POST AUS AFRIKA
Die Angst vor den leeren Stadien
Sie drohen zu so genannten weißen Elefanten zu werden, die ihrem Eigentümer mehr schaden als nützen. Die teilweise überdimensionierten wunderschönen WM-Arenen in Südafrika stehen über ein halbes Jahr nach dem Turnier meist sinnlos herum. Die populären Fußball- Cricket- oder Rugbymannschaften des Landes spielen lieber woanders. Von Christian Gülisch
Jubel während der WM: Südafrikanische Fansvor der riesigen Soccer City in Johannesburg, wo auch das Endspiel stattfand. Foto Pixathlon
Vor der Weltmeisterschaft wurde in Europa eifrig diskutiert: Wird man die Stadien in Südafrika überhaupt vollbekommen? Man fürchtete ein Zuschauer-Fiasko. Im Nachhinein eine unbegründete Angst. Die WM verlief gut, auch wenn einige Stadien weniger gut gefüllt waren. Leere Reihen waren fast immer auf den teuren VIP-Tribünen zu erkennen. Zudem wollten nur wenige Fans zu den eher unattraktiven Begegnungen in die abgelegenen Provinzen reisen. Mehr als ein halbes Jahr später ist diese Diskussion in Südafrika angekommen. Es herrscht die Angst vor leeren Stadien.
In Kapstadt wurde das Green-Point Stadion im pittoresken Stadtzentrum erbaut, obwohl Kritiker bereits vorher mahnten, dass 'Athlone', ein Außenbezirk und Township von Kapstadt, ein viel nützlicherer Baugrund wäre, da die Kapazitäten viel leichter durch die dort ansässigen Fußballklubs ausgelastet werden könnten. Nun sollen die ortsansässigen Vereine Ajax Kapstadt und Vasco da Gama das Stadion füllen, was sich allerdings als schwierig erweist bei einem Zuschauerschnitt von 18.000 - 20.000 Gästen pro Match. Zur Erinnerung, das Greenpoint-Stadium bot während der Weltmeisterschaft 68.000 Zuschauern Platz. Die Kapazität wurde nach dem Turnier auf 55.000 gesenkt.
Das erste halbe Jahr verlief beschewiden: Im Jahr 2010 wurden nur vier Ligaspiele im Green-Point-Stadion ausgetragen. Weil sich dadurch die Kosten für die Nutzung des Stadions nicht tragen lassen, wollte die Bürgermeisterin Helen Zille das Stadion outsourcen und es an 'Stade de France' abgeben, ein französisches Unternehmen, das unter anderem das ehemalige WM-Stadion in Paris betreibt. Doch Stade de France hat sich kurzerhand aus dem Deal zurückgezogen: Das Unternehmen fürchtete, die 4,5 Millionen Euro Unterhaltskosten pro Jahr nicht wieder einspielen zu können.
In den Großstädten Kapstadt, Johannesburg und Durban sind die Arenen am Bedarf vorbei geplant worden. Die dortigen populären Fußball-, Cricket- und Rugbyteams weigen sich beharrlich in die WM-Stadien umzuziehen. Das imposante Moses-Madhiba-Stadion in Durban wurde direkt neben dem vielleicht noch imposanteren Kings-Park-Stadion der Durban Sharks erbaut. Das Rugbyteam bekam sanften Druck, in das benachbarte WM-Stadion zu ziehen, konnte sich bislang aber erfolgreich wehren.
Bereits 2007 hatte Oregan Hoskin, Präsident des südafrikanischen Rugbyverbandes, vor größeren Problemen mit den Stadien nach der WM gewarnt. Er reichte seine Beschwerde sogar im südafrikanischen Parlament ein, doch selbst dort stieß er nur auf taube Ohren. Jetzt stellt sich der Rugbyverband stur und bemängelt die fehlenden Luxus-Suites in den Stadien. Der südafrikanische Cricketverband schließt zudem einen Umzug in die WM-Spielstätten aus, weil die Spielfläche in den Arenen für Cricket zu klein wäre.
Was passiert also mit den gigantischen Bauwerken? Im Green-Point-Stadion in Kapstadt werden 2011 U2, Neil Diamond und Kings of Leon auftreten. Damit sind die Großveranstaltungen allerdings schon aufgezählt. Diese Bands werden übrigens auch in Johannesburg spielen, allerdings nicht in den Stadien. Viel schlimmer trifft es zudem die abgelegeneren ehemaligen WM-Spielorte. Am 22. September 2011 spielten die Platinum Stars in einem Spiel der südafrikanischen Premier League gegen AmaZulu FC im Royal Bafokeng Stadion. Eine hochmoderne und schöne Arena, in der mehr als 42.000 Zuschauer Platz finden. Das Spiel endete 2:2. Zuschauer an diesem Tag: 200. In Worten: Zweihundert. Das Royal Bafokeng Stadion liegt in Rustenberg, einem Ort mit mehr als 100.000 Einwohner in der nord-westlichen Provinz in Südafrika. Sechs WM-Spiele wurden hier ausgetragen, nicht eines davon war ausverkauft. Das Spiel Neuseeland gegen die Slowakei wollten sogar nur 23.000 Zuschauer sehen.
Das Royal Bafokeng Stadion teilt sein Schicksal mit den anderen WM-Spielorten Polokwane und Nelspriut im Nordwesten von Südafrika. Bereits vor der Weltmeisterschaft war klar, dass diese Stadien zu sogenannten "white elephants" verkommen würden. Etwas, dass seinem Eigentümer mehr Ärger als Nutzen bringt. In Südafrika mehren sich bereits die Stimmen, die Stadien einfach abzureißen, weil sie immer mehr Kosten verursachen würden. Noch stemmt sich Danny Jordaan, der Kopf des Organisationskomitees der WM dagegen, aber auch er musste kürzlich eingestehen, dass Südafrika über kein nachhaltiges Konzept über die Nutzung der Stadien verfügt. In Soweto, Johannesburg sieht man das allerdings anders. Ein Offizieller der Stadionverwaltung verkündete vor kurzem: "There are so many things planned for the stadium. We have a list that includes rugby and soccer matches, major concerts and even international movies."
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