HEIMSPIEL

„Ich träume oft von schönen Toren“

Gerald Asamoah weiß, wie sich ein Fußballprofi am besten erholt. Der ehemalige Nationalspieler schläft liebend gerne und tankt so die Energie, die er für seinen anstrengenden Spielstil braucht. Aufgezeichnet von Oliver Lück

 

Gerald Asamoah

Foto Axl Jansen



Schlafen ist für mich sehr, sehr wichtig. Gerade wir Profis müssen uns möglichst ausruhen und brauchen viel Schlaf. Wenn man nicht genug schläft, leidet die Leistung. Ich liege viel auf dem Bett oder auf der Couch. Sieben oder acht Stunden brauche ich, um mich am nächsten Tag wohl zu fühlen und sagen zu können: „Jetzt hast du aber richtig gut geschlafen.“ Ich wache allerdings auch hin und wieder mal auf und kann nicht mehr einschlafen, weil ich das Gefühl habe, was zu verpassen. Dann muss ich aufstehen und schalte den Fernseher ein. Ich habe einen großen Fernseher in meinem Schlafzimmer. Ohne geht es nicht. Aufwachen und Glotze an, das mache ich immer so. Auch wenn ich nachts aufwache, dann laufen die Wiederholungen. Leise natürlich, damit meine Frau nicht aufwacht. Auch morgens bleibe ich noch etwas länger im Bett und gucke mir ein paar Sendungen an. Dann stehe ich gegen halb neun oder neun auf, brauche aber noch etwas, um wach zu werden.

Seit einigen Jahren habe ich ein Wasserbett, der Mannschaftsarzt vom FC Schalke 04 hat mir das damals empfohlen. Soll gut für den Rücken sein. Es schläft sich ganz hervorragend darauf. Man kann es verschieden hart einstellen – bei 30 Prozent versinkt man. Ich habe 70 Prozent. Wenn ich mich bewege, bewegt sich das Bett noch ein bisschen mit, es ist aber fest genug, um ruhig zu liegen. Ich kann sowieso überall schlafen und gewöhne mich auch schnell an fremde Betten. Und mittags nicke ich häufiger mal auf der Couch ein. Das passiert einfach so. Zack, und weg bin ich. Völlig verrückt macht mich aber, wenn eine Mücke oder eine Fliege im Zimmer ist und an meinem Ohr herumsummt. Das ist das Schlimmste. Dann muss ich das Licht anmachen, hocke im Bett und muss das Ding unbedingt platt machen. Bislang habe ich aber noch jede Mücke bekommen.

Im Mannschaftshotel habe ich mein festes Zimmer, bei Schalke hatte ich ein Einzelzimmer. Ich mag es nicht, wenn ein Mannschaftskollege neben mir liegt. Alleine fühle ich mich wohler. Auch weil ich manchmal schnarche, wenn ich sehr müde bin. Meine Frau hat sich schon daran gewöhnt. Nur im Mannschaftsbus bin ich etwas vorsichtiger mit dem Schlafen. Da muss ich immer aufpassen, dass die Kollegen keine Streiche mit mir spielen – wohl auch, weil ich ein Kandidat bin, der viel Scheiße mit seinen Mitspielern macht. Wenn ich vor Bundesligaspielen nachts aufwache und nervös bin, kann ich oft nur schwer wieder einschlafen. Das ist echt blöd, wenn ich dann da liege und mich hin und her wälze. Dann muss ich mich richtig zwingen – auch ohne Fernseher. So etwas wie Schäfchen zählen mache ich aber nicht. Ich schließe einfach die Augen und sage mir: „Gerald, du musst jetzt schlafen!“ Immer wieder. Und irgendwann penne ich dann ein. Auch nach Spielen schlafe ich gar nicht gut, da mir viele Situationen noch mal durch den Kopf gehen und ich noch sehr angespannt bin. Auch dann lenke ich mich mit Fernsehen ab. Das ist bei vielen Spielern von uns so.

Oft fahre ich mir zum Einschlafen eine DVD rein oder höre Musik, Gospelgesänge zum Beispiel. Da reichen ein paar Minuten, und zack. Das liegt wohl auch daran, dass ich früher in Ghana von meinem neunten bis zwölften Lebensjahr im Internat war. Da lagen wir mit zehn Leuten auf einem Zimmer, das Licht wurde ausgemacht und man musste schlafen, ohne Gutenachtgeschichte oder offenen Türspalt. Morgens hatte dann jeder seine Aufgabe. Ich musste um halb fünf aufstehen, um die Kaninchen zu füttern und die Käfige sauber zu machen – jeden Morgen, drei Jahre lang. Vielleicht schlafe ich deshalb heute so gerne. Manchmal stelle ich mir den Wecker immer noch mal fünf Minuten weiter. Es ist mir auch schon häufig passiert, dass ich ihn ausgemacht und das Training verschlafen habe. Das Gefühl, wenn du merkst, dass du verschlafen hast, ist echt scheiße. Zunächst weiß ich immer gar nicht, was ich zuerst tun soll. Zähne putzen kannst du sowieso vergessen. Schnell in die Klamotten und los. Natürlich musste ich immer eine Geldstrafe in die Mannschaftskasse zahlen.

An meine Träume erinnere ich mich oft. Und manchmal träume ich echt komische Sachen. Natürlich auch vom Fußball, dass ich besonders viele und schöne Tore schieße zum Beispiel. Tore, die ich so noch nie geschossen habe: volley in den Winkel oder Fallrückzieher. Oder dass ich mal bei anderen Vereinen spiele. Das hat aber nichts damit zu tun, dass mir Schalke nicht mehr gefällt, ganz im Gegenteil. Weltmeister oder deutscher Meister bin ich in meinen Träumen allerdings noch nie geworden – das wäre sicher mal schön. Natürlich habe ich hin und wieder einen Albtraum, einmal einen ganz schlimmen, da war jemand aus meiner Familie gestorben. Mann, war ich froh, als ich aufgewacht bin.

Es gab auch schon ungewöhnliche oder gefährliche Situationen, in denen ich eingeschlafen bin. Einmal nachts auf der Autobahn von Gelsenkirchen nach Hannover, ich wollte meine Eltern besuchen. Da hatte ich am Steuer einen Sekundenschlaf. Das war echt knapp. Da habe ich das Fenster aufgemacht, mit der frischen Luft ging es wieder. Wenn ich mal bei einem Kumpel schlafe, ein bisschen was getrunken habe und in der Nacht aufwache, kenne ich es auch, dass ich im ersten Moment gar nicht weiß, wo ich bin. Das ist schon ein komisches Gefühl, passiert aber nicht so oft, da ich meistens noch nach Hause komme. Und einmal bin ich auf einem Stuhl in der Disko eingepennt. Meine Freunde hatten noch nicht heimgehen wollen, ich war aber todmüde. Für die Leute muss das richtig komisch ausgesehen haben: „Hey, guck mal, da auf dem Stuhl pennt Gerald Asamoah!“ Mir egal, ich schlafe halt gerne.

 

Das Interview ist in RUND #5_12_2005 erschienen.

Gerald Asamoah

Foto Axl Jansen

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