POST AUS AFRIKA</p/>

Juju an der Seitenlinie

Hexerei hat in Afrika eine längere Tradition als Fußball. Auch wenn der Afrika Cup zuletzt weitgehend ohne faulen Zauber auskam ist der Juju immer noch ein Thema auf dem Rasen. Die dritte Post aus Afrika von Christian Gülisch.

Zauberer im Stadion

Dieser Fan macht der Nationalelf Ghanas Mut: Beim Afrika Cup im Januar soll es nur
wenige Fälle von Juju gegeben haben Foto Pixathlon



Wir schreiben das Jahr 2007, an einem Sonntag Anfang Mai sollten Dwanga United und Moyale Barracks in einem Ligaspiel gegeneinander antreten. Die Spieler betraten das Feld, der Schiedsrichter hatte bereits angepfiffen, als einige Spieler der Heimmannschaft Moyale bemerkten, dass Winter Mpota, der elfte Spieler des Auswärtsteams Dwanga immer noch hinter der Seitenlinie außerhalb des Spielfeldes stand. Moyales Spieler wurden misstrauisch und zum Beginn der zweiten Halbzeit konnten die Fans im Stadium beobachten, wie Moyales elfter Mann, Charles Kamanga, sich sehr viel Zeit ließ das Spielfeld zu betreten. Auch Winter Mpota hatte bemerkt, wie Kamanga an der Seitenlinie darauf wartete, dass sein Kontrahent das Spielfeld als letzter Spieler seines Teams vor ihm betrat. Das Spiel beendeten beide Teams mit jeweils nur zehn Spielern auf dem Feld, da weder Kamanga noch Mpota den Rasen betreten hatten.

Was war passiert? Der Manager der Moyale Barracks, Lieutenant Precious Gausi, sagte nach dem Spiel: "One of our players alerted us that Dwangwa have a funny habit of delaying in fielding their 11th player ... so we agreed that we should also delay ours in the second half, to dilute the juju".
'Juju', ein großes Wort, das nicht weniger bedeutet als 'Hexerei'.

Spricht man nun mit den Fußballern in Malawi, dann reagieren diese meist mit Humor oder Skepsis auf das Wort 'Juju'. Dabei sollte man aber beachten, dass die Grenzen zwischen Hexerei, Tradition und Religion sich in den meisten afrikanischen Ländern weit überschneiden. So lässt es sich vielleicht erklären, dass ein malawischer Fußballer natürlich nicht an Hexerei glaubt, aber nur Minuten später von den Ritualen seiner Mannschaft erzählt, die in etwa so aussehen: Vor jedem Spiel nahm der Trainer Wasser aus einer Leichenhalle, in der er kleine Wurzeln aufweichte und diese dann über die Häupter seiner Spieler auswring. Zudem war es üblich vor wichtigen Spielen zu einem Schamanen zu gehen, der einem den Ausgang des Spiels voraussagen kann. Sollte er eine Niederlage befürchten, können die Spieler diese abwenden, indem sie eine Tinktur aus verschiedenen Wurzeln zu sich nehmen. Möglich ist auch, dass ein Spieler auf der Bank während des Spiels eine Wurzel oder ein anderes Totem in der Hand fest drückt und auf das Tor des gegnerischen Teams richtet. Oftmals empfiehlt der Schamane auch das Spielfeld als letzte Mannschaft zu betreten, so wollten sich dann auch die Moyale Barracks den Sieg über Dwanga United sichern.

Hexerei existiert in Malawi, wie auch anderen afrikanischen Länder, weitaus länger als Fußball. So ist es kaum verwunderlich, dass die meisten Praktiken einfach in den Sport übernommen wurden. Wie die 'All Blacks', das neuseeländische Rubgyteam, vor jedem Match das gegnerische Team mit ihrem Haka - dem traditionellen Kriegstanz der Maori - einschüchtern will, versuchen afrikanische Teams ihre Kontrahenten mit Hexerei zu entmutigen. Dies kann teilweise zu sehr kuriosen Ritualen führen: Schweineblut wird in den gegnerischen Umkleidekabinen an die Wände geschmiert, um vor allem jüngere Spieler abzuschrecken und zu demoralisieren. Dazu können allerlei Tierextremitäten, vorzugsweise der Kopf, im gegnerischen Tor vergraben werden, was wohl das Torschießen erleichtern soll. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob beispielsweise der Schafskopf in der Halbzeit ausgebuddelt und im gegenüberliegendem Tor untergebracht wird. Davon habe ich noch nicht gehört, wobei man aber auch bedenken sollte, dass diese Gerüchte meist nur von Fans oder Offiziellen in Umlauf gebracht werden, um exzeptionell gute oder schlechte Leistungen des Teams oder der Spieler zu erklären. So kann es schon einmal passieren, dass die Handschuhe des Torwarts verhext sein mussten, anders konnte man sich nicht erklären, warum der Ball nicht den Weg in das Tor gefunden hatte. Beim Betreten des Spielfelds laufen die Spieler des Teams schon mal rückwärts, für den Fall, dass der Weg zum Grün verhext wurde. Es ist auch nicht unüblich, dass ein Team den Zuschauereingang in das Stadion benutzt und fertig umgezogen über die Tribünen auf das Spielfeld kommt, aus Angst die Umkleidekabine wurde mit einem Fluch belegt.

