THEMENWOCHE: NAZIS IM SPIEL
„Woanders ist es doch viel schlimmer“

Görlitz ist keine „national befreite Zone“. Es gibt hier eine lebendige Kulturszene und außer der Rechten viele andere Subkulturen. Der schwarze Görlitzer Rafael muss dennoch stets auf der Hut sein – nicht nur beim Fußball.



Vor 19 Jahren wurde Rafael (Name geändert) in Görlitz geboren, er wohnt noch heute dort. Das überrascht ein wenig, denn schon als Kleinkind merkte er, dass er in Ostsachsen mit seiner Hautfarbe Aufsehen erregt. 1989 war er drei Jahre alt und mit seiner Mutter auf dem Weg zu Verwandten, als die beiden in Dresden-Neustadt umsteigen mussten. Fatalerweise hatte Dynamo Dresden an diesem Tag ein Heimspiel. „Kaum hatten die mich gesehen, stürmten Dutzende Fans auf uns zu. Meine Mutter konnte uns gerade noch in die Bahnhofsmission retten.“

Seither haben die Feindseligkeiten nicht aufgehört. Dass er jederzeit zusammengeschlagen werden kann, wenn er zu Freunden oder zum Fußball geht, ist ihm immer bewusst. Jahrelang hat Rafael für einen Klub im Landkreis gekickt. M., der wohl bekannteste Nazi in Görlitz, hat erst jüngst wieder gesagt, er würde notfalls sogar mit einem Punk in einer Mannschaft spielen. Aber nie, nie, mit „dem da“. „Der da“ war Rafael.

In Görlitz gibt es zwei Kameradschaften, die „Schlesischen Jungs“ und die „Boot Boys“. Die „Boot Boys“ spielen gerne Fußball, ein paar von ihnen in der zweiten Mannschaft des FSV Görlitz-Schlesien in der Kreisklasse. M. tritt in der ersten Mannschaft in der Kreisliga gegen den Ball. Einmal hat Bs Mutter bei einem Spiel zugeschaut. Statt vor dem Anpfiff wie in Ostdeutschland üblich „Sport frei“ zu rufen, standen drei Spieler von Görlitz-Schlesien gerade und riefen „Sieg Heil“. Der Schiedsrichter hat nichts gehört.

Ein Spieler des FSV Görlitz-Schlesien II, der nur anonym zitiert werden will, bestätigt „den Vorfall“. Aber ansonsten findet er, seien im Team „alles nette Kerle“. Auf dem Sportplatz gehe es ruhig zu, da könne man nichts sagen. Obwohl, einer habe in der Tat ein Hakenkreuz als Hintergrundbild seines Handys. Und der Szenecode „88“ schmücke manche Freizeitkleidung, aber der könne ja auch für etwas anderes als „Heil Hitler“ stehen. Auf die Frage, wie er mit solchen Leuten Fußball spielen könne, weicht er aus. Nun gut, im „Anstoß“, wo seine Kollegen nach den Spielen noch beisammen sitzen, verkehre er nicht. Dort sei es „politisch nun wirklich nicht gerade neutral“.


Zum Anstoß: Tür zum Vereinslokal
Foto P. Schulz


Das Vereinslokal „Anstoß“ liegt mitten in der Görlitzer Altstadt. Nebenbei dienen die Örtlichkeiten als Jugendklub. Der Betreiber gehörte selbst lange der rechten Szene an, berichtet ein anderer Freizeitfußballer. Heute achtet er zumindest darauf, dass die Musik der als kriminelle Organisation verbotenen Band „Landser“ nicht mehr auf der Straße gespielt wird.

Als der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye vor der WM davon sprach, dass es in Deutschland Gegenden gebe, „wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen, er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen“, verursachte er einen Aufruhr im Land. Rafael kann das nicht verstehen. Der Mann habe schließlich nur die Wahrheit gesagt. Görlitz sei allerdings keine No-Go-Area. In Görlitz bilden die Rechten nur eine Szene von vielen. Es gibt Punks, Oi-Skins, Rapper. Im Laufe der Jahre haben Rechte und Linke ihre Territorien abgesteckt. Im Normalfall halten sich Rechte und Linke an die unsichtbaren Grenzsteine. Schön wäre nur, wenn die Polizei etwas entschlossener gegen die Rechten vorgehen würde, sagt Rafael. Aber er will hier nicht wegziehen: „Woanders ist es doch viel schlimmer als hier.“

Christoph Ruf

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