POST AUS AFRIKA
Moderner Kolonialismus?
Ausländische Trainer geraten in Afrika immer stärker in die Kritik. Nach dem Debakel bei der WM in Südafrika hat auf dem schwarzen Kontinent ein Umdenken eingesetzt. Von Christian Gülisch
Die Idee ist simpel: Trainer aus Europa und Südamerika sollen mit ihrem Sachverstand und ihrer Erfahrung dem afrikanischen Fußball auf die Beine helfen. Doch in den vergangenen Jahren mehren sich die kritischen Stimmen, die den mangelnden Erfolg der afrikanischen Teams anprangern und Chancen für afrikanische Trainer fordern. Vor allem vor der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika entwickelte sich eine patriotische Atmosphäre, die auch Monate danach anhält. Algerias Rabak Saadane war der einzige afrikanische Coach bei der WM. Viele afrikanische Nationen fürchten nun einen Rückschlag in alte Zeiten, zurück zum Kolonialismus. Von 53 Nationen, die bei den Qualifikationsturnieren zum kommenden Afrika-Cup teilnehmen, wurden 30 der Teams von Nicht-Afrikanern betreut.
Joseph Antoine Bell, ehemaliger Nationaltorwart Kameruns, meldete sich nun zu Wort und kritisierte Vereinspräsidenten und Verbände des afrikanischen Kontinents für ihre koloniale Mentalität nicht-afrikanische Trainer anzuheuern anstatt den lokalen Experten das Vertrauen zu schenken: "We keep saying we are advancing in technology and in many other spheres", so Bell, "but a look at the men in charge of national teams across Africa tells a different story. We still suffer from the colonial mentality and seem to respect a man's pigmentation more than his true abilities."
Besonders ein Dorn im Auge ist Bell der kamerunische Fußballverband mit seinem Präsidenten Iya Mohammed. Dieser wehrt sich gegen den öffentlichen Druck einen seiner Landsmänner als Nationaltrainer einzustellen mit dem Argument, dass diese ein Opfer ihrer eigenen Selbstüberschätzung wären. Mohammed vertritt das gängige Argument, wonach ein lokaler Trainer nicht die Autorität besitzen würde, um mit den internationalen Stars, wie Samuel Eto'o, umgehen zu können: "look at what Samuel Eto'o has achieved on the world stage. He is an awe-inspiring individual. Imagine hiring a local coach who is himself awed by Eto'o. You expect him to discipline Eto'o. It won't work." Einen ausländischen Coach, der einen angemessenen Status im internationalen Fußball hat, sieht Mohammed als einzige Lösung. Nur ein solcher Trainer wäre in der Lage die großen Egos der Weltklassespieler zu kontrollieren.
Um dieses Argument zu verstehen, muss man nicht weit in die Vergangenheit blicken. Nicht mehr als 50 Jahre ist es her, als Afrika zum Brennpunkt der alten europäischen Vorherrschaft wurde. Immer mehr afrikanische Nationen sehnten sich nach Unabhängigkeit und bezahlten diese oftmals mit nicht weniger dem Blut ihrer Bürger. Endlich frei von den Imperialisten wurde der Kontinent nur Jahrzehnte später das Opfer einer freien Marktwirtschaft, die nur frei für die Eliten der Länder war. Kurz: Viele Afrikaner wurden wieder abhängig, von der Wirtschaft der westlichen Industrienationen und ihrer Entwicklungshilfe, die großflächig im Sand versiegte. Trotzdem, oder gerade deshalb, entwickelte sich über den ganzen Kontinent ein Patriotismus und Nationalstolz, der stark von der Angst vor einer erneuten Abhängigkeit der westlichen Industrienationen geprägt war.
Der pessimistische Blick auf ausländische Trainer in Afrika ist zunehmend auch der mangelnden Erfolgsquote dieser Übungsleiter verschuldet. Nicht-Afrikanische Trainer beziehen meist ein sehr viel höheres Gehalt als deren lokale Kollegen und sind außerdem mit besseren Konditionen ausgestattet, moniert Joseph Bell weiter. Zudem kritisiert er die ausländischen Coachs für deren mangelnde Identifikation mit dem jeweiligen Arbeitgeber. Er hat ein prominentes Beispiel parat: "I know of a German coach who was in charge of the Nigerian National Team. The man stayed in Germany and came to Nigeria only a week for the national team's matches and was paid an obscene amount of money. That's ridiculous." Die Rede ist hier von niemand geringerem als Berti Vogts, der von 2007 bis 2008 die nigerianische Nationalmannschaft betreut hatte.
