POST AUS AFRIKA
Neue Hemden für die Flames
Ein Land, in dem Fußballtrikots Mangelware sind. Im bitterarmen Malawi spielte selbst die U21-Nationalelf schon mal in unterschiedlichen Leibchen Ein Sponsorendeal des malawischen Verbands mit Puma soll das jetzt ändern. Christian Gülisch schickt RUND alle zwei Wochen seine Post aus Afrika.

Malawische Nationalelf

Mit den alten Trikots: Das malawische Team im Januar bei der Qualifikation für den Afrika Cup in Luanda, Angola.
Foto Pixathlon



Ich würde mich nicht als leidenschaftlichen Sammler bezeichnen, doch wann immer ich in ein neues Land reise, versuche ich mindestens ein Trikot eines lokalen Vereins oder der jeweiligen Nationalmannschaft zu ergattern. Nun bin ich seit zwei Monaten in Malawi, doch nach Trikots der „Flames“, wie die malawische Nationalmannschaft genannt wird, suche ich vergeblich. „Sorry, we’re out of stock“ lautet meist die entschuldigende Antwort der Shop-Besitzer oder auf den Schwarzmärkten. Klar, Malawi ist ein Entwicklungsland. Wenn man deutsche Entwicklungshelfer mit sauberen Schuhen oder nicht neuen Hosen trifft, dann kommen diese mit Sicherheit gerade aus dem Heimaturlaub. Ich selber habe nur wenig Gepäck mit nach Malawi genommen und habe mich deshalb gleich in den ersten Wochen bei einem der wenigen Bekleidungsgeschäfte in der Hauptstadt Lilongwe mit neuen Schuhen und Polohemden versorgt. Nach einem Monat waren die Schuhe durchgelaufen und die Polohemden von der Sonne ausgebleicht. Nicht jeder Malawi kann sich diesen Luxus leisten, und so kommt es, dass Kleidung zu einem der gefragtesten Güter in diesem armen Land geworden ist.

Walter Nyamliando, der Präsident des malawischen Fußballverbands FAM konnte in der letzten Woche verkünden, dass nach langer Suche ein Sponsor für das Nationalteam gefunden werden konnte: Der Verband hat einen Ausrüstervertrag mit Puma an Land gezogen und einen Fünfjahresvertrag ausgehandelt. Im Gegenzug erhält Puma alle Rechte für den Vertrieb und das Marketing der „Flames“. Die Offiziellen des Verbandes wurden dabei nicht müde, in den lokalen Medien zu betonen, dass Puma die Ausrüstung gratis und ohne zusätzliche Kosten dem Verband zur Verfügung stellen würde: "Match uniforms, training kit, casual wear, football boots, match and training footballs, travel bags and other accessories“, zählte Nyamliando auf der offiziellen Homepage des Verbandes nicht ohne Stolz alle Sportartikel auf.
Besonders interessant ist ein anderes Detail: "As part of the agreement, FAM (Football Association of Malawi) has also entered into a commercial arrangement with Puma to supply tailor-made replica jerseys for sale to the general public“. Puma hat sich bereits um das Design für die neuen Trikots bemüht, die zukünftig rot und grün sein werden. Bisher bestritten die „Flames“ ihre Spiele immer in weiß, doch dies hat anscheinend zu Verwirrung unter den Zuschauern geführt, da weiß nicht zu den Nationalfarben von Malawi gehörte.

Seit dem Sommer 2010 hat Malawi ein neues Sinnbild des Nationalstolzes. Präsident Bingu wa Mutharika verkündete den Anfang einer neuen Ära für Malawi. Die neue Flagge stellt eine volle Sonne dar – im Unterschied zur vorherigen Version mit einer aufgehenden Sonne, die die wirtschaftliche Entwicklung des Landes symbolisierte. Unter den Entwicklungsorganisationen ist die neue Flagge seitdem zu einem „Running gag“ geworden. Malawi als entwickeltes Land macht die die Anwesenheit der Entwicklungsorganisationen eigentlich überflüssig. Nun kann man sich darüber streiten, ob die diese Organisationen von Vornherein schon nutzlos waren, aber diese Debatte ist eine andere. Wichtig ist nur, dass Präsident Bingus neues Selbstbewusstsein seinen Zweck zu erfüllen scheint und wichtige Sponsoren in die Strukturen investieren.

