PREMIER LEAGUE
Was weiß Arsène?
Trotz des 1:0-Sieges gegen Manchester: Bei Arsenal, das in dieser Saison wohl wieder keinen Titel gewinnen wird, fragen sie sich, wie Arsène Wenger diese schwierige Situation meistern wird. Von Christian Gülisch

 

Theo Walcott

Siegt mit Arsenal gegen Manchester United: Theo Walcott Foto Pixathlon

 

Der knappe aber verdiente 1:0-Sieg von Arsenal London über Manchester United am letzten Sonntag hat die Meisterschaft in der englischen Premier League wieder spannend gemacht. Der Vorsprung des Tabellenersten Manchester auf den zweiten Chelsea ist auf drei Punkte geschmolzen. Am kommenden Wochenende treffen beide Teams aufeinander und bei einem Sieg der Londoner könnte Abramovichs Ensemble aufgrund ihres besseren Torverhältnisses zwei Spieltage vor dem Ende der Saison die Tabellenspitze erobern. In Manchester ärgern sie sich: Bei einem Sieg wäre ManU die 19. Meisterschaft wohl nicht mehr zu nehmen gewesen. Doch was bedeutet dieser Sieg für Arsenal? Nicht viel, außer ein wenig Balsam für die geschundene Seele von Arsene Wenger.  Selbst nach dem Sieg gegen den Rivalen aus dem Norden hat Arsenal bei sechs Punkten Rückstand drei Spieltage vor Saisonende keine realistischen Titelchancen mehr.

Vor zwei Monaten sah das alles noch ganz anders aus. Die Gunners waren in allen vier Wettbewerben vertreten: Champions League, Meisterschaft, FA Cup und Carling Cup. Auf den Gewinn einer dieser Trophäe wartet Arsenal nun schon seit mehr als sechs Jahren. In der Champions League war für die Kanoniere im Achtelfinale gegen Barcelona Schluss. Obwohl vor allem in der zweiten Halbzeit des Hinspiels das taktische Rezept Wengers aufging, hatte niemand wirklich damit gerechnet, dass sich die Londoner im Rückspiel im Camp Nou über Messi, Xavi und Co. behaupten könnten.

Danach folgten das Aus im FA Cup und drei unglückliche Spiele in der Premier League, die den Vorsprung des Kontrahenten aus Manchester in der Meisterschaft wachsen ließen. Arsene Wenger musste also 3 der 4 möglichen Titel bereits abhaken, als sein Team in das Finale des Carling Cup gegen Birmingham City zog. Der Carling Cup hat einen ähnlichen Stellenwert wie der deutsche Ligapokal: keinen. Doch was die Londoner im Finale gegen das Team aus Birmingham, in dem auch der Ex-Stuttgarter Alexander Hleb spielt, boten, war katastrophal. Birmingham gewann den Carling Cup und nur Tage danach verlor Arsenal auch noch das wichtige Premier League Spiel gegen die Bolton Wanderers. Damit war auch die Meisterschaft in unerreichbare Ferne gerückt und das, obwohl Arsenal über die gesamte Saison einer der Topaspiranten für den Titel war.

Das wird vor allem einen wurmen: Arsène Wenger. Nach der Niederlage gegen Bolton wirkte "The Professor" blass und gebrochen, mit einem nachdenklichen Blick. Vorbei scheinen die goldenen Jahre von 1997 bis 2005 in denen Arsenal dreimal die Meisterschaft und viermal den FA Cup gewinnen konnte. Die aktuelle Mannschaft ist zwar wie immer gespickt mit zahlreichen Talenten, einer der jüngsten Kader der Premier League, doch was Jürgen Klopp in dieser Saison so fabelhaft gelang, nämlich einem jungen Team Selbstvertrauen zu geben, scheint Arsene Wenger nicht zu gelingen. Gerade in der Defensive haben sich die individuellen Fehler allzu oft gehäuft, gepaart mit Verletzungspech und skurrilen Schiedsrichterentscheidungen, bleibt Arsenal nur übrig den Rivalen Manchester und Chelsea beim Jubeln zu zusehen.

