Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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INTERVIEW TEIL 1
„Als Spieler hab ich es leichter regeln können“
Mit 49 Jahren ist Österreichs Fußballidol noch einmal in der ersten Liga der Alpenrepublik angekommen. Seit Saisonbeginn trainiert er Admira Wacker Mödling. Henning Klefisch hat Polster zum Interview südlich von Wien getroffen.

 

 Toni PolsterTrainer beim österreichischen Erstligisten Admira Wacker: Toni Polster. Foto Pixathlon

 

RUND: Herr Polster, Ihre Karriere haben Sie 2000 beendet, wie kam es, dass es so lange gedauert hat, bis Sie Trainer wurden?
Toni Polster: Wir können gerne du sagen.

RUND: Ja, gerne.
Toni Polster: Bei Borussia Mönchengladbach bin ich im Marketing tätig gewesen, weshalb ich die Trainerprüfung nicht absolvieren konnte. Nach der Trennung von Austria Wien war es das Einzige, was mir wahrlich noch gefehlt hat. Dann habe ich die Trainerprüfung abgelegt. Parallel zur Trainerprüfung musst du auch die Praxis absolvieren. Dies hab ich auch gemacht. Allerdings nicht mit dem Gedanken, sofort Trainer zu werden, sondern erst einmal herauszufinden, ob mir das gefällt, ob ich das auch in Zukunft machen möchte. Sofort ist es losgegangen mit Aufstieg Linzer AK-Amateure, Meistertitel Linzer AK-Amateure. Dann bin ich nach Wien zurück und bin mit der Wiener Viktoria zweimal Meister geworden. Bei Viktoria hab ich auch das Potenzial in der Mannschaft gesehen und bemerkt, dass ich die Mannschaft besser machen kann. Das es dann tatsächlich mit dem Pokalsieg und einem Meistertitel endet, hab ich selbst nicht zu träumen gewagt.  Ehrlich muss ich auch konstatieren, dass sich die Angebote sicherlich nicht gestapelt haben. Jetzt kam das Angebot Bundesligatrainer zu werden. Die Freude darüber ist sicherlich groß. Dennoch habe ich keinen Tag Urlaub gehabt. Ich habe aufgehört und direkt wieder angefangen. Jetzt möchte ich auch hier den größtmöglichen Erfolg haben.

RUND: Wie sieht deine Spielidee aus?
Toni Polster: Meine Mannschaft soll gut Fußball spielen. Das Fundament des Erfolgs ist es guten Fußball zu spielen. Wenn du immer gut Fußball spielst, hast du immer mehr prozentuale Möglichkeiten ein Spiel zu gewinnen, als umgekehrt. Zudem muss mein Team taktisch immer auf der Höhe sein. Das gute Fußballspielen war mir immer sehr, sehr wichtig. Nicht nur den Ball nach vorne schießen und hoffen, dass es zu einem Tor kommt. Als Spieler habe ich es leichter regeln können. Ich wusste, wenn ich 25 Tore erziele, stehen die Vereine Schlange. Als Spieler erhältst du dann lukrative Angebote. Als Trainer ist dies jedoch deutlich schwieriger. Ich träume nicht, sondern mache das, was mir Spaß macht. Wohin das führen wird, weiß ich derzeit noch nicht.

RUND: Im modernen Fußball wird längst mit Mentaltrainern gearbeitet, um
auch im psychologischen Bereich das Maximale herausholen zu können. Wie stehst du dazu?
Toni Polster: Ich halte etwas davon. Eine Stunde Neuromotorik ist Pflicht in der Woche. Mentales Training entscheiden die Spieler bei uns selbst. Erwiesenermaßen gibt es auch Spieler, die keine Rampensäue sind. Durch mentales Training könnten sie vielleicht auch im Spiel ein paar Prozent stärker werden.  Dies geschieht alles auf freiwilliger Basis.Irgendwann muss man jedoch auch mal abschalten können, sonst bin ich doch betriebsblind. Ich lasse mir auch von anderen Leuten helfen und mache nicht alles alleine. Das muss man zulassen, sonst bin ich in einer Sackgasse,aus der man nicht mehr rauskommt. Dann ist es eine ganz gefährliche Situation.

RUND: Du musstest lange warten, um als Trainer bei einem Erstligisten arbeiten zu können.
Toni Polster: Ob ich es verdient habe, weiß ich nicht. Ich habe viele Jahre dafür gearbeitet, um mein Ziel Bundesliga-Trainer zu werden, ermöglichen zu können. Ich muss sagen, dass es immer viel mehr Spaß macht, wenn du viel gewinnst. Mit der Viktoria und dem LASK Amateure habe ich wirklich soviel gewonnen. Es hat wirklich riesig Spaß gemacht.

RUND: Du hast bei zahlreichen Vereinen in Europa unter bekannten Trainern gespielt.
Welche Trainer haben dich geprägt in deiner langen aktiven Karriere?
Toni Polster: Natürlich schaut man sich gewisse Dinge von den ehemaligen Trainern ab. Man lernt bekanntlich nie aus. Meine Arbeit ist die Summe der guten Sachen von vielen Trainern, die ich in all den Jahren gehabt habe. Von Herbert Prohaska, Morten Olsen über José Antonio Camacho in Madrid.

RUND: Woran kann es liegen, dass Stürmer grundsätzlich im Vergleich zu Mittelfeldspielern und Abwehrspielern eher seltener in den Trainerbereich gehen?
Toni Polster: Vielleicht beschäftigen sich Mittelfeldspieler und Abwehrspieler schon viel früher mit Organisation, Einteilung und Struktur der Mannschaft. Das ist auch nicht völlig unverständlich. Wir Stürmer kommen bekanntlich nicht so von der Taktik. Unser Einsatz ist in der Defensive meist überschaubar. In der Offensive ist wichtig, dass man die Tore erzielen kann. Es ist auch sehr wichtig, dass du die Balance in der Mannschaft besitzt. Es bringt doch auch nichts, wenn du drei Treffer schießt, aber sechs Gegentreffer bekommst. Eine Erinnerung an meine Kölner-Zeit.

RUND: Seit Beginn dieser Saison ist dein Landsmann Peter Stöger Cheftrainer bei den Ex-Klub 1. FC Köln. Schafft er den Bundesligaaufstieg?
Toni Polster: Ich bin über die Personalpolitik des FC nicht genauestens informiert. Köln hat immer die Chance aufzusteigen. Du hast ein fantastisches Publikum im Rücken. Natürlich ist es nicht einfach. Sie haben ihren Etat zurückgefahren und haben eine gewaltige Konkurrenz.

RUND: Ist es für Peter Stöger ein Rückschritt gewesen, vom österreichischen Meister Austria Wien zum Zweitligisten 1. FC Köln zu gehen?
Toni Polster: Wir müssen hier kleinere Brötchen backen. In Deutschland ist das Umfeld viel größer. Vom Marketing, Merchandising, Traditionsvereine und natürlich dem Medieninteresse ist vieles größer. Deshalb ist dieser Wechsel von Stöger nach Köln absolut verständlich.

RUND: Könnte Köln auch zu einem zweiten 1860 München mutieren: Kaum Geld, aber ein schönes Stadion mit vielen Fans?
Toni Polster: Möglich ist dies natürlich, aber dies hofft man natürlich nicht als Fan. Ich würde es dