzählt habe, wollten die sich kaputtlachen. Bei uns wird wirklich viel langsamer gefahren.
RUND: Sie haben dann direkt vor der Geschäftsstelle der Arminia geparkt. In Bielefeld scheint es nicht einfach zu sein, einen Parkplatz zu finden.
Sibusiso Zuma: Das stimmt. Ich hatte am Anfang große Probleme, weil ich so viele Strafzettel bekommen habe. Inzwischen kennen viele Polizistinnen mein Auto. Sie sagen, wenn ich ihnen eine Autogrammkarte gebe, werfen sie den Strafzettel weg. Das ist doch großartig. Ich kriege erst dann wieder Probleme, wenn ich mein Auto wechsle.
RUND: Was machen Sie, wenn Sie in Südafrika zu Besuch sind?
Sibusiso Zuma: Ich glaube, in Südafrika kennt mich jeder. Wenn ich am Flughafen ankomme, rufen die Leute meinen Namen. Es ist faszinierend, und es ist nett, dort zu sein. Erholen kann ich mich aber nur, wenn ich in meiner Heimatstadt Durban bin, weil die Leute dort daran gewöhnt sind, mich zu sehen. Dort treffe ich auch meine alten Freunde. Sie fragen dann nach meinen Fußballschuhen und Trikots. Ich kaufe jedes Mal 20 Trikots mit dem Namen „Zuma“ im Fanshop und nehme meine alten Schuhe mit. Wenn ich ankomme, warten viele Freunde schon darauf.
RUND: Fahren Sie auch in die Township, wo Sie aufgewachsen sind?
Sibusiso Zuma: Wenn ich zwei Wochen in Südafrika bin, versuche ich, vielleicht fünfmal hinzufahren. Ich muss die Atmosphäre spüren, das Stadion sehen, wo ich angefangen habe, und meine alte Schule.
RUND: Ist es dort immer noch gefährlich?
Sibusiso Zuma: Ja, immer noch. Obwohl sich die Lage in den letzten Jahren verbessert hat. Abends nehme ich immer noch eine Waffe mit, um mich zu schützen. Man weiß nie, was passiert. Die meisten meiner alten Freunde wurden erschossen. Ich komme aus einer sehr armen Gegend und musste hart arbeiten, um Profifußballer zu werden.
RUND: Ihr Vater war auch Fußballer und hat Sie gefördert. Lebt er noch?
Sibusiso Zuma: Nein, er starb an dem Tag, an dem ich das erste Mal für mein Land spielen sollte. Für mich war es sehr wichtig, dass mein Vater mich für Südafrika spielen sehen konnte. Doch es kam nicht dazu. Das ist auch in dem dänischen Dokumentarfilm „Zuma the Puma“ beschrieben, der Stationen meiner Karriere zeigt. Als ich zum ersten Mal beim FC Kopenhagen spielte, war es unglaublich kalt und ich sah zum ersten Mal in meinem Leben Schnee.
RUND: In Dänemark wird Ihr Fallrückziehertor 2001 für den FC Kopenhagen gegen BrÔøΩndby immer wieder als schönstes Tor aller Zeiten gezeigt. Sind Sie dort eine Legende?
Sibusiso Zuma: Eine große, nicht nur wegen des Tors. Ich habe in Dänemark eine Menge erreicht: Wir waren mehrfach Meister und haben den skandinavischen Pokal gewonnen. Das Tor habe ich in einem sehr wichtigen Spiel gegen den Lokalrivalen BrÔøΩndby geschossen, als wir zum ersten Mal Meister wurden. Es war der entscheidende Treffer. Im Stadion war es einige Sekunden lang ganz still, dann gab es einen Riesenjubel. Ich schaue mir das Tor immer mal wieder an, es ist wunderschön. Es erschreckt mich sogar manchmal beim Zuschauen. Ich habe später noch einmal so getroffen, weil man mich fragte, ob mir so etwas noch einmal gelingen könnte. Ich sagte ja, denn als ich in der Schule spielte, habe ich häufiger solche Tore geschossen. Deshalb wusste ich, dass es klappt, wenn ich die Gelegenheit bekomme. In einem Freundschaftsspiel gegen Galatasaray in Kopenhagen ist es mir dann noch einmal gelungen.
