Taktik FC Bayern
FC Bayern: Wie Kompanys Spielidee in der Champions League an ihre Grenzen stößt
Die Gruppenphase hat offenbart, dass Vincent Kompanys taktischer Ansatz in der Champions League an seine Grenzen stößt. Zwar verfolgt Bayern einen klaren Plan mit dominantem Ballbesitz, aggressivem Pressing und einer hohen Verteidigungslinie, doch gegen gut organisierte Gegner mit schnellen Umschaltmomenten führte diese Spielweise zu unerwarteten Niederlagen. Eine Analyse von Marius Thomas
Als Vincent Kompany im Sommer die Nachfolge von Thomas Tuchel als Trainer beim FC Bayern antrat, wurde schnell klar, dass er eine klare Spielidee mitbringt: dominanter Ballbesitzfußball, aggressives Pressing und eine mutige, hohe Defensivlinie. Seine Philosophie basiert auf modernem Positionsspiel und einem strukturierten Aufbau von hinten heraus – Prinzipien, die er bereits bei Burnley erfolgreich etabliert hatte.
Doch während Bayern in der Bundesliga phasenweise überzeugte, offenbarte die Champions-League-Gruppenphase einige Schwächen. Unerwartete Niederlagen, auswärts gegen Feyenoord, Barcelona und Aston Villa, warfen Fragen auf: Ist Kompanys System auf höchstem Niveau bereits ausgereift? Wo liegen die taktischen Schwachstellen? Und vor allem: Welche Anpassungen sind nötig, um in der K.o.-Phase erfolgreicher zu sein?
Die Analyse von Kompanys taktische Grundprinzipien beim FC Bayern und zeigt anhand der problematischen Spiele auf, wo das System an seine Grenzen stößt – und welche Veränderungen in der entscheidenden Phase der Champions League notwendig wären.
Grundprinzipien von Kompanys Spielphilosophie
Seit seinem Amtsantritt beim FC Bayern verfolgt Vincent Kompany eine klare Spielphilosophie, die stark von Ballbesitz, Positionsspiel und aggressivem Pressing geprägt ist. Seine taktische Ausrichtung erinnert an moderne Ansätze von Trainern wie Pep Guardiola oder Roberto De Zerbi, kombiniert mit Elementen des intensiven Gegenpressings. Doch was macht Kompanys System aus – und wo liegen die potenziellen Schwachstellen?
Ballbesitz und strukturierter Spielaufbau
Kompany legt großen Wert auf einen kontrollierten Spielaufbau von hinten heraus. Seine Mannschaft versucht, das Spiel über die Innenverteidiger und den Sechser zu lenken, um den Gegner durch präzise Pässe und eine klare Struktur aus der Defensive zu locken. Die Außenverteidiger schieben hoch, während einer der zentralen Mittelfeldspieler (oft ein Achter) tief abkippt, um zusätzliche Passoptionen zu bieten. Ziel ist es, den Gegner durch geduldiges Aufbauspiel zu zermürben und dann im richtigen Moment das Tempo anzuziehen.
Hohe Pressinglinie und aggressive Balleroberung
Ein weiteres zentrales Element von Kompanys Spielweise ist das intensive Pressing. Bayern attackiert den Gegner oft schon in dessen eigener Hälfte und versucht, Ballverluste früh zu erzwingen. Dies setzt jedoch eine hohe defensive Kompaktheit und ein exzellentes Umschaltverhalten voraus – beides Faktoren, die gegen taktisch clevere Gegner problematisch werden können.
Flexible Formationen: 4-2-3-1 gegen den Ball, 3-2-5 in Ballbesitz
Taktisch variiert Kompany zwischen einem klassischen 4-3-3 im Defensivverhalten und einem 3-2-5 im eigenen Ballbesitz.
Dabei schieben die Außenverteidiger oft ins Mittelfeld, um zusätzliche Präsenz zwischen den Linien zu schaffen. Die Flügelstürmer bleiben breit, während die zentralen Mittelfeldspieler situativ in die Tiefe starten. Diese Variabilität sorgt zwar für offensive Dominanz, birgt aber Risiken – insbesondere bei Ballverlusten. Im gezeigten Standbild ist eine beispielhafte Szene gezeigt. Das heißt nicht, dass jeder Spieler immer unbedingt auf der Position, wie hier, sein muss. In der Offensive ist eine Variabilität wichtig.
Risiko durch hohe Abwehrlinie und offensive Außenverteidiger
Ein Markenzeichen von Kompanys Taktik ist die hohe Defensivlinie, mit der Bayern versucht, das Spielfeld so kompakt wie möglich zu halten. Diese Strategie funktioniert hervorragend gegen tiefstehende Teams, die kaum Kontergefahr ausstrahlen. Doch gegen Mannschaften mit schnellen Umschaltmomenten – wie gegen Feyenoord, Barcelona und Aston Villa deutlich wurde – kann sie zur Achillesferse werden. Besonders problematisch ist, dass die Außenverteidiger oft hoch positioniert sind, was die beiden Innenverteidiger bei schnellen Gegenstößen alleine zurücklässt.
