HEIMSPIEL
Der Busfahrer
Er war der Trendsetter: Andreas Reinke, der ehemalige Torhüter des SV Werder Bremen, fuhr über 2800 Kilometer in drei Tagen im eigenen VW-Bus. Aufgezeichnet von Oliver Lück.

Andreas Reinke

Noch nie eine Panne: Andreas Reinke mit seinem "Bussi" Foto Benne Ochs



Ich hatte noch nie eine Panne, mein VW-Bus läuft super. Ich musste ihn nur rundum etwas liften, da der Lack an einigen Stellen abgeplatzt war. 160 Stundenkilometer schafft er, meist fahre ich aber nur 130. Vor acht Jahren habe ich ihn gekauft. Es ist ein Multivan Topstar mit Wohnmobilzulassung. Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich nur: Was ist denn das für eine hässliche Karre? Allein die Farbe: mintgrün – leuchtet sogar im Dunkeln. Nach drei Tagen wollte ich ihn aber nicht mehr hergeben. Obwohl er damals schon teuer war, fast 70.000 Mark habe ich bezahlt. Er war aber fast neu, ein Vorführwagen, gerade mal zwei Monate alt.

GÜ ist das Kennzeichen für Güstrow, wo ich aufgewachsen bin. Dort sind auch früher schon viele meiner Bekannten Bus gefahren. Ich habe einen LKW-Führerschein. Mit dem Einparken hatte ich daher nie Probleme. Ich war häufig für die Firma meines Vaters mit einem 7,5-Tonner und einem Anhänger unterwegs – geladen hatte ich Fischdosen. Und als ich noch Amateur beim HSV war, bin ich nebenbei Laster gefahren, um Geld zu verdienen. Morgens um sechs aufstehen und seine Schicht fahren, das ist immer ehrlich – würde ich heute noch machen. Mit meinem Bus ist das auch ein bisschen wie im LKW: Man hat die ganze Straße im Blick und fährt gelassen vor sich hin – wie auf einem Thron. Es kommt regelmäßig vor, dass sich Freunde meinen Bus für Umzüge ausleihen. Und letztes Jahr im Mai sind sieben Leute zum Pokalendspiel gegen Aachen nach Berlin gefahren.

Zu meinem Bussi habe ich eine richtige Beziehung aufgebaut. Obwohl ich schon einige gute Angebote hatte, werde ich ihn nie verkaufen – der ist unbezahlbar. Ich fühle mich frei, wenn ich im Bus unterwegs bin. Du hast deine Ruhe, frische Luft und kommst überall hin. Einfach Tür auf und genießen. Wenn ich die Rückbank umklappe, habe ich ruckzuck das beste Bett der Welt. Es gibt nicht viel Schnickschnack bei mir. Die Getränkehalter sind leider etwas kaputt und natürlich nur für Saft. Eine Kühlbox, die über Zigarettenanzünder läuft, ist der einzige Luxus. Die darf ich allerdings nicht über Nacht anlassen, da sonst am Morgen die Batterie leer ist – vielleicht baue ich bald mal eine zweite ein. Das Einzige, was ich nachträglich noch eingerichtet habe, sind die getönten Scheiben – wegen der Kinder. Im Sommer würde es sonst zu heiß werden im Auto. Wenn ich mit meinen drei Kindern im Bus unterwegs bin, ist das das Beste, was ich mir vorstellen kann. Für die ist das ideal: Es gibt viel Platz zum Spielen. Es ist wunderschön, wenn sie mit so einem Gefühl von Freiheit aufwachsen können.

Ich fahre rund 25.000 Kilometer im Jahr. Jetzt hat er rund 170.000 gelaufen – für einen Diesel ist das nicht viel. Klar würde ich den Bus gerne häufiger nutzen und regelmäßig übers Wochenende wegfahren. Solange ich noch Profifußball spiele, geht das natürlich nicht. Aber hin und wieder fahre ich schon mal gemeinsam mit meiner Freundin in den Wald – zum Pilze oder Brombeeren sammeln. Mein großer Traum ist es mehrere Monate im Bus zu reisen – immer an der Atlantikküste entlang, bis runter nach Portugal. Auch an der Nordküste Spaniens ist es wunderschön. Es gibt dort unglaubliche Städte und Strände.

Als ich noch in Murcia gespielt habe, bin ich regelmäßig zum Strand und habe dort im Bus übernachtet. Mein damaliger Teamkollege Xavi Valero hatte auch einen VW-Bus – sogar selbst ausgebaut. Mit dem ist er auch quer durch Europa gefahren, bis nach Irland und Schottland rauf. Nachdem Training sind wir in unseren Bussen oft gemeinsam durch die Gegend. Im Verein nannte man uns immer die beiden Busfahrer. In Spanien wurde meiner aber auch schon mal aufgebrochen: Alle Klamotten waren durchgewühlt, geklaut wurde nichts. Auch meine Torwarthandschuhe und die ersten Fußballschuhe meines Sohnes, die am Rückspiegel hängen, waren noch da. Keine Ahnung, was die bei mir gesucht haben.

Die Strecke von Murcia nach Bremen habe ich in drei Tagen geschafft. Das sind immerhin 2800 Kilometer. Es war vor zwei Jahren Ende Juni und mit einigen längeren Zwischenstopps sogar sehr entspannt: Ich habe alle meine Sachen und einen kleinen Weinvorrat in den Bus geschmissen und bin erst mal bis nach Barcelona gefahren. Nach drei Stunden am Strand ging es weiter. Dann noch einen Nachmittag in einem französischen Bergdorf, etwas Stau vor Lyon und schon war ich in Kaiserslautern, wo ich noch schnell einen Freund zum Geburtstag überraschen konnte. Abends kam ich in Bremen an und hatte am nächsten Morgen mein erstes Training bei Werder. Das war mein Sommerurlaub.

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