RUND: Haben Sie das geübt?
Sibusiso Zuma: Häufig. Nicht gerade diese Aktion, weil der Schuss soviel Kraft hatte, dass er direkt in den Winkel ging. Das war etwas ganz besonderes. Aber als Kind haben meine Freunde die Flanken geschlagen, und ich habe mich in die Luft gelegt. Nur aus Spaß. Schon nach zehn Versuchen tat mir der Rücken weh, weil es kein Rasenplatz war, wo wir übten. Wenn du den Ball verfehlst, dann wird die Landung schrecklich. Das ist das Schlimmste. Aber wenn du so triffst, schmerzt es nicht.
RUND: Laufen die Spiele der Arminia in Südafrika im Fernsehen?
Sibusiso Zuma: Nicht in voller Länge, aber sie bekommen die Höhepunkte zu sehen. Meine Schwester ruft mich immer an und lobt mich, wenn wir gewonnen haben. In der vergangenen Saison kritisierte sie, dass wir so viele Spiele verlieren. Ich sagte ihr, dass wir nur ein kleiner Klub sind. Mein jüngerer Bruder und meine jüngere Schwester ärgern mich, wenn wir verlieren. Sie machen mir Druck. Selbst wenn ich für die Nationalmannschaft spiele.
RUND: Haben Sie Kontakt zu den südafrikanischen Spielern in der Bundesliga?
Sibusiso Zuma: Ich telefoniere häufig mit Steven Pienaar vom BVB, mit Bradley Carnell vom Karlsruher SC habe ich schon länger nicht mehr gesprochen. Wir treffen uns aber im Nationalteam und sind befreundet.

„In Südafrika erkennt mich jeder"
RUND: Und Delron Buckley, der inzwischen beim FC Basel spielt?
Sibusiso Zuma: Er kommt aus meiner Heimatstadt, wir sehen uns die ganze Zeit über Weihnachten. Wir wollten in Bielefeld zusammenspielen, aber dann ging er nach Dortmund. Ich war sauer, weil er ja gesagt hatte, dass ich zur Arminia kommen sollte. Ich hoffe immer noch, dass wir bald zusammen in einem Team spielen werden. Leider lief es in Dortmund nicht für ihn, auch wenn ich ihn für einen sehr guten Spieler halte. Ich denke, man muss ihn aber auch verstehen. Man muss einen Spieler auf der Position einsetzen, die er spielen kann. Einige Trainer kaufen einfach jemanden, weil er in der Saison davor gut gespielt hat, aber sie wissen nichts über ihn. Man muss wissen, wie ein Spieler spielt, wie er läuft, und ihn dann richtig einsetzen. Wenn ich mich Delron zusammenspielen könnte, würde ich häufig treffen, einfach weil wir uns gut kennen.
RUND: Wollen Sie im Hinblick auf die WM 2010 noch einmal in der südafrikanischen Liga spielen?
Sibusiso Zuma: Wenn ich bei der WM spielen will, ist es besser in Europa zu bleiben, wegen des Trainings und dem Tempo des Spiels. Der Fußball in Südafrika ist etwas langsamer. Darum spielen sehr viele Nationalspieler in Europa. Unser neuer Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira wird sie beobachten.
RUND: Wie wird die WM in Südafrika werden?
Sibusiso Zuma: Es wird eine große Überraschung werden. Wenn ich die Leute in Europa reden höre, denken sie, dass wir nicht rechtzeitig fertig werden. Viele wissen nicht, wie schön das Land ist. Sie glauben, dass die Stadien nicht so gut sind. Aber wir sind seit langer Zeit bereit, die WM auszurichten. Deshalb wird es keine Probleme geben. Die Arbeiten an den Stadien liegen nicht im Plan, aber ich denke, das werden sie hinbekommen. In Durban haben sie das alte Stadion ausgebaut, es liegt neben dem Strand, sie werden es neuer und schöner bauen.