Aston Villa – FC Bayern München
Das zweite Gruppenspiel gegen Aston Villa offenbarte früh in der Saison, dass Bayern Probleme mit schnellen, physischen Gegnern hat. Trotz spielerischer Überlegenheit fanden die Münchner nie richtig die Kontrolle über das Spiel, da Villas direkter, vertikaler Spielstil Bayerns Defensivstruktur immer wieder vor Herausforderungen stellte. Unsaubere Ballverluste im Mittelfeld und ein unzureichendes Umschaltverhalten führten dazu, dass Bayern in gefährliche Konter lief – ein Muster, das sich später in der Gruppenphase wiederholen sollte.
Unai Emerys Team entschied sich bewusst gegen ein hohes Pressing, wie es Barcelona und Feyenoord später erfolgreich praktizierten. Stattdessen ließ Villa Bayern das Spiel aufbauen, stellte aber gezielt Passwege ins zentrale Mittelfeld zu.
Sobald Bayern das Tempo erhöhte und nach vorne spielte, nutzte Villa zwei entscheidende Mechanismen:
Gezieltes Anlaufen nach Ballverlusten: Sobald Bayern in der eigenen Hälfte oder im Mittelfeld ins Pressing ging, versuchte Villa, den Ball schnell in die Spitze zu bringen. Die Münchner Sechser wurden unter Druck gesetzt und verloren einige entscheidende Zweikämpfe.
Schwächen in Bayerns Restverteidigung: Ein großes Problem war, dass Bayern bei Ballverlusten zu oft schlecht abgesichert war. Besonders auffällig war die zu langsame Rückwärtsbewegung der Sechser: Die zentralen Mittelfeldspieler, die sich in der Offensive einschalteten, schalteten oft zu spät um, sodass Villas Konter mit Tempo auf eine entblößte Bayern-Defensive trafen.
Schnelle Umschaltmomente über die Flügel: Die hoch aufgerückten Außenverteidiger von Bayern boten riesige Räume für Villas schnelle Flügelspieler. Besonders über die rechte Seite geriet Bayern immer wieder in Schwierigkeiten.
FC Barcelona – FC Bayern München
Flicks Mannschaft setzte Bayern mit aggressivem Pressing früh unter Druck und zwang die Münchner zu Fehlern im Spielaufbau. Während Bayern in der Bundesliga oft die Kontrolle über den Ball hat und das Spiel dominieren kann, zeigte sich gegen Barcelona, dass das Team noch nicht bereit war, mit intensivem, gut strukturiertem Pressing auf Champions-League-Niveau umzugehen.
Barcelonas Pressingstrategie: Bayerns Spielaufbau ersticken
Barcelona attackierte Bayerns Aufbau konsequent mit einer klaren Pressingmechanik:
Stürmer und offensive Mittelfeldspieler liefen Bayerns Innenverteidiger aggressiv an, sodass der Spielaufbau über Dayot Upamecano und Min-jae Kim hektisch und unpräzise wurde.
- Die Flügelspieler schoben auf Bayerns Außenverteidiger durch, sodass keine einfache Passoption auf dem Flügel verfügbar war.
- Der Sechser von Bayern (meist Joshua Kimmich) wurde konsequent zugestellt, sodass der zentrale Knotenpunkt für das Kombinationsspiel fehlte.
- Sobald Bayern einen unkontrollierten Pass ins Mittelfeld spielte, attackierte Barcelona sofort mit Ballgewinnen und schnellem Umschalten.
Aus dieser mannorientierten Formation heraus lenkte Barcelona Bayern auf eine Seite, wo sie sich stark zum Ball verschoben, um den Druck auf den Ballführenden zu maximieren. Dadurch waren sie nicht mehr nur auf die zunehmend riskante Abseitsfalle angewiesen. Das Spiel verlagerte sich deutlich häufiger in Bayerns Hälfte.
Bayerns Probleme: Hektik, ungenaue Pässe, fehlende Alternativen
- Unsaubere Pässe aus der Innenverteidigung: Sowohl Upamecano als auch Kim wirkten nervös unter Druck und spielten einige unpräzise oder riskante Bälle ins Zentrum, die Barcelona abfangen konnte.
- Kimmich isoliert und zugestellt: Da Bayerns zentrale Anspielstation zugestellt war, musste das Team auf riskante Pässe oder lange Bälle ausweichen.
