FUSSBALL IN ISRAEL

„Du spinnst doch!“

Nach seiner Zeit beim SC Freiburg wechselte Julian Reinard zu Hakoah Ramat Gan in die erste israelische Liga. Der 24-jährige Torhüter spricht im RUND-Interview über Israels Fußball und Maschinengewehre im Kaufhaus. Interview Christoph Ruf 


„Ich bin richtig freundlich empfangen worden“:
Julian Reinard Foto Martin Sigmund



RUND: Als zweiter Deutscher überhaupt wechselten Sie im vergangenen Sommer in die israelische Liga, Ihr ehemaliger Freiburger Teamkamerad Michael Anicic war der Erste. Haben Sie sich bei ihm Infos geholt?
Julian Reinard: Ja, er sagte, das sei für ihn die schönste Zeit der Karriere gewesen. Wobei ich wohl auch hingeflogen wäre, wenn er mir wie alle anderen Kollegen abgeraten hätte. Die meinten alle bloß: „Du spinnst doch!“ Komisch. Zumal man als Deutscher keinesfalls voreingenommen behandelt wird.

RUND: Dabei wäre das nicht einmal verwunderlich.
Julian Reinard: Eben, ich bin aber richtig freundlich empfangen worden. Die Israelis reisen häufig, und viele stehen Europa und auch Deutschland viel positiver gegenüber, als wir denken.

RUND: Auf welchem Niveau ist die erste israelische Spielklasse?
Julian Reinard: Technisch ist ein durchschnittlicher Bundesligaspieler sicherlich nicht besser als ein israelischer Spieler in der ersten Liga. Dennoch könnten die Mannschaften in der Bundesliga vermutlich nicht bestehen, da sie in der taktischen Disziplin, in der Robustheit und auch beim Tempo nicht so gut sind. Wobei ich sicher bin, dass die vier Vereine, die international spielen, in der Bundesliga nicht zwangsläufig absteigen würden.

RUND: Welchen Stellenwert hat Fußball in Israel?
Julian Reinard: Ganz klar die Sportart Nummer eins, vor Basketball. Die Zuschauer sind sehr fanatisch, aber überhaupt nicht aggressiv, jeder Spielzug wird hundertmal im Fernsehen wiederholt und von Experten analysiert. Das Drumherum interessiert die Leute allerdings weniger, zum Training kommt zum Beispiel keiner.

RUND: Prägt der Nahostkonflikt den Alltag?
Julian Reinard: Vor jedem Kaufhaus ist eine Schranke, überall steht Security. Cafés kann man nur nach einer Leibesvisitation betreten, vor dem Parkhaus musst du den Kofferraum aufmachen. Man gewöhnt sich an all das, obwohl es merkwürdig ist, wenn du Schuhe kaufst und neben dir ein Soldat mit Maschinenpistole steht.

RUND: Die Stadt Tel Aviv gilt als weltoffene liberale Metropole. Haben Sie das auch so erlebt?
Julian Reinard: Es gibt wirklich keinen Abend, an dem in Tel Aviv nicht der Bär tobt, dazu dieser Riesenstrand. Vom Flair her erinnert das an Süditalien. Kurzum: Da ließ es sich gut leben!

RUND: Was Sie allerdings nicht mehr tun.
Julian Reinard: Ich habe von Anfang an ganz gut gespielt, mich dann aber verletzt, Muskelfaserriss. Die medizinische Erstversorgung war allerdings richtig schlecht, das kann ich nicht anders sagen, weswegen diese an sich recht banale Verletzung sich auch so lange hingezogen hat.

RUND: Der Verein hat die Geduld verloren.
Julian Reinard: Er wollte einfach nicht warten, bis die Verletzung wirklich auskuriert war. Nachvollziehbarerweise vielleicht, die standen im Abstiegskampf und wollten einfach einen Torwart, der ihnen sofort weiterhilft. Sie haben mich dann vor die Wahl gestellt: Entweder ich werde ganz schnell wieder gesund oder ich kann mir sofort einen neuen Verein suchen. Den Vertrag haben wir aufgelöst. Schade.

RUND: Dennoch fällt Ihr Fazit positiv aus?
Julian Reinard: Auf jeden Fall. Ich muss vielleicht nicht nach Afghanistan, aber ich habe immer das Ziel, andere Länder und Sprachen kennen zu lernen. Es gibt doch keinen Beruf, wo du es so einfach hast, in der Welt herumzukommen und vielleicht ein paar Sprachen zu lernen. Ich habe jedenfalls in Israel ein paar Leute kennen gelernt, die ich hoffentlich bald wiedersehen werde. Es hat sich gelohnt, auch wenn ich jetzt wieder auf Vereinssuche bin.

RUND: So neugierig sind nicht alle Fußballer.
Julian Reinard: Das ist mir offenbar in die Wiege gelegt worden. Von vier bis sieben habe ich mit meinen Eltern, die dort Lehrer waren, in Kuwait gelebt. Ins Ausland gehen zu können, ist einfach eine Riesenchance, gerade für jemanden wie mich, der sehr weltoffen ist und nicht zwischen Bayern und Schalke wählen kann.



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