RUND: Werden Sie mitspielen?
Sibusiso Zuma: Ich möchte es. Ich werde dann 34 sein und denke, dass ich dann immer noch spielen kann. Wenn ich spiele, ist es gut, aber wenn nicht, ist es sogar noch netter, dann könnte ich als Zuschauer ins Stadion gehen. Das Stadion in Durban ist in der Nähe, ansonsten könnte ich mit meinen Freunden durch Südafrika reisen.
RUND: Was kann die Nationalmannschaft Bafana Bafana 2010 erreichen?
Sibusiso Zuma: Im Moment sind wir nicht besonders gut, weil viele alte Spieler aufgehört haben. Wir spielen mit jungen, unerfahrenen Leuten. Das Schwierige ist, dass die meisten in Südafrika spielen. Wegen des Tempos ist es hart für sie, wenn sie gegen Spieler aus europäischen Klubs antreten. Aber seit ich in der Nationalmannschaft dabei bin, haben wir jedes Mal gut ausgesehen, wenn große Gegner nach Südafrika kamen, gegen Schweden, Argentinien, Brasilien, Frankreich. Dann spielen wir immer guten Fußball und schießen Tore. Wir greifen den Gegner früh an, weil wir ein Heimspiel haben. Der Heimvorteil wird für uns den großen Unterschied ausmachen.

„Ich träume davon, bei Barcelona zu trainieren"
RUND: Welcher Druck wird auf den Spielern lasten?
Sibusiso Zuma: Es wird schlimmer als bei den Deutschen werden. Bei uns sind die Leute so leidenschaftlich beim Fußball. Jedes Mal, wenn wir uns für die Weltmeisterschaft qualifizieren, sagen die Fans: „Gewinnt den Pokal!“ Es ist ihnen egal, ob die WM in Spanien oder sonst wo ist, sie fordern den Titel. Sie glauben so sehr an ihre Spieler, dass sie Druck ausüben. Für uns ist das manchmal ein unmöglicher Auftrag.
RUND: Waren Sie bei der WM 2006 im Stadion?
Sibusiso Zuma: Ich war in Südafrika mit meiner Familie. Die südafrikanische Botschaft in Berlin hatte mich eingeladen, aber ich war im vergangenen Jahr viel unterwegs, beim Africa-Cup mit der Nationalmannschaft. Ich konnte nicht viel Zeit mit meiner Familie verbringen und habe die Spiele deshalb im Fernsehen gesehen.
RUND: Vor der WM hat Nürnbergs Trainer Hans Meyer in RUND kritisiert, dass in Deutschland im Training häufig immer noch zu wenig mit dem Ball gearbeitet wird. Würden Sie Ihm zustimmen?
Sibusiso Zuma: Ich denke ja. Ich glaube, dass es wichtig ist, mit dem Ball zu arbeiten. Man braucht natürlich die Konditionseinheiten. Die Trainer könnten das im Trainingslager in der Vorbereitung machen. Bevor die Saison beginnt, kann man Läufe machen, um das Tempo hochzuhalten. Aber die meiste Zeit muss man mit dem Ball arbeiten. Wenn man sich Mannschaften wie Barcelona anschaut, dann sieht man, dass sie immer mit dem Ball trainieren, stundenlang, denn sie könnten sonst nicht so Fußball spielen, wie sie es tun. Die Trainer sollten sich ansehen wie Barcelona trainiert. Für mich ist das Wichtigste, dass die Füße mit dem Ball befreundet sind. Wenn der Ball den Fuß berührt, dürfen sie nicht miteinander kämpfen. Die Füße müssen mit dem Ball umgehen können, auf engem Raum, wenn die Gegner Druck auf dich ausüben. Wenn man das nicht im Training übt, bekommt man Probleme. Dann kommt der Pass, und der Ball springt weg.
