FRANKREICH
Teil 2: Die sieben Todsünden
Vor elf Jahren gewannen sie den Europapokal der Pokalsieger, nun droht sogar der Abstieg in die zweite Liga. Dass Paris Saint-Germain das riesige Potenzial der französischen Hauptstadt nicht nutzen kann, ist kaum zu fassen. Teil 2 des Erklärungsversuches von Jér√¥me Bac, Paris.

Pariser Cafe
Das letzte Bistro vor dem Stadion: Im noblen 16. Arondissement ist
vieles wichtiger als Fußball Foto Kai Müllenhoff

Paris Saint-Germain steht kurz davor, in die zweite Liga abzusteigen. Der absolute Tiefpunkt der Vereinsgeschichte konnte schon vergangenen Sommer nur knapp vermieden werden. Aber spielt das überhaupt noch eine Rolle? PSG bleibt krank, morsch, labil, unsicher, nichtswürdig, ungesund, unglücklich. Ein verdammter Klub. Ein Klub, der alle Voraussetzungen zum Erfolg mitbringt, und der alles tut, um diesen Erfolg zu verhindern. Seit zehn Jahren begeht PSG alle nur vorstellbaren Irrtümer und taumelt von Panne zu Panne. Seit zehn Jahren sucht man die Seele dieses Klubs und findet: nichts. Keine Mannschaft, in keiner europäischen Hauptstadt, weist gegenwärtig eine katastrophalere Bilanz auf. Sieben Todsünden zerfressen den Pariser Klub. Lesen Sie im zweiten Teil die Sünden Nummer fünf bis sieben.

5. Die Fans – nicht unter Kontrolle
Die Ultragruppierung Boulogne Boys wurde am 18. April vom französischen Innenministerium aufgelöst. Der Grund war ein Transparent aus dem Ligapokalfinale gegen Lens: „Pädophile, Arbeitslose und Inzest-Gezeugte, willkommen in Nordfrankreich".

Am 23. November 2006 starb ein Anhänger von PSG wenige Schritte vom Parc des Princes entfernt. Er hieß Julien Quemener, war 25 Jahre alt und nicht gerade ein Musterknabe. Umringt von Kumpanen – genau wie er Mitglieder der Boulogne Boys – attackierte er einen jüdischen Fan von Hapoel Tel Aviv sowie einen Polizisten in Zivil, der jenem zu Hilfe gekommen war. Hart bedrängt, griff der Polizist zu seiner Schusswaffe: Quemener war sofort tot. Die seit Jahren anschwellende Krise hatte in diesem Moment ihren Höhepunkt erreicht.

Tatort mit Blumen geschmückt
Tatort: Hier starb PSG-Fan Julien Quemener Foto Kai Müllenhoff

Bereits Anfang der 90er gingen Anhänger von PSG gegen die Polizei und maghrebinische Fans vor. Sie gehörten dem Kop de Boulogne an, einer Fangruppe, die PSG ständig Ärger bereitet. Ihre Tribüne hinter einem der Tore ist seit langem von Mitgliedern des Front National, Skinheads und Rassisten aller Art durchsetzt. „Es stimmt schon, es ist eine Tatsache, nicht zu leugnen“, räumt Präsident Cayzac ein. „Es wurde vieles unternommen, um die Situation zu entschärfen: Begegnungen, Gespräche, Prävention. Unglücklicherweise reichte es nicht.“

Seit 2004 kam es zu einer neuen Konfliktkonstellation zwischen den Anhängern Kop de Boulogne und der Fangruppe Tigris Mystic, die auf der gegenüberliegenden Auteuil-Tribüne sitzt. Diese neue Fangruppe besteht aus Jugendlichen der Vorstädte und vertritt die in Frankreich so genannten Black-Blanc-Beur. Der Kop de Boulogne hatte letzteren den Krieg erklärt, weil sie nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Hooligans, die sich zurückgezogen hatten und seit Jahren nicht mehr im Prinzenpark gesehen wurden, kehrten zurück, um sich mit den Tigris zu prügeln. Während eines Spiels in Straßburg gab es bei einer Schlägerei zwischen den beiden Gruppen mit rund zehn Verletzten. In Le Mans wurde ein Anhänger schwer verletzt. Ähnliche Zwischenfälle gab es bei Spielen gegen Toulouse, Saint-Etienne und Nantes, selbst das Eingreifen des damaligen Innenministers Nicolas Sarkozy brachte nichts.