Dem schließt sich auch Bruce Grobelaar an, ehemaliger Torwart von Liverpool und Simbabwe. In seinen Augen sind Trainer wie Sven Göran Eriksson (Elfenbeinküste März-Juni 2010), Paul Le Guen (Kamerun 2009-2010) oder Carlos Alberto Parreira (Südafrika 2007-2008/ 2009-2010) nur an Geld interessiert und nicht an der afrikanischen Kultur, die aber zwingend notwendig ist, um auf diesem Kontinent erfolgreich zu sein: "Expatriate coaches come here for the money, they take the money and go. They are practically gold digging. It's the same as in old time in Africa, the colonials came here and took the money, went back to Europe."
Kritiker sehen die Crux für das Versagen des Systems, das Vertrauen in afrikanischen Trainer ist nicht gegeben ist und ihre ausländischen Kollegen werden meist mit viel besseren Konditionen und Möglichkeiten ausgestattet werden. Ein Beispiel, das es auch anders geht zeigte der Club TP Mazembe aus der DR Kongo im letzten Jahr bei der Vereinsweltmeisterschaft. Mazembe setzte auf den senegalesischen Coach Lamine N'Diaye und scheiterte erst im Finale des Turniers an Inter Mailand.
Botswana hat sich als erste der afrikanische Nationen für den Afrika-Cup im nächsten Jahr qualifiziert - unter dem Trainer Stanley Tshosane. Eine Erfolgsstory und der Lohn für Botswana, die seit Jahren schon auf afrikanische Trainer setzen. Der Trend setzt sich weiter fort: Nigeria haben mit Samson Siasia einen ehemaligen Spieler als Nationalcoach, der in den eigenen Medien zwar als untauglich verschrien ist, der aber in seinen ersten beiden wichtigen Spielen sein Team mit 4:0 und 3:0 Siegen über Kenia das Tor zum Afrika-Cup nächstes Jahr weit aufgestoßen hat.
Die Frage ist nun: Sind ausländische Trainer wirklich ein Schritt zurück in alte koloniale Zeiten? Bedeuten Trainer wie Berti Vogts (Nigeria 2007-2008), Winnie Schäfer (Kamerun 2001-2004) oder Burkhard Ziese (Malawi 2005-2006) eine Abhängigkeit von einem imperialen und hegemonialen System? Der Europäische Fußball mit seinen Ligen aus Spanien, England, ja sogar Italien und der Deutschland gilt als fortschrittlich und modern. Die Frage ob dieses Trainer nun ein Ausdruck für einen wiedergekehrten Kolonialismus seien, scheint in diesem Zusammenhang eher albern. Es geschieht keine Fremdeinwirkung auf die Länder. Die Trainer werden von lokalen Verbänden engagiert. Mit Trainern aus diesen europäischen Ligen erhoffen sich die Verantwortlichen in Afrika eine Blaupause, um auf ein ähnliches Level aufzusteigen. Zumindest auf dem Level der Nationalmannschaften macht dies vielleicht sogar noch Sinn, denn fast alle Spieler von Nationalmannschaften wie Kamerun, Ghana oder der Elfenbeinküste spielen in Europa. Man hat also europäisches Material, jetzt braucht man nur noch ein europäisches taktisches System. Ob dies dann mit den oben genannten Trainern auch wirklich zum Erfolg führen kann, ist eine andere Frage. Die oben genannten Trainer sind im europäischen Vereins- und Verbandsfußball alle gescheitert nur um danach ein großzügiges Angebot als Nationaltrainer eines afrikanischen Teams anzunehmen. Bisher wurde kein afrikanisches Team von einem wirklichen Spitzentrainer betreut. Zur Erinnerung: Berti Vogts Trainerstab als nigerianischer Nationalcoach bestand aus Branchengrößen wie Steffen Freund und Uli Stein.
Moderner Kolonialismus?
