Taktik Nationalelf

Wie die Arsenal-Ecke Schule macht

Newcastle führt kurz aus, die Münchner blocken Harry Kane und Barcelona flankt aus dem Halbfeld: Bei Topmannschaften sind Tore nach Standards keine Zufallsprodukte. Eine Analyse von Marius Thomas

Eckball

Ecke für den FC Sevilla. Foto Sebastian Vollmert

 

Standardsituationen spielen im modernen Fußball eine entscheidende Rolle. Ob Ecken, Freistöße oder Einwürfe – gut einstudierte Varianten können den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Viele Teams investieren gezielt in das Training von Standards, da sie eine effektive Möglichkeit bieten, selbst defensivstarke Gegner zu überwinden. Statistiken zeigen, dass ein erheblicher Anteil der Tore im Profifußball nach Standards fällt. Besonders bei Topteams sind einstudierte Varianten keine Zufallsprodukte, sondern das Ergebnis detaillierter Analysen und gezielter Trainingsarbeit. Während einige Mannschaften klassische hohe Flanken bevorzugen, setzen andere auf Kurzpässe oder strategische Laufwege, um Räume zu öffnen. Drei aktuelle Standardvarianten sind am erfolgreichsten: Eine kurze Ecke von Newcastle United, eine Eckballvariante des FC Bayern München mit Blockbildung wie zuletzt gegen Celtic Glasgow in der Champions League  sowie eine Flanke aus dem Rückraum nach einer Ecke vom FC Barcelona. Drei Beispiele zeigen, wie durch kreative und taktisch clevere Lösungen Tore erzielt werden können.

 

Newcastle United – kurze Variante
Am 14. Spieltag der Premier League war Leicester City zu Gast beim letztjährigen Champions-League-Teilnehmer Newcastle United. Beim 4:0 Heimerfolg der Magpies erzielten sie das erste Tor nach einer kurz ausgeführten Ecke. Wie kam es dazu?

 


Die Ausgangssituation: Newcastle hat einen Spieler für ein kurzes Anspiel in der Nähe des Eckballschützen. Ein weiterer Spieler befindet sich in der Verlängerung des Strafraumecks. Dagegen stellt Leicester nur einen Spieler, der bei kurzem Anspiel rausrückt. Sonst befinden sich die Verteidiger in einer Mischung aus Raum- und Manndeckung. Die Ecke wird kurz ausgeführt und der Ball kommt zum Spieler mit der Nummer 2 in der Darstellung.

 


Nach Zuspiel hinterlaufen sowohl der Spieler, der zuvor am Strafraumeck positioniert war, als auch der eigentliche Eckballschütze. Der Verteidiger rückt auf den Ballführenden heraus, der wiederum ins Zentrum andribbelt, um den Verteidiger zu binden.

 

 
Durch das Binden des Gegenspielers entsteht auf dem Flügel ein 2 vs. 1. Hier muss der Ball einfach nur in den Lauf gelegt werden und der Gegenspieler hat kaum eine Chance das zu verteidigen. Der Eckballschütze, der nach innen hinterlaufen ist, zieht den gegnerischen Spieler vom ersten Pfosten weg. Die fünf Spieler im Strafraum ziehen mit Zuspiel zum Tor, um den Rückraum zu öffnen und die Gegenspieler wegzuziehen.

 

 
Jetzt kann der Ball in den Rückraum abgelegt werden, da fast alle Gegenspieler im eigenen Fünfmeterraum sind.

 

 
Hier erkennt man jetzt gut, dass der Spieler aus knapp 16 Metern keinen Gegnerdruck hat und direkt aufs Tor schießen kann. Die Gegenspieler aus dem Rückraum wegzuziehen hat nicht nur den Vorteil, dass der Schütze dort genug Platz hat, sondern auch dass dann anschließend alle Spieler im Sichtfeld des Keepers stehen.

 

Arsenal-Eckball beim FC Bayern München
Die Standardstärke des FC Arsenal wurde diese Saison schon oft thematisiert. Eine Eckballvariante wurde im UEFA Champions League Playoff Hinspiel vom FC Bayern München gegen Celtic Glasgow genutzt, um mit 0:2 in Führung zu gehen. Wie genau diese Variante zum Erfolg führen kann, wird jetzt analysiert und erklärt.

 

 
Zur Ausgangssituation: Kimmich ist der Eckballschütze und Musiala war für das kurze Anspiel bereit, um einen Spieler aus dem Strafraum rauszuziehen. Im Sechzehner sieht man fünf Bayernspieler und sechs Verteidiger. Dabei agiert Celtic in einer Mischung aus Mann- und Raumdeckung.