Schließlich verkündete Tigris Mystic im Juli 2006 ihre Auflösung. Die Lage beruhigte sich ein wenig. Bis zum Tod von Julien Quemener. Unmittelbar darauf bekamen 250 Anhänger Stadionverbot. Ein Teil der Boulogne-Tribüne wurde ebenfalls für einige Wochen gesperrt. Heute scheint es wieder ruhig geworden zu sein. Doch wie lange?

6. Das Präsidium – zu isoliert und größenwahnsinnig
Präsident Alain Cayzac wurde respektiert, nun hat er vergangene Woche nach dem 0:3 gegen Caen seinen Rücktritt erklärt. Seine Entscheidungen zeugen generell von gesundem Menschenverstand und geben selten Anlass zu Polemik. Cayzac mag PSG, kam gut an und wäre für einen normalen Klub eine exzellente Wahl. Aber Paris ist nicht normal, um nicht zu sagen unregierbar.

Vor Cayzac regierte Pierre Blayau. Er war vormals Präsident von Stade Rennes und Chef des Haushaltsgeräteherstellers Moulinex. Er führte das Unternehmen überraschend in den Konkurs und war damit für den Verlust von 5200 Arbeitsplätzen verantwortlich. Kaum nötig zu erwähnen, dass der Mann nicht sonderlich populär ist im Lande. Seine Tätigkeit im Parc des Princes führte naturgemäß ins Desaster. Als Charles Biétry, ein Fußballkommentator beim TV-Sender Canal+, die Zügel bei PSG führte, mischte er sich in sportliche Belange ein, bis er sich mit dem Mannschaftskapitän, dem Italiener Marco Simone, verkrachte. Die Fans ergriffen Partei für Simone und forderten den Rücktritt von Biétry. Zusätzlich forderte Canal+, damals Eigentümer des Klubs, sein Fell. Und die beste Art dies Ziel zu erreichen bestand darin, die Mannschaft scheitern zu lassen

PSG-Fans
Gute Miene zum schlechten Spiel: Fans von PSG
Foto Kai Müllenhoff

Der Niedergang von PSG geht nämlich mit dem Desinteresse von Canal+ an diesem Klub einher. Für lange Jahre, zwischen seiner Beteiligung 1991 und dem Sieg im Europapokal 1996, war der Klub für den Bezahlsender äußerst wichtig. Die erfolgreiche Zeit in der Meisterschaft und im Europapokal Mitte der 90er-Jahre brachte Canal+ Quoten und Popularität. Als es nicht mehr so gut lief, reduzierte der Sender seine Investitionen in den Klub, was diesen in die Krise stürzte. 2006 wurde PSG schließlich für 41 Millionen Euro an den amerikanischen Investmentfonds Colony Capital verkauft.

7. Die Trainer – der Aufgabe nicht gewachsen
In den letzten zehn Jahren verbrauchte PSG acht Trainer. Dennoch hat der Klub keinen Retter gefunden. Vahid Halilhodzic, Vereinstrainer zwischen 2003 und 2005, erklärt: „Paris wird beherrscht von Einflusskämpfen und Destabilisierungskampagnen durch die Medien. Der Posten des Trainers ist in Paris exponierter als woanders. Dieser Klub ist von derartiger Niedertracht umgeben!“ Nach einigen Monaten an der Spitze der Mannschaft scheint auch Paul Le Guen am Ende seiner Geduld, seiner Energie, seiner Ideen. Sein Vorgänger, der Schnauzbartträger Guy Lacombe war in Sochaux erfolgreich. Seine Ernennung schien in die richtige Richtung zu weisen – und wurde zum Desaster. Destabilisiert, von allen Seiten angegriffen, ging er soweit, Vikash Dhorasoo zu entlassen, den einzigen Spieler des Klubs, der noch in die französische Nationalmannschaft berufen wurde. Es war das erste Mal in Frankreich, dass ein Klub einen seiner Spieler entließ. Jér√¥me Rothen erinnert sich grollend an Lacombe: „Ich hatte keine Achtung mehr vor diesem Mann. Ich wechselte kein Wort mehr mit ihm. Er hatte nicht das Niveau, eine solche Mannschaft zu führen!“ Aber wer hat überhaupt dieses Niveau?

Klicken Sie hier, um Teil 1 des Reports über Paris Saint-Germain zu lesen

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