Der Puma-Deal bedeutet auch, dass sich die malawischen Nationalspieler nicht mehr mit ihren alten ausgewaschenen Trikots herumschlagen müssen – und wer weiß, vielleicht können sie nach dem nächsten wichtigen Spiel im März gegen Togo sogar ihre neuen Puma-Trikots mit ihren Gegner tauschen. Ich jedenfalls, werde schon bald in der Lage sein mir ein Trikot der Flames zu besorgen, was leider nicht für den Großteil der malawischen Bevölkerung zutrifft. Denn die hochwertigen Trikots werden in der Herstellung und im Verkauf den Preis der alten Fabrikate deutlich überschreiten und es wird wohl kaum anzunehmen sein, dass ein malawischer Gärtner, sein Monatsgehalt von rund 30 Euro für ein Trikot eines Teams ausgibt, das sich höchstwahrscheinlich nicht einmal für den Afrika Cup qualifizieren wird. Die Antwort des Verbandspräsidenten Nyamilandu, auf die Frage ob sich denn der gemeine Fan das überhaupt leisten könne, war: "We are going into a business and we expect to make money. Days when FAM (Football Association of Malawi) was seen as a charitable organisation are long gone. There won't be any give away." Der Verband macht also keinen Hehl daraus, diesen Sponsorenvertrag aus rein wirtschaftlichen Gründen abgeschlossen zu haben. Die Frage ist nur, wer, außer dem gemeinen malawischen Fußballfan und mir, gehört zu der Zielgruppe dieses Merchandisings? Es ist wohl kaum anzunehmen, dass die Trikots in den Nachbarländern Malawis oder anderen Regionen Afrikas reißenden Absatz finden.

Es ist nur eines von vielen Beispielen in Malawi, wie viel Einfluss Sponsoren auf die Strukturen im hiesigen Fußball haben kann. Eine Ausschreitung der Anhänger bei einem Pokalspiel zwischen den Bulluts FC und den MTL Wanderers, den zwei beliebtesten Vereinen in Malawi, hat eine Diskussion über die Tauglichkeit des Kamuzu Stadions in Lilongwe ausgelöst. Alle Spiele des Standard Bank Cups (so der Name des nationalen Pokalwettbewerbs) werden in diesem Stadion ausgetragen, das allerdings über einen sehr niedrigen Sicherheitsstandard verfügt, so dass es immer wieder zu gewaltigen Auseinandersetzungen der rivalisierenden Fangruppen kommt. Der malawische Ligaverband hat es nun der Standard Bank, dem Sponsor dieses Pokalwettbewerbs, überlassen, eine Entscheidung zu treffen, ob diese Spiele weiterhin im Kamuzu Stadion ausgetragen werden sollen.
Gerade in Malawi wird also deutlich, wie abhängig der Fußball von seinen Sponsoren ist. Selbst mit Adidas als Sponsor hatten die Jugendmannschaften des malawischen Nationalteams Probleme ihre Kader mit einheitlichen Jerseys auszustatten. Das musste auch Bernhard Ziese, der deutsche Ex-Coach der A- und U21 Nationalmannschaft von Malawi erfahren, als Jugendteam bei einem Turnier in Südafrika mit bunten privaten Kits auflaufen musste. Es spielte also nicht Malawi, sondern eine Mischung aus Chelsea, Mailand und Madrid.
Dieses Phänomen macht auch vor der nationalen Liga nicht halt. Vor kurzem wurden zwei Spieler von Blackpool FC aus Lunzu von der Ligaverwaltung zu gegnerischen Teams mit großen Sponsoren zwangstransferiert, da Blackpool nicht genügend Ressourcen hatte, um deren Gehälter zu zahlen. Der Verein hat keinen Trikotsponsor und wird komplett durch seinen Präsidenten, Ben Sawanga, finanziert, der sich jetzt beim Ligaverband beschwert hatte, da er sich ungerecht behandelt fühlt.
Wie sehr die malawischen Teams von Sponsoren abhängig sind, machen diese Zahlen deutlich: Sawanga schätzt, dass ein Team in der ersten malawischen Super League nicht weniger als 10 Millionen Kwacha (rund 50.000 Euro) im Jahr kostet. Eine Fahrt zu einem Auswärtsspiel verschlingt dabei inklusive Versorgung, Transport und Unterkunft der Spieler, 1000 Euro. Das mag für deutsche Verhältnisse fast schon lächerlich klingen, doch die Vereine finden kaum einen alternativen Absatz zu Sponsorengeldern. TNM, ein Mobilfunkunternehmen, sponsert die nationale TNM Super League und verteilt pro Jahr rund 5000 Euro an die Vereine. Ein Heimspiel des Blackpool FC bringt zeitweise nicht mehr als 15 Euro als Gewinn ein. Von den Fernsehrechten profitiert kein Verein in Malawi. Einen Merchandising-Vertrag, wie ihn das Nationalteam kürzlich abschloss, gibt es in der Liga nicht.

Wie also sollen sich die lokalen Vereine in Malawi zu gewinnbringenden Unternehmen entwickeln, wie es der Präsident des malawischen Fußballverbandes verlangt? Wie sollen die Vereine ihren Spielern eine Alternative zu den Transfers nach Südafrika bieten können? Ben Sawanga, der Präsident des Blackpool FC, hat viel Geld in sein Team investiert. Andere Teams, wie Escom United oder MTL Wanderers, tragen ihre großen Sponsoren in Namen (ESCOM ist ein staatlicher Stromanbieter, MTL ist ein Mobilfunkunternehmen), aber es waren genau diese Vereine, an die Blackpool seine Spieler verlor. Ein Trikot von Escom United, den Bullets oder den MTL Wanderers habe ich in den Shops in Malawi bisher jedoch vergeblich gesucht.

Christian Gülisch

In Lilongwe: Christian Gülisch

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