Das Problem mit Hexerei im afrikanischen Fußball ist, dass diese Praktiken überwiegend zum Nachteil des gegnerischen Teams und nicht zur Stärkung der eigenen Fähigkeiten eingesetzt wird. Demzufolge spricht man häufig von Flüchen. Auf eine derartige Schwächung des Teams kann es zu gewalttätigen Reaktionen der jeweiligen Anhänger führen. So geschehen 2008 im Kongo im Butembo Stadion bei einem Spiel zwischen Nyuki und Socozaki im Osten des Landes. Angeblich hatte der Torwart von Nyuki etwas von seinem Trikot entfernt und es auf das Netz des gegnerischen Tores geworfen. Die Spieler von Socozaki wollten ihn zur Rede stellen. Sie beschuldigten ihn, das Netz ihres Tores verhexen zu wollen und fingen an ihn aggressiv zu belehren. Daraufhin mischten sich die restlichen Spieler von Nyuki in den Tumult, der sich zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung entwickelte. Die Ausschreitungen übertrugen sich auf die Anhänger beider Mannschaften, das Stadion war mit 15.000 Zuschauern voll ausgelastet. Der Gewinner dieses Derbys würde sich für die Liga der North Kivo Provinz qualifizieren. Die Polizei setzte Tränengas ein, um wieder die Kontrolle zu erlangen. Die Zuschauer versuchten panisch die Ausgänge zu erreichen. 13 Menschen verloren ihr Leben, nur weil sich die Spieler untereinander mit Anschuldigen der Hexerei provoziert hatten.

Fußball ist keine Hexerei, oder? Dabei war dieses Phänomen bei uns in Deutschland keine Seltenheit. Jeder, der selber Fußball gespielt, weiß um die Rituale und den Aberglauben, der für gute oder schlechte Leistungen verantwortlich gemacht wird. Horst Ehrmantraut, seinerzeit Trainer bei Eintracht Frankfurt, verbannte seinen Co-Trainer Bernhard Lippert aus der Mannschaftskabine, weil dieser angeblich 'negative Energien' ausstrahl. Zudem saß der Trainer während der Spiele auf einem billigen Plastikstuhl am Spielfeldrand, anstatt auf der Auswechselbank. Auch hier war die Rede von 'Energiefeldern'. Die Wirkung blieb nicht aus, die Eintracht stieg Ende der Neunziger mit Ehrmantraut in die erste Liga auf. Seine Enenergiefelder wirken zwar nicht mehr in der Bundesliga – aber der Aberglaube ist immer noch präsent im Fußball.

In Afrika kämpft man gegen den Zauber: Die Veranstalter der Anfang 2010 ausgetragenen Afrikameisterschaft wussten stolz zu berichten, dass während des Turniers kaum Vorfälle von 'Juju' und faulem Zauber aufgetreten waren. Magie und Aberglaube sind den Offiziellen der afrikanischen Verbände ein Dorn im Auge und sollen nach und nach aus dem afrikanischen Fußball verbannt werden.

Nun wissen wir seit Anthony Baffoe, dass Hexenmeister im afrikanischen Fußball so üblich sind, wie die Masseure in Deutschland. Auch Winni Schäfer kann ein Lied davon singen, als Trainer von Kamerun musste er tatenlos zusehen, wie sein Co-Trainer verhaftet wurde, weil er vor dem Spiel eine Tinktur auf den Rasen verteilt und Knochen unter dem Spielfeld vergraben haben sollte. Nicht verwunderlich war es also auch, dass Hexerei und Hokuspokus ein gefundenes Fressen für die Medien während der WM in Südafrika war. Ich erinnere mich noch an die Berichterstattung von SuperSport, dem Sky-Sports-Pay-TV-Äquivalent in Afrika: Dort wurde vor jedem Südafrika-Spiel regelmäßig ein Hexendoktor befragt, wie das Spiel denn ausgehen würde. Nun kann man sich darüber streiten, ob es sinnvoller ist einer Krake beim Fressen zuzusehen oder die kleinen Knochen, Perlen und Muscheln zu deuten, die der Schamane da vor sich hin geworfen hatte. Entscheidend war, Paul hatte fast immer recht, der Hexenmeister nicht. Fußball ist keine Hexerei.


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Christian Gülisch

Christian Gülisch schreibt alle zwei Wochen in RUND seine Post aus Afrika.
Anfang Dezember ist er von Malawi nach Südafrika umgezogen

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