- Mangelnde Anpassung im Spielverlauf: Anstatt mit flacheren Pässen und mehr Bewegungen im Mittelfeld das Pressing Barcelonas zu umgehen, blieb Bayern zu starr in seiner Struktur.
Bayern war nun gezwungen, deutlich höher anzugreifen, doch Hansi Flicks Barcelona nutzte Raphinhas Tempovorteile hervorragend aus. Er positionierte sich so weit wie möglich vom Ball entfernt gegen die etwas langsameren Guerreiro oder Kimmich, um bei einem Ballgewinn für einen tiefen Diagonalball anspielbar zu sein.
Sowohl das 3:1 als auch das 4:1 entstanden daraus, dass Barcelona den Ball eroberte und einen Diagonalpass auf den tief startenden Raphinha spielte, der Bayerns hohe Abwehrlinie im Laufduell mühelos überlief.
Feyenoord Rotterdam – FC Bayern München
Das siebte Gruppenspiel gegen Feyenoord war ein entscheidender Moment für Bayern in der Champions League. Nach den vorherigen Niederlagen gegen Aston Villa und Barcelona hätte das Team von Vincent Kompany die Lehren aus den vorherigen Spielen ziehen müssen. Doch stattdessen offenbarten sich gegen die Niederländer erneut ähnliche Probleme: Feyenoord nutzte Bayerns hohes Pressing geschickt aus, um gefährliche Umschaltsituationen zu kreieren, und deckte die Schwächen in der defensiven Absicherung schonungslos auf.
Feyenoords Spielweise: Bayerns Pressing ins Leere laufen lassen
Feyenoord entschied sich für einen mutigen Ansatz gegen Bayern. Anstatt sich von Bayerns Angriffspressing beeindrucken zu lassen, setzte die Mannschaft von Brian Priske auf eine klare Strategie, um das Pressing zu umspielen und Bayerns hoch aufgerückte Defensive zu attackieren. Die Schlüsselaspekte dabei waren:- Ruhe und Struktur im Spielaufbau: Feyenoords Innenverteidiger und Sechser ließen sich nicht zu hektischen Pässen verleiten, sondern suchten gezielt vertikale Anspielstationen.
- Gezielte Positionswechsel im Mittelfeld: Der zentrale Mittelfeldspieler ließ sich oft zurückfallen, um Bayerns Pressinglinie zu überspielen und das Spiel schnell nach vorne zu treiben.
- Schnelles Umschalten nach Ballgewinnen: Sobald Bayern im Angriff den Ball verlor, spielte Feyenoord sofort in die Spitze und nutzte die riesigen Räume hinter Bayerns Abwehr.
Bayerns Pressing wird zum eigenen Problem. Kompanys Taktik basiert darauf, den Gegner früh unter Druck zu setzen und Ballverluste in gefährlichen Zonen zu erzwingen. Doch gegen pressingresistente Teams wie Feyenoord wird dieses aggressive Vorgehen schnell zur eigenen Schwäche:
- Die Stürmer und Achter pressten zu hoch: Bayern setzte Feyenoords Verteidiger früh unter Druck, doch oft wurden die ersten Pressinglinien mit einfachen Doppelpässen oder langen Bällen ins Mittelfeld umspielt.
- Die Sechser waren oft überspielt: Kimmich und Laimer wurden durch Feyenoords Positionsspiel isoliert und konnten die schnellen Angriffe nicht mehr unterbinden.
- Die Innenverteidigung war zu oft in Eins-gegen-Eins-Duelle gezwungen: Upamecano und Kim mussten immer wieder gegen Feyenoords schnelle Stürmer verteidigen, was zu mehreren gefährlichen Situationen führte.
Besonders deutlich wurde das beim ersten der Gegentore: Bayern presste hoch, doch ein schneller Steckpass durch das Zentrum setzte den Feyenoord-Stürmer in Szene, der allein auf Manuel Neuer zulief und eiskalt verwandelte.
Feyenoord blieb im Aufbau ruhig und schlug den Ball nicht hektisch nach vorne. Durch Bewegungen im Zentrum machten sie sich immer wieder anspielbar. Hier rückt beispielsweise der linke Außenverteidiger ins Zentrum, um aus dem Deckungsschatten von Olise herauszukommen.
Mithilfe eines doppelten Doppelpasses kam Feyenoord schnell hinter die ersten beiden Pressinglinien des FC Bayern München, und das nur mit wenigen Ballkontakten.
Von dort hat der Ballführende nun einen freien Fuß und kann den Ball auf den startenden Stürmer hinter die Abwehrkette spielen. Von dort kann der Stürmer dann frei auf das Tor von Manuel Neuer zulaufen und den Ball im Netz unterbringen.
