BRASILIEN
Meister, Feier, Abschied!
Er wurde mit Fluminense brasilianischer Meister, jetzt hat er hingeschmissen: Muricy Ramalho, 55, ist ein außergewöhnlicher Fußballtrainer. Von Sebastian Knoth
Foto Pixathlon
„Dieser Verein ist nicht trainierbar", hörte man unlängst aus dem Munde des Übungsleiters Veh. Gemeint war? Der HSV. Erfinder der aktuellen deutschen Fußball-Chaos-Tage. Copy in Deutschland. Paste in Brasilien. Und schon haben wir: Muricy Ramalho beim aktuellen brasilianischen Meister Fluminense. Am Sonntag trat der 55-jährige von seinem Amt als Trainer zurück. Nach dem Unentschieden seines Teams im Lokal-Derby gegen Ronaldinhos Flamengo, erklärte der in S√£o Paulo geborene Ramalho, mangelnde Strukturen im Verein seien die ausschlaggebende Kriterien seiner Demission gewesen. Betrachtet man seinen erfolgreichen Werdegang als Trainer und die kurzweilige Etappe auf der Trainerbank des Traditionsvereins Fluminense, gleicht die Karriere einer steten Gefühlsachterbahn, die immer nach dem identischen Gesetz erfolgt: Meister, Feier, Abschied...Meister, Feier, Abschied! Parallelen zu seinen deutschen Trainer-Kollegen - Quälix lässt grüßen! - sind deutlich zu erkennen.
Wir blicken zurück: Der nicht nur bei den Anhängern Fluminenses sehr beliebte Muricy, ist unter dem Zuckerhut nicht irgendwer. Sondern der Trainer der Stunde schlechthin. Besser gesagt: Der letzten Dekade der brasilianischen Fußballhistorie. Fünfmal krönte man den 1.72m großen Brasilianer in dieser Zeit zum Trainer des Jahres. Erfolgreich, erfahren, ehrlich. Tugenden, die nicht jeder Coach an der Außenlinie mit sich bringt. Nach einigen Errungenschaften bei kleineren Vereinen wie S√£o Caetano und der Ernte diverser Regional-Meisterschaften, ging der Stern des Trainers Ramalho vor gut fünf Jahren dort auf, wo sich auch einst der Spieler Ramalho erhoben hatte. In der größten Stadt Lateinamerikas, beim ansässigen S√£o Paulo Futebol Club. Dort machte sich Muricy schnell einen Namen als begnadeter Motivationskünstler und gewitzter Stratege. Von 2006 bis 2008 feierten die S√£o Paulinos den Titel-Hattrick. Doch der Ruhm sollte nicht ewig wären. „Die Arbeitsweise hier wird durch eine autoritäre Führungsriege bestimmt", klagte Ramalho in der Öffentlichkeit. Die Reaktion folgte prompt. Trotz des positiven sportlichen Werdegangs, musste Ramalho nach den Querelen mit der Vereinsführung seinen Heimat-Club im Juni 2009 verlassen.
Nicht einmal vier Wochen später heuerte Muricy bei Erzfeind Palmeiras und kündigte eine lang andauernde Zusammenarbeit an: „Ich bin mir sicher, dass ich hier sehr lange bleiben werde." Falsch gedacht. Palmeiras verlor am letzten Spieltag die sicher geglaubte Meisterschaft und wenig später war das Intermezzo nach nur acht Monaten beendet.
Fern der Heimat schien es besser zu laufen. Muricy zog es im April 2010 nach Rio de Janeiro. Neustes Projekt: Den seit 25 Jahren auf die Meisterschaft wartenden Club Fluminense wieder an die Spitze führen. Kaum in Rio angekommen, bahnte sich unerwartet der endgültige Karrierehöhepunkt im Leben des Muricy R. an: Nach der erfolglosen WM in Südafrika musste Dunga seinen Stuhl räumen. Muricy sollte seinen Platz einnehmen. Trainer der Sele√ß√£o. Die Sonne lachte mit ihm. Nicht aber sein Verein.
Der Präsident Fluminenses, Roberto Horcades, sorgte für Klarheit: „Mit viel Stolz und Respekt darf ich allen mitteilen, dass Trainer Muricy Ramalho bei Fluminense bleibt und sein Versprechen mit uns einhält." Der enttäuschte Coach reagierte mit Fassung auf die vermeintlich größte Niederlage seines Trainerdaseins:"Ich muss meinen Kindern ein Vorbild sein. Flu hat mich aus S√£o Paulo hergeholt und jetzt kann ich den Verein nicht im Stich lassen. Wenn sie mich nicht gehen lassen, bleibe ich natürlich." Dass Ramalho seine Arbeit bei Fluminense trotz der verweigerten Freigabe noch ernst nahm, ließ er sogleich ganz Brasilien spüren. Eher als Außenseiter gestartet, gelang der ganz große Coup. Seit 1984 hatte kein Kapitän Fluminenses mehr den Meister-Pokal in den Abendhimmel Rio de Janeiros gestreckt. Nicht verzagen, Muricy fragen. Ramalho führte seine Jungs, mit Altstar Deco in den Reihen, zum Gewinn des Brasileir√£o 2010. Fans, Mannschaft, Trainer und Vereinsführung lagen sich tagelang während der Siegesfeier in den Armen. Nun griff aber wieder die Formel: Meister, Feier, Abschied. Meistertrainer Ramalho zog erneut die Reißleine und verabschiedete sich: „Ich möchte allen danken, die hier mit mir zusammengearbeitet haben und sagen, dass sich mein Kreis bei diesem Club geschlossen hat. Mein besonderer Dank gilt den Fans Fluminenses`, die mich super während meiner Zeit als Trainer unterstützt haben."
Nun scheint Santos seine Fühler nach Ramalho ausgestreckt zuhaben. Wir warten ab, wem Ramalho als nächstes nach einer erfolgsverwöhnten Liaison das Fußball-Herz brechen wird...
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