Rassismus

Wegsehen, relativieren und schweigen

Nach rassistischen Beleidigungen bei  zwei Erstrundenpartien im DFB-Pokal fordert Otto Addo von DFB und DFL, Maßnahmen gegen Rassismus zur Chefsache zu machen.

 

Otto Addo
Er gründete die Initiative Roots – Against Racism in Sport: Otto Addo war 
Profi bei Hannover 96, Borussia Dortmund, Mainz 05 und dem HSV
Foto Pixathlon

 

Christopher Antwi-Adjei, Profi des FC Schalke 04, wurde bei der Erstrundenpartie im DFB-Pokal bei Lokomotive Leipzig rassistisch beleidigt. Das Spiel wurde unterbrochen – im offiziellen Spielbericht ist jedoch lediglich von „wohl“ die Rede. Der betroffene Spieler wurde anschließend über die gesamte Partie hinweg ausgepfiffen. Auch in Stahnsdorf kam es zu rassistischen Rufen und Anfeindungen. Der Täter wurde später zwar identifiziert und des Feldes verwiesen, aber der Schiedsrichter unterbrach das Spiel dafür nicht. Längst handelt es sich nicht mehr um Einzelfälle. „Seit Jahren erleben wir dasselbe Muster: ein Vorfall, dann Relativierung, dann Schweigen. Aber Rassismus im Fußball ist kein Unfall und kein Randphänomen – er ist systemisch. Solange wir von ‚Einzeltätern‘ und ‚einzelnen Vollidioten' sprechen, bleibt das System unberührt. Um das System zu verändern, muss Anti-Rassismus von DFB und DFL endlich zur Chefsache erklärt werden,“ sagt Roots-Präsident Otto Addo. Der Umgang mit den Vorfällen deutet auf Kompetenzdefizite im Umgang mit Rassismusvorfällen in Fußball-Deutschland.

Die Initiative Roots – Against Racism in Sport wurde Anfang 2025 gegründet. Sie geht auf den ehemaligen Bundesligaprofi und aktuellen Nationaltrainer Ghanas, Otto Addo, zurück. Ausgrenzungen, diskriminierendes Verhalten oder rassistische Beleidigungen erleben Sportler*innen of Color im Profi- und Amateursport regelmäßig. Addo: Während die Betroffenen häufig mit ihren Erfahrungen allein dastehen, sind Vereine und Verbände oft ratlos, wenn es um die Frage geht, wie sie mit Diskriminierungs- und Rassismusvorfällen im Sport umgehen bzw. wie diskriminierungssensible, rassismuskritische und inklusive Sportstrukturen am besten gestaltet werden können. „Rassismus im Sport betrifft nicht nur Einzelne – er schadet dem gesamten System“, so Addo.

Der organisierte Fußball hat sich in den vergangenen Jahren mit verschiedenen DemokratieMaßnahmen auch die Anti-Rassismusarbeit auf die Fahnen geschrieben. Dazu sagt Roots-Vizepräsidentin Rachel Etse: „Leider besteht sie zu oft aus leeren Worthülsen. Im Ernstfall werden die Werte nicht gelebt, weil im Umgang die nötigen Kompetenzen fehlen. Die Kompetenzdefizite in der Anti-Rassismusarbeit sind in Vereinen, Verbänden, Stadien, aber auch in den Medien deutlich erkennbar.“

Roots-Vizepräsident Younis Kamil teilt diesen Eindruck und untermauert, dass der Trend in die verkehrte Richtung zeigt: „Die Vorfälle in Leipzig und Stahnsdorf legen offen, dass der deutsche Fußball bisher keine nachhaltig wirksamen Antworten auf Rassismus liefert. Der Trend deutet dabei auf einen Anstieg statt Abstieg der rassistischen Vorfälle hin. Das melden uns Vereine, Verbände und Spieler:innen. Erst Anfang August hat beispielsweise der Berliner FußballVerband ein Lagebild zu Diskriminierungsvorfällen mit erschreckenden Zahlen herausgebracht, der auf die Alltäglichkeit von Rassismus durch Zuschauer:innen deutet. “

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