Erneut gab es Schwächen in der Restverteidigung. Ein weiteres großes Problem war Bayerns fehlende defensive Absicherung bei eigenem Ballbesitz. Die Münchner agierten mit einer extrem hohen Abwehrlinie, doch es fehlte die Balance zwischen Offensive und Absicherung:
- Außenverteidiger zu offensiv: Beide Außenverteidiger standen hoch, sodass Feyenoord oft über die Flügel kontern konnte.
- Fehlende Absicherung im Mittelfeld: Da Kimmich und Laimer sich in den Angriff einschalteten, fehlte eine tiefere Positionierung, um Konter zu unterbinden.
Anpassungen für die K.-o.-Phase – Was Kompany ändern muss, um mit Bayern weiterzukommen
Die Gruppenphase hat offenbart, dass Vincent Kompanys taktischer Ansatz in der Champions League an seine Grenzen stößt. Zwar verfolgt Bayern einen klaren Plan mit dominantem Ballbesitz, aggressivem Pressing und einer hohen Verteidigungslinie, doch gegen gut organisierte Gegner mit schnellen Umschaltmomenten führte diese Spielweise zu unerwarteten Niederlagen. Besonders die Partien gegen Aston Villa, Barcelona und Feyenoord zeigten, dass Bayerns hohes Pressing, der mutige Spielaufbau und die offensive Grundstruktur immer wieder ausgenutzt wurden. Um in der K.-o.-Phase nicht erneut unter die Räder zu kommen, sind gezielte Anpassungen erforderlich, die für mehr defensive Stabilität und taktische Flexibilität sorgen.
Ein zentrales Problem war das verbitterte Angriffspressing. Gegen pressingresistente Teams wie Barcelona und Feyenoord geriet Bayern immer wieder in Schwierigkeiten, wenn die erste Pressinglinie überspielt wurde. Statt in jeder Situation hoch anzulaufen, muss Kompany flexibler agieren und je nach Gegner situativ das Pressing variieren. Ein gezieltes Zurückziehen in bestimmten Spielphasen könnte verhindern, dass Bayern zu leicht ausgespielt wird. Zudem ist ein effektiveres Gegenpressing nach Ballverlusten notwendig, um dem Gegner keine einfachen Kontermöglichkeiten zu bieten.
Ebenso muss die Restverteidigung dringend stabilisiert werden. In der Gruppenphase wurden Bayerns Innenverteidiger immer wieder in Eins-gegen-Eins-Duelle gezwungen, weil die Außenverteidiger hoch aufgerückt waren und das zentrale Mittelfeld nicht konsequent absicherte. Um dies zu beheben, sollte mindestens ein Sechser tiefer stehen, um die Räume vor der Abwehr zu schließen. Gleichzeitig muss die Abwehrlinie in bestimmten Spielsituationen tiefer positioniert werden, um schnelle Stürmer nicht permanent in Laufduelle zu schicken. Eine kompaktere Defensivorganisation könnte verhindern, dass Bayern erneut durch Konter bestraft wird.
Auch im eigenen Spielaufbau muss Bayern Lösungen gegen hohes Pressing finden. Das Spiel gegen Barcelona zeigte, dass Bayerns Verteidiger und Sechser oft keine klaren Anspielstationen hatten, wenn sie früh attackiert wurden. Eine größere Variabilität im Aufbau – etwa durch das gezielte Einbinden von Manuel Neuer als zusätzlichen Passgeber oder durch vermehrte Nutzung der Außenbahnen – könnte helfen, das gegnerische Pressing zu umspielen. Zudem sollten sich die zentralen Mittelfeldspieler besser freilaufen, um in Drucksituationen anspielbar zu bleiben.
Schließlich braucht Bayern mehr taktische Flexibilität. Die Gruppenphase hat gezeigt, dass Kompanys Bayern in vielen Spielen zu vorhersehbar war. Ein starres Festhalten an einem bestimmten Spielstil kann gegen gut vorbereitete Gegner zum Verhängnis werden. Statt immer auf dominante Ballkontrolle und hohes Angriffspressing zu setzen, sollte Bayern phasenweise auch das Tempo drosseln und den Gegner kommen lassen, um dann selbst Umschaltmomente zu kreieren. Auch gezieltere Anpassungen innerhalb eines Spiels – etwa durch Umstellungen in der Grundordnung oder durch taktische Wechsel – könnten in der K.-o.-Phase entscheidend sein.
Ob Kompany aus den Fehlern der Gruppenphase lernt, wird darüber entscheiden, wie weit Bayern in der Champions League kommt. Die Qualität im Kader ist unbestritten hoch, doch ohne eine bessere Balance zwischen Offensive und Absicherung droht Bayern auch in der K.-o.-Runde an den gleichen Problemen zu scheitern. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Kompany die richtigen Schlüsse zieht – oder ob sein mutiger, aber riskanter Ansatz Bayerns Ambitionen in der Champions League erneut gefährden wird.
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