„Ethnisch gemischte Teams funktionieren besser!“
80. 000 Fußballspiele bringen in Deutschland an jedem Wochenende Menschen verschiedenster Herkunft zusammen. Der gelungene Sammelband „Der Ball ist bunt“ beschäftigt sich intensiv mit Fußball, Migration und der Identitätenvielfalt in Deutschland. Von Jonas Strohschein
„Der Fußball ist heute mehr denn je international. Ein Fußballspieler, der sich in anderen Ländern als in seinem eigenen nicht auskennt, hat seinen Beruf verfehlt!“ Bereits im Dezember 1920 erkannte Walther Bensemann im „kicker“, was offenbar auch im Herbst 2010 noch nicht selbstverständlich ist: Fußball und Migration gehören untrennbar zusammen. In der Bundesliga treffen belgische Brasilianer auf marokkanische Norweger, während in der Berliner Landesliga der TuS Makkabi und der 1. FC Galatasaray gegeneinander kicken. Fußball in Deutschland fasziniert mit rund 80. 000 Spielen pro Wochenende Menschen verschiedenster ethnischer und sozialer Herkunft. Spieler und Fans, Männer und Frauen, Mädchen und Jungen. Dieser Vielfalt im Fußball widmet sich der Sammelband „Der Ball ist bunt- Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland“ auf 300 Seiten ausführlich.
Das Buch entspricht der Mischung auf den Sportplätzen des Landes: Auf ein Vorwort von DFB-Präsident Theo Zwanziger folgen gediegene Aufsätze verschiedener Sportsoziologen und Philosophen. Packende Geschichten aus dem Alltag ethnischer Minderheiten, Porträts und Interviews sorgen aber immer wieder für Abwechslung. „Ethnisch gemischte Teams funktionieren viel besser.“, meint etwa Hannover 96- Coach Mirko Slomka. Halil Altintop berichtet von seinen Problemen in der türkischen Jugendnationalmannschaft, während Patrick Owomoyela behauptet: „Die Herkunft der Spieler spielt absolut keine Rolle, das ist das Schöne am Fußball!“ Wirklich lesenswert wird das Buch allerdings erst durch die vielen kleinen Geschichten abseits der großen Bühne Profifußball.
Geschichten über vietnamesische Gastarbeiter in der DDR etwa, die noch immer jährliche Turniere veranstalten. Der Aufstieg und Fall von Galatasaray Mülheim, dessen Weg in die Insolvenz statt in den Profifußball führte. Das Mütter-Töchter Turnier in Oldenburg, bei dem muslimische Frauen und Mädchen gemeinsam auf dem Fußballplatz stehen. Oder eben die Geschichte vom Eingangs erwähnten Walther Bensemann, einem der wichtigsten Pioniere im deutschen Fußball: Bensemann war als deutscher Jude maßgeblich an den Gründungen von Eintracht Frankfurt , dem FC Bayern München und der dem Aufbau des Deutschen Fußballbundes beteiligt. 1920 gründete er den „kicker“. In dem Fachblatt kämpfte er vergeblich gegen den immer stärker werdenden Nationalismus in „seinem“ DFB: 1934 starb Bensemann im Exil.
„Der Ball ist bunt“ ist ein interessanter Sammelband, herausgegeben von Diethelm Blecking und Gerd Dembowski. Das Buch bietet dem Leser eine beeindruckende Themenvielfalt und Tiefe. Grob unterteilt in die Bereiche Profifußball, Amateurfußball, historische Vielfalt und einem kurzen Ausblick in die Zukunft trifft hier Masse auf Klasse. Eine interessante Bestandsaufnahme der deutschen Multikulti-Gesellschaft und ihrer Probleme, auf dem Platz und auch daneben.
Diethelm Blecking und Gerd Dembowski: Der Ball ist bunt, 301 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 3860996142
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