 

 
Kurz bevor der Eckball ausgeführt wird, laufen Dier (15), Goretzka (8) und Guerreiro (22) Richtung kurzer Pfosten, um die Gegenspieler wegzuziehen. Upamecano läuft zudem vom Elfmeterpunkt zum Tor. Durch diese Bewegungen wird der Raum am zweiten Pfosten frei, an dem Harry Kane ohne direkten Gegenspieler positioniert ist. Wichtig ist hier auch das aktive Blocken von Guerreiro. Der Ball wird gezielt auf den zweiten Pfosten gespielt, damit er vorher nicht geklärt werden kann oder der Torhüter ihn abfangen kann.

 

 
Dort steht, wie bereits erwähnt, Kane ohne direkten Gegenspieler und Gegnerdruck und kann den Ball aus vier Metern im Tor unterbringen. Der Ball wurde über die Köpfe hinweg gespielt und kann trotzdem am zweiten Pfosten mit dem Fuß direkt aus der Luft genommen werden.

 

FC Barcelona – Flanke aus dem Halbfeld
Bei der dritten Variante handelt es sich um einen Standard des FC Barcelona im Spiel gegen den FC Sevilla zur 1:0 Führung aus Sicht der Katalanen. Hierbei sind Präzision im Passspiel, Kopfballstärke und die richtigen Laufwege zum entscheidenden Zeitpunkt wichtig.

 


Zur Ausgangslage: Barcelona hat zwei Spieler für eine kurze Ausführung an der Eckfahne positioniert. Raphinha ist im Rückraum während fünf Angreifer im Strafraum auf Höhe des ersten Pfostens positioniert sind. Die Ecke wird kurz ausgeführt und so entsteht ein 2 vs. 1 an der Eckfahne.

 

 
Lamine Yamal dribbelt mit dem Ball an, während er vom Eckenschützen hinterlaufen wird. Gleichzeitig positioniert sich Raphinha im Rückraum so, dass er anspielbar wird und aus dem Deckungsschatten des zweiten rausrückenden Verteidigers rauskommt. Im Strafraum ist noch wenig Aktivität und die Situation dort bleibt unverändert.

 

 
Raphinha hat wenig Druck bei der Flanke auf den zweiten Pfosten. Dort haben sich zwei kopfballstarke Spieler von Barcelona abgesetzt, um das Kopfballduell zu gewinnen. Lewandowski ist im Zentrum positioniert, um dann auf den ersten Pfosten gehen zu können. Außerdem kommt Lamine Yamal von außen mit in den Strafraum.

 


Vom zweiten Pfosten wird der Ball nicht direkt aufs Tor geköpft, sondern an den ersten Pfosten gelegt. Während Lewandowski einen direkten Gegenspieler hat, kann Yamal ohne diesen ebenfalls in die gefährliche Zone laufen. Durch die Flanke von Raphinha sind gleich sechs Verteidiger überspielt, die nichtmehr eingreifen können.

 

 
Jetzt sieht man, dass am ersten Pfosten sowohl Lewandowski als auch Lamine Yamal einschussbereit sind gegen nur einen Verteidiger. Aus drei Metern kann der Ball nun im Tor untergebracht werden.

 

Fazit
Die Analyse dieser drei Eckballvarianten zeigt, wie wichtig Standardsituationen im modernen Fußball sind. Erfolgreiche Teams nutzen nicht nur individuelle Qualität, sondern auch präzise einstudierte Abläufe, um ihre Gegner zu überlisten. Newcastle United demonstriert, wie eine kurze Ecke durch Überzahl auf dem Flügel und clevere Laufwege gefährliche Abschlüsse ermöglicht. Der FC Bayern nutzt eine Variante, die durch Blockbewegungen gezielt Räume schafft, um Harry Kane in eine optimale Abschlussposition zu bringen. Der FC Barcelona wiederum zeigt, wie eine Flanke aus dem Halbfeld mit abgestimmten Kopfballweiterleitungen Verteidigungen aushebeln kann. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Standards weit mehr sind als nur Zufallsprodukte. Mit gezieltem Training, strategischer Planung und taktischer Disziplin können sie zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg werden. Gerade in engen Spielen sind sie oft der Schlüssel zum Sieg – ein Grund, warum Top-Teams so viel Wert auf ihre Optimierung legen.
 

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