Ausländische Trainer geraten in Afrika immer stärker in die Kritik. Nach dem Debakel bei der WM in Südafrika hat auf dem schwarzen Kontinent ein Umdenken eingesetzt. Von Christian Gülisch
Lächeln in Accra: Uli Stein (mi.) neben Berti Vogts
Foto Pixathlon
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Die Idee ist simpel: Trainer aus Europa und Südamerika sollen mit ihrem Sachverstand und ihrer Erfahrung dem afrikanischen Fußball auf die Beine helfen. Doch in den vergangenen Jahren mehren sich die kritischen Stimmen, die den mangelnden Erfolg der afrikanischen Teams anprangern und Chancen für afrikanische Trainer fordern. Vor allem vor der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika entwickelte sich eine patriotische Atmosphäre, die auch Monate danach anhält. Algerias Rabak Saadane war der einzige afrikanische Coach bei der WM. Viele afrikanische Nationen fürchten nun einen Rückschlag in alte Zeiten, zurück zum Kolonialismus. Von 53 Nationen, die bei den Qualifikationsturnieren zum kommenden Afrika-Cup teilnehmen, wurden 30 der Teams von Nicht-Afrikanern betreut.
Joseph Antoine Bell, ehemaliger Nationaltorwart Kameruns, meldete sich nun zu Wort und kritisierte Vereinspräsidenten und Verbände des afrikanischen Kontinents für ihre koloniale Mentalität nicht-afrikanische Trainer anzuheuern anstatt den lokalen Experten das Vertrauen zu schenken: "We keep saying we are advancing in technology and in many other spheres", so Bell, "but a look at the men in charge of national teams across Africa tells a different story. We still suffer from the colonial mentality and seem to respect a man's pigmentation more than his true abilities."
Besonders ein Dorn im Auge ist Bell der kamerunische Fußballverband mit seinem Präsidenten Iya Mohammed. Dieser wehrt sich gegen den öffentlichen Druck einen seiner Landsmänner als Nationaltrainer einzustellen mit dem Argument, dass diese ein Opfer ihrer eigenen Selbstüberschätzung wären. Mohammed vertritt das gängige Argument, wonach ein lokaler Trainer nicht die Autorität besitzen würde, um mit den internationalen Stars, wie Samuel Eto'o, umgehen zu können: "look at what Samuel Eto'o has achieved on the world stage. He is an awe-inspiring individual. Imagine hiring a local coach who is himself awed by Eto'o. You expect him to discipline Eto'o. It won't work." Einen ausländischen Coach, der einen angemessenen Status im internationalen Fußball hat, sieht Mohammed als einzige Lösung. Nur ein solcher Trainer wäre in der Lage die großen Egos der Weltklassespieler zu kontrollieren.
Um dieses Argument zu verstehen, muss man nicht weit in die Vergangenheit blicken. Nicht mehr als 50 Jahre ist es her, als Afrika zum Brennpunkt der alten europäischen Vorherrschaft wurde. Immer mehr afrikanische Nationen sehnten sich nach Unabhängigkeit und bezahlten diese oftmals mit nicht weniger dem Blut ihrer Bürger. Endlich frei von den Imperialisten wurde der Kontinent nur Jahrzehnte später das Opfer einer freien Marktwirtschaft, die nur frei für die Eliten der Länder war. Kurz: Viele Afrikaner wurden wieder abhängig, von der Wirtschaft der westlichen Industrienationen und ihrer Entwicklungshilfe, die großflächig im Sand versiegte. Trotzdem, oder gerade deshalb, entwickelte sich über den ganzen Kontinent ein Patriotismus und Nationalstolz, der stark von der Angst vor einer erneuten Abhängigkeit der westlichen Industrienationen geprägt war.
Der pessimistische Blick auf ausländische Trainer in Afrika ist zunehmend auch der mangelnden Erfolgsquote dieser Übungsleiter verschuldet. Nicht-Afrikanische Trainer beziehen meist ein sehr viel höheres Gehalt als deren lokale Kollegen und sind außerdem mit besseren Konditionen ausgestattet, moniert Joseph Bell weiter. Zudem kritisiert er die ausländischen Coachs für deren mangelnde Identifikation mit dem jeweiligen Arbeitgeber. Er hat ein prominentes Beispiel parat: "I know of a German coach who was in charge of the Nigerian National Team. The man stayed in Germany and came to Nigeria only a week for the national team's matches and was paid an obscene amount of money. That's ridiculous." Die Rede ist hier von niemand geringerem als Berti Vogts, der von 2007 bis 2008 die nigerianische Nationalmannschaft betreut hatte.