Doch nun mehren sich die Stimmen, die fragen, ob Arsene Wenger sich vielleicht ausgebrannt hat? Wird er am Ende der Saison gehen? Wie lange wird er sich diese Sisyphusarbeit der letzten Jahre noch  antun? Denn eines ist klar, Arsene Wenger macht es sich nicht leicht. Er ist ein Idealist, der den Fußball vor Jahren revolutioniert hat, indem er ein junges Team einen attraktiven und offensiven Fußball spielen lassen hat - und damit zunächst erfolgreich war. Doch vielleicht ist es auch für Arsene Wenger an der Zeit Kompromisse zu machen, wie vor 3 Jahren, als er das Supertalent Andrey Arshavin, für die für seine Verhältnisse untypisch hohe Ablösesumme von rund 18 Millionen Euro verpflichtet hatte. Der 1:0 Sieg über Manchester United am vergangenen Sonntag täuscht darüber hinweg, dass Wengers junges Team vielleicht nicht die nötige Qualität besitzt, um mit den großen in der Liga und in der Champions League mit zu halten.

Als der Elsässer 1997 Arsenal London übernahm und gleich im Jahr darauf den Gewinn der Premier League feierte, übernahm er auch eine der besten Defensive in der Liga mit: Seaman-Dixon-Bould-Adams-Winterburn. In den Jahren darauf formte er dann die "Unbesiegbaren" mit: Lehmann-Lauren-Toure-Campbell-Cole, ganz zu schweigen von den Offensivkräften. Die Verteidigung von Arsenal im Jahr 2011 setzt sich zusammen aus dem Schweizer Johann Djourou und den Franzosen Koscielny, Sagna und Clichy. Auf der Torhüterposition ist das Team mit Manuel Almunia so qualitativ unterbesetzt, dass sogar der 20jährige Pole Wojciech Szczesny in verdrängen konnte und zuletzt Jens Lehmann aus dem Ruhestand zurück beordert wurde. Abgesehen von Almunia und Lehmann sind das natürlich alles sehr talentierte junge Fußballer, doch es hat sich in dieser Saison oft gezeigt, dass dem Team der ein oder andere erfahrene Spieler fehlt, um dem jungen Team die nötige Ruhe zu verleihen.

In den letzten Wochen kamen immer wieder Gerüchte um Verpflichtungen von Man Citys Yaya Toure und sogar Per Mertesacker auf, doch die Frage ist, ob Arsene Wenger seine Linie verlässt und in der neuen Saison gestandene Spieler verpflichtet, die seinem jungen Team um den 19-jährigen Jack Wilshere oder dem 20-jährigen Aaron Ramsey die nötige Mischung verleihen können und ausgebrannte Kräfte wie Tomas Rosicky oder Emmanuel Eboué ersetzen. Oder hält Wenger weiter an seinem Idealismus fest und setzt auf die technische und taktische Ausbildung junger und talentierter Fußballer? Eine Entscheidung, die Arsenals Position in der Premier League in den nächsten Jahren hinreichend beeinflussen wird. Denn: Die die einstigen Kontrahenten aus den Big Four stehen alle vor gewaltigen Umbrüchen. Sir Alex Ferguson hat es verpasst seinem Team die benötigte Frischzellenkur zu verpassen. Ryan Giggs, Paul Scholes, Rio Ferdinand und Edwin van der Sar hätten ihren fußballerischen Zenit eigentlich schon längst überschreiten müssen, spielen aber auf internationalen Top-Niveau, so dass ihr zeitnaher Abgang große Lücken im Team von Manchester United hinterlassen wird. Ähnlich wird es Chelsea mit Frank Lampard und Didier Drogba ergehen und auch in Liverpool hat Manager Kenny Dalgish die Zeichen der Zeit erkannt und muss mehr oder weniger freiwillig auf blutjunge Spieler wie Martin Kelly (20) oder Jack Robinson (17) als Außenverteidiger setzen.

Damit werden die Karten um die Vergabe der Meisterschaft und die internationalen Plätze neu gemischt, denn auch Teams wie Manchester City oder Tottenham werden oben mitspielen. Ein Spiel, indem auch Arsenal mit seinem jungen eingespielten Team in den nächsten Jahren sehr gute Karten haben könnte, wenn Arsene Wenger bleibt und er es schafft aus seinen Talenten auch wirkliche Spitzenspieler zu formen, denn momentan scheinen sie (noch) nicht gut genug zu sein. Doch das liegt vielleicht nicht mehr in der Hand des Managers, denn auch intern hat sich in den letzten Monaten bei Arsenal viel verändert. Der Club hat nun einen amerikanischen Großaktionär, der die Mehrheit von Arsenals Aktien besitzt. Wenger wird seine Entscheidungen nicht mehr unbeeinflusst treffen können und die Kompromissbereitschaft des idealistischen "Professors" wird wohl die Zukunft und den Erfolg von Arsenal bestimmen.

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