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Tanzende Totenköpfe
Herzschlagfinale am Kap: Die Orlando Pirates wurden zum achten Mal südafrikanischer Meister – dank des besseren Torverhältnisses gegenüber Kapstadt und den Kaiser Chiefs. Von Christian Gülisch.

 

Orlando PiratesDer Jolly Roger in Südafrika: Fans der Orlando Pirates feiern die achte Meisterschaft Foto Pixathlon

 

Es war eines dieser sogenannten Herzschlagfinals. Am letzten Spieltag der südafrikanischen Premier League haben sich die Orlando Pirates zum achten Mal in ihrer Geschichte die Meisterschaft gesichert. Dabei mussten sich die Spieler der Pirates während der Siegerehrung nach dem Spiel in Soweto mit einer Kopie der ABSA Premiership Trophäe zufrieden geben, denn das Original befand sich in Kapstadt, wo die klaren Favoriten Ajax Capetown nicht über ein 2:2 gegen Maritzburg United hinaus kamen und somit die sicher geglaubte Meisterschaft in der sprichwörtlich letzten Minute aus der Hand gaben.

Vor dem letzten Spieltag am Samstag waren die Rollen klar verteilt. Alle Spiele in der Liga wurden zeitgleich angepfiffen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden. Ajax war Tabellenführer mit 59 Punkten, Orlando Pirates war mit 57 Punkten auf Platz zwei, gefolgt von den Kaiser Chiefs mit 56 Punkten und dem besten Torverhältnis der Liga. Die Mehrheit der Experten war sich sicher, Ajax Capetown würde sich diesen Vorsprung nicht mehr nehmen lassen und endlich die erste Meisterschaft der Vereinshistorie feiern. Die Voraussetzungen waren ideal: Ajax spielte zu Hause in Kapstadt gegen Maritzburg United. Maritzburg befand sich im unteren Drittel der Tabelle und hatte rein rechnerisch nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun, eine Niederlage könnten sie verschmerzen. Die Orlando Pirates, auf der anderen Seite, hatten in den letzten Wochen die Tabellenführung aus der Hand gegeben und konnten nur drei der letzten acht Spiele gewinnen. Zudem spielte Ajax unter dem niederländischen Coach Foppe de Haan einen aufregenden Offensivfußball und hatte mit Thulani Serero einen der besten Spieler der Liga in den eigenen Reihen - Maritzburg hätte dem wohl nichts entgegen zu setzen. Selbst die bittere 4:0 Niederlage der Kapstädter gegen die Kaiser Chiefs am vorletzten Spieltag wurde von vielen Experten als Weckruf zur rechten Zeit bewertet.

Doch es sollte alles anders kommen: Ajax ging zunächst mit Selbstvertrauen in das Finale gegen Maritzburg, erzielte das 1:0 und hatte das Spiel fest in der Hand. Die Kapstädter spielten wie ein verdienter südafrikanischer Meister und es war nur Maritzburg-Keeper Shuaib Walters zu verdanken, dass Ajax nicht mit 3:0 zur Halbzeitpause führten. Zu diesem Zeitpunkt sahen sich die Experten bestätigt, alles deutete auf den wahrscheinlichsten Ablauf des Saisonfinals hin, denn die Orlando Pirates kamen in der ersten Halbzeit gegen Ernst Middendorps Golden Arrows nicht über ein 1:1 hinaus - und dies, obwohl Pirates Coach Ruud Krol sein Team auf totale Offensive eingestellt hatte.