Dem schließt sich auch Bruce Grobelaar an, ehemaliger Torwart von Liverpool und Simbabwe. In seinen Augen sind Trainer wie Sven Göran Eriksson (Elfenbeinküste März-Juni 2010), Paul Le Guen (Kamerun 2009-2010) oder Carlos Alberto Parreira (Südafrika 2007-2008/ 2009-2010) nur an Geld interessiert und nicht an der afrikanischen Kultur, die aber zwingend notwendig ist, um auf diesem Kontinent erfolgreich zu sein: "Expatriate coaches come here for the money, they take the money and go. They are practically gold digging. It's the same as in old time in Africa, the colonials came here and took the money, went back to Europe."
Kritiker sehen die Crux für das Versagen des Systems, das Vertrauen in afrikanischen Trainer ist nicht gegeben ist und ihre ausländischen Kollegen werden meist mit viel besseren Konditionen und Möglichkeiten ausgestattet werden. Ein Beispiel, das es auch anders geht zeigte der Club TP Mazembe aus der DR Kongo im letzten Jahr bei der Vereinsweltmeisterschaft. Mazembe setzte auf den senegalesischen Coach Lamine N'Diaye und scheiterte erst im Finale des Turniers an Inter Mailand.
Botswana hat sich als erste der afrikanische Nationen für den Afrika-Cup im nächsten Jahr qualifiziert - unter dem Trainer Stanley Tshosane. Eine Erfolgsstory und der Lohn für Botswana, die seit Jahren schon auf afrikanische Trainer setzen. Der Trend setzt sich weiter fort: Nigeria haben mit Samson Siasia einen ehemaligen Spieler als Nationalcoach, der in den eigenen Medien zwar als untauglich verschrien ist, der aber in seinen ersten beiden wichtigen Spielen sein Team mit 4:0 und 3:0 Siegen über Kenia das Tor zum Afrika-Cup nächstes Jahr weit aufgestoßen hat.
Die Frage ist nun: Sind ausländische Trainer wirklich ein Schritt zurück in alte koloniale Zeiten? Bedeuten Trainer wie Berti Vogts (Nigeria 2007-2008), Winnie Schäfer (Kamerun 2001-2004) oder Burkhard Ziese (Malawi 2005-2006) eine Abhängigkeit von einem imperialen und hegemonialen System? Der Europäische Fußball mit seinen Ligen aus Spanien, England, ja sogar Italien und der Deutschland gilt als fortschrittlich und modern. Die Frage ob dieses Trainer nun ein Ausdruck für einen wiedergekehrten Kolonialismus seien, scheint in diesem Zusammenhang eher albern. Es geschieht keine Fremdeinwirkung auf die Länder. Die Trainer werden von lokalen Verbänden engagiert. Mit Trainern aus diesen europäischen Ligen erhoffen sich die Verantwortlichen in Afrika eine Blaupause, um auf ein ähnliches Level aufzusteigen. Zumindest auf dem Level der Nationalmannschaften macht dies vielleicht sogar noch Sinn, denn fast alle Spieler von Nationalmannschaften wie Kamerun, Ghana oder der Elfenbeinküste spielen in Europa. Man hat also europäisches Material, jetzt braucht man nur noch ein europäisches taktisches System. Ob dies dann mit den oben genannten Trainern auch wirklich zum Erfolg führen kann, ist eine andere Frage. Die oben genannten Trainer sind im europäischen Vereins- und Verbandsfußball alle gescheitert nur um danach ein großzügiges Angebot als Nationaltrainer eines afrikanischen Teams anzunehmen. Bisher wurde kein afrikanisches Team von einem wirklichen Spitzentrainer betreut. Zur Erinnerung: Berti Vogts Trainerstab als nigerianischer Nationalcoach bestand aus Branchengrößen wie Steffen Freund und Uli Stein.
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