RASSISMUS
„Ach so fühlst du dich“
Viele seiner Träume hat Mark Pomorin, wahr werden lassen. Der ehemaliger Spieler des FC St. Pauli und heutige Spielerberater machte parallel zu seinem Job in einer Werbeagentur das Abitur und ermuntert Hamburger Schüler, sich für eine Welt ohne Rassismus zu engagieren. Interview Matthias Greulich
„Wenn es nicht gut läuft, werden die Spieler beschimpft.": Mark Pomorin über seine Erlebnisse im Fußball. Foto Matthias Greulich
Mark Pomorin, was berichtest du Schülern als Wertebotschafter der Bildungsinitiative „German Dream“?
Ich erzähle meine Lebensgeschichte. Welche Hürden ich überwinden musste. Ich will den Kids vermitteln, dass man mit jeder Hürde, egal wie hoch sie auch ist, umgehen kann.
Du bist 1976 in Hamburg geboren und mit acht Jahren mit deinen Eltern nach Ghana gegangen.
Das war am Anfang ein Kulturclash für mich. Ich habe auf Deutsch geträumt und viel geweint. Meine Eltern haben gesehen, dass es mir nicht gut ging. Sie wollten mir ein besseres Leben in Deutschland ermöglichen. Die Zeit in Ghana hat mich aber ein Stück weit geerdet. Als ich wieder in Hamburg war, habe ich alles mit anderen Augen gesehen. Ich war zwar sehr jung, aber das tat mir gut. Es tut mir bis heute gut.
Mit zehn Jahren bist du zu Pflegeltern nach Hamburg gekommen. Sie adoptierten dich, starben aber kurz nacheinander an Krebs als du 19 warst. Da warst du schon Fußballer beim FC St. Pauli.
Der Fußball hat mir Halt gegeben, ich konnte mich ablenken. Und ich habe Zusammenhalt im Mannschaftssport erfahren.
Mit Ivan Klasnić einem deiner Mitspieler aus dieser Zeit und der ehemaligen Bundesligaspielerin Tuğba Tekkal warst du auf einem „Wertedialog“ in der Stadtteilschule Poppenbüttel.
Ivan ist einer meiner besten Freunde, selbst er wusste nicht so richtig viel von meiner Lebensgeschichte. Weil ich nicht damit hausieren gehe, aber davon erzähle, wenn ich gefragt werde. Seine Geschichte kennt man besser. Er ist als erster Profi nach einer Nierentransplantation wieder zurück auf den Platz gekommen und hat jetzt seine dritte Niere bekommen. Die Familie Tekkal kenne ich über Jahre, der Kontakt ist nie abgerissen. Als mich Düzen Tekkal fragte, ob ich Wertebotschafter bei ihrer Initiative „German Dream“ werden wolle, war ich sofort dabei. Es ist genau die Message, die ich rüberbringen will.
Als die Filmemacherin und Autorin Düzen Tekkal in der NDR-Fernsehsendung „Das“ zu Gast war, wurde ein Beitrag eingespielt, der zeigt, wie du deine alte Schule in Horn besuchst.
Ich habe unseren Hausmeister Herrn Sievers wieder getroffen, der sagte dass es dort auf der Schule keinen Rassismus oder Ausgrenzung gibt. Das habe ich auch so erlebt. Wir waren viele Kids mit Migrationshintergrund, besonders in unserer Klasse. Und wir hatten ein Mädchen mit Glasknochen, das kleinwüchsig war. Wir haben sie ganz normal aufgenommen und behandelt. Das war also nicht nur ein Spruch, sondern wird dort auch gelebt. Dort habe ich nie Rassismus empfunden. Es gab nur gut und schlecht. Anders war es beim Sport, wo man das immer mal wieder vom Gegenspieler gehört hat. Als ich beim FC St. Pauli in der Bundesliga-Nachwuchsrunde bei Hansa Rostock spielte, kam eins zum anderen.
Ist der Rassismus im Fußball seitdem weniger geworden?
Ich bilde mir ein, dass es nach wie vor gleich ist, was den Rassismus der Zuschauer betrifft. Wenn es nicht gut läuft, werden die Spieler beschimpft. Auf dem Platz sind allerdings heute mehr Kameras, so dass sich die Spieler mit Beleidigungen mehr zurückhalten.
Was ist mit den Bekenntnissen des DFB gegen Rassismus?
Das hält ignorante Menschen nicht davon ab, sich homophob oder rassistisch zu äußern. Von den Verbänden ist es gut gemeint, und es ist auch ein wichtiges Signal. Auch viele Vereine leben das vor. Aber es gibt eine Minderheit von Fans, die das nicht wollen.
Hast du strukturellen Rassismus erlebt?
Definitiv. Wenn man nicht zu den People of Color gehört, kann man das schwer nachvollziehen. Ein Beispiel: Nach einem Fußballspiel fuhren wir im Auto eines Mitspielers nach Hause. Wir trugen Trainingsanzüge. Wir wurden von der Polizei angehalten. Alles schön und gut. Ich wurde aber als einziger kontrolliert, die anderen durchgewunken. Das mag banal klingen, ist für mich aber Alltagsrassismus. Wenn man in der Bahn ein Erste-Klasse-Ticket hat, wird man beäugt nach dem Motto „Die Zweite Klasse ist aber drüben.“ Wenn ich telefoniere und mich mit „Mark Pomorin“ melde, denkt der Gesprächspartner, er redet mit einem großen blonden Mann. Beim ersten Meeting erscheine ich. Die meisten nehmen das mit Humor, für andere bricht eine Welt zusammen.
Bringt es etwas, mit Rassisten zu reden?
Jeder ist in seinem Mikrokosmos ein Pionier und betreibt Aufklärungsarbeit. Sei es im Freundeskreis, wenn man dort Alltagsrassismus spürt und sagt: „Bis hierhin und nicht weiter.“ Das kann etwas bringen, wenn die Person sagt: „Das wusste ich ja gar nicht.“ Das ist die ständige Reaktion: „Ach so fühlst du dich.“
Nicht jeder kann mit einem Wertebotschafter reden. Gibt es Biographien, die du empfehlen kannst?
Ich hatte eine Phase, in der ich mich selbst finden wollte, und las viel von und über Malcom X. Ein Buch, das mich besonders gefesselt hat und immer noch fesselt, ist die Biographie von Nelson Mandela. Er beschreibt, wie man mit Menschen umgeht, die einem während der Apartheid Unrecht getan haben. Und er berichtet, wie er mit ihnen in einen Dialog tritt.
Was muss die Mehrheitsgesellschaft lernen?
Rassismus gibt es leider schon sehr lange. Der ist lange gewachsen und geht auch nicht von heute auf morgen. Das bedeutet, dass jeder einzelne lernen muss, damit umzugehen. Die Gesellschaft muss dazulernen. Ich glaube das passiert gerade.
Nach der „Black Lives Matter“-Demonstration Anfang Juni 2020 in Hamburg gab es auch Kritik am harten Vorgehen der Polizei gegen die teilweise sehr jungen Demonstranten.
Ich habe auch einige Polizisten im Bekanntenkreis. Man sollte nicht alle Beamten in einen Topf werfen. Ich bin auch wütend und habe mich bei Verallgemeinerungen erwischt. Das ist natürlich nicht so.
Das Interview ist in der SZENE Hamburg im Juli 2020 erschienen.
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