Nach dem Seitenwechsel blieben die Verhältnisse bestehen, bis Ajax-Torwart Hans Vonk eine halbe Stunde vor Spielschluss einen Rückpass von Abwehrspieler Nazeer Allie schlampig verspringen ließ und somit erst Maritzburgs Gert Schalkwyk ermöglichte den Ball über die Torlinie zu wuchten: 1:1 in Kapstadt. Zu diesem Zeitpunkt war Ajax dennoch an der Tabellenspitze, weil der Spielstand zwischen den Pirates und den Golden Arrows sich nicht verändert hatte. Trotz allem, die Stimmung im Orlando-Stadium war aufgeheizt, die Sensation lag in der Luft, immerhin brauchten die Pirates nur noch ein weiteres Tor, um Ajax die Meisterschaft aus den Händen zu reißen. in der 68. Minute war es dann soweit: Jubel auf den Rängen in Soweto, doch im Orlando-Stadion war kein Tor gefallen. Vielmehr ging der Blick auf die Anzeigetafel, die soeben den Zwischenstand aus Kapstadt verkündet hatte: 1:2 für Maritzburg United. Nur 9 Minuten nach dem eher zufälligen Ausgleich wehrte Ajax-Abwehrspieler Clayton Daniels einen Schuss von JB Neubeni mit der Hand im Strafraum ab. Der Schiedsrichter entschied sofort auf Elfmeter, den Diyo Sibisi sicher verwandeln konnte. Maritzburg hatte das Spiel aus dem Nichts gedreht. Doch selbst bei diesen Spielstand wäre Ajax an der Tabellenspitze verblieben, die Pirates brauchten drei Punkte, ein Unentschieden war zu wenig. Orlandos Coach Ruud Krol warf alles nach vorne, was er zu bieten hatte und auch die Spieler auf dem Rasen schöpften Hoffnung, warfen sich hingebungsvoll in die Zweikämpfe, kamen aber zu keinen klaren Torchancen. Vielmehr öffneten sich nun Räume für die schnellen Konterspieler der Golden Arrows und die Defensive der Pirates sah sich ein um das andere Mal glücklich nicht auch in Rückstand zu geraten.

Durch die eher schmeichelhaften Leistungen von Ajax und den Pirates in der zweiten Hälfte, keimte nun die Hoffnung für den dritten Titelanwärter im Bunde: Die Kaiser Chiefs hatten nur Außenseiterchancen auf die Meisterschaft. Nur Niederlagen von Ajax und den Pirates, bei einem gleichzeitigen Sieg gegen Amazulu in Durban würden den Titel garantieren. Aber: Von allen drei Titel-Favoriten gaben die Chiefs die beste Leistung ab und gingen In Durban bereits nach 6 Minuten in Führung, nur um kurze Zeit später unglücklich den Ausgleich zu kassieren. Die Kaiser Chiefs gewannen das Spiel letztendlich mit 2:1, mussten sich aber mit dem dritten Tabellenplatz zufrieden geben. In Soweto wechselte Ruud Krol kurz vor Schluss seinen letzen Trumpf ein und Isaac Chansa bedankte sich bei seinem Trainer mit nicht weniger als einem 30-Meter-Kanonenschlag, der das Orlando-Stadium in ein Tollhaus verwandelte. Ajax ließ sich dadurch nicht ermutigen und konnte in den letzten zehn Minuten zu der gefürchteten Dominanz zurück finden. Das Resultat war der Ausgleich in der 87. Minute durch Dontie. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Nachricht von der Führung der Pirates bereits durchs Land geeilt und jeder in Kapstadt wußte: ein Unentschieden würde nicht reichen, die Pirates hatten das bessere Torverhältnis. Und so entfesselten die Ajax-Spieler eine Offensivwelle nach der anderen, scheiterten jedoch immer wieder am herausragenden Shuaib Walters.

Auch in Soweto war die Führung der Pirates keinesfalls sicher. Die Golden Arrows konnten die Defensive immer wieder über die Flügel durchbrechen und das ganze Stadion hielt den Atem an als Pirates-Keeper Moeneene Josephs einen Schuss vom Arrows-Stürmer Collins Mbesuma in der Nachspielzeit mit letzter Kraft gegen die Querlatte lenken konnte. Die Schiedsrichter in Kapstadt und Johannesburg pfiffen fast gleichzeitig ab und so endete das Spiel in Kapstadt mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit in den Gesichtern der Spieler und Fans. In Soweto hingegen brachen alle Dämme, buchstäblich. Die Ordner verloren die Kontrolle über die Fans, die nun nach Spielende über die Balustraden auf das Spielfeld stürmten und Spieler und Trainer Ruud Krol unter einer Traube von Menschen begruben. Der Holländer und auch die Spieler waren sichtlich überwältigt, erst von den Emotionen und dann von den heranstürmenden Fans. Schwer bewaffnete Secrurity-Konvois brauchten mehr als eine halbe Stunde, um das Spielfeld zu räumen und für die anschließende Siegerehrung Platz zu schaffen. Das konnte die Freude über die sensationelle Meisterschaft aber nicht schmälern und in Orlando, dem Township in Johannesburgs Soweto, waren die Straßen gefüllt mit jubelnden Menschenmassen, überall tanzten weiße Totenköpfe.

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