RUND: Ist Barcelona Ihr Lieblingsverein?
Sibusiso Zuma: Manchmal träume ich davon, mit diesen Kerlen nur einmal einige Minuten zusammenzuspielen. Nur um zu spüren, wie das wäre, einen Pass von Deco zu bekommen. Manchmal wünschte ich, eine Woche mit ihnen trainieren zu können. Ich denke, dass ich eine Menge lernen könnte. Es ist traumhaft, sie spielen zu sehen. Im Moment spielen sie mit Mittelfeldspielern, die nicht so gut verteidigen. Deco, Giuly, Ronaldinho und Iniesta leisten keine Abwehrarbeit. Brauchen sie aber auch nicht, weil sie immer den Ball haben. Wenn sie den Ball verlieren, gehen sie dahinter, sie verschieben gut, und dann bekommen sie den Ball zurück.
RUND: Als Kind waren Sie Bayern-Fan. Schauen Sie sich heute noch gerne die Münchner an?
Sibusiso Zuma: Mit den Jahren hat sich ihre Spielweise, ihr Stil verändert. Vor längerer Zeit haben sie einfach und sehr effektiv gespielt. Jetzt haben sie einige jüngere Spieler, die sehr gut mit dem Ball umgehen können. Es ist wieder aufregend, ihnen zuzusehen. Als ich Bayern als Kind im Fernsehen sah, haben sie fünf Torchancen in fünf Minuten herausgespielt. Es gibt allerdings die Tendenz, dass deutsche Mannschaften einander immer mehr ähneln. Ich finde den spanischen Fußball im Moment aufregender. Ich mag auch den englischen Fußball, der wie die Bundesliga sehr wettkampfstark ist. In Spanien ist der Unterschied zwischen den wenigen Spitzenvereinen und dem Rest sehr groß, in der Bundesliga nicht. Da läuft es gerade für die kleinen Vereine sehr gut, während selbst Teams wie Bayern Probleme haben, ihre Spiele auswärts zu gewinnen. Schalke und Bremen sind stark, und es ist ein spannender Wettbewerb. Aber die kleineren Klubs in der Bundesliga haben im Wettbewerb aufgeholt. Die Großen sind nicht so überlegen, es gibt eine Chance von 50 zu 50 zu gewinnen.
RUND: Mögen Sie eigentlich die Einlaufmusik „Enter Sadman“ von Metallica in Bielefeld? Privat sind Sie Anhänger der großen Rapper.
Sibusiso Zuma: Ich habe mich dran gewöhnt. Ich würde mir ein anderes Lied aussuchen, etwas von Snoop Dogg. Ich denke aber, die Spieler würden es nicht so mögen, dazu einzulaufen. Meine Lieblinge sind Jay-Z, Snoop Dogg, Busta Rhymes, P. Diddy. Ich höre aber alle möglichen Arten von Musik, nicht nur HipHop. Den hören sowieso nicht viele in meiner Mannschaft. Wenn wir Krafttraining machen, bringe ich gewöhnlich eine CD mit. Dann sieht mich Matze Hain an, lacht über meine Musik und schüttelt den Kopf. Das ist wirklich nicht sein Sound. Was HipHop betrifft, sind es nur Aziz Ahanfouf und ich, die das mögen.
RUND: Sie haben sich die Haare anfangs blond gefärbt, damit Ihre Oma, die nicht so gut sehen konnte, Sie jederzeit auf dem Platz erkennen kann. Eigentlich wäre es mal wieder soweit. Machen Sie das eigentlich selbst?
Sibusiso Zuma: Nein, das macht meine Frau, wenn ich abends vor dem Fernseher sitze. Stimmt, ich werde Sie bitten, sie gleich heute Abend zu färben.
Interview Matthias Greulich und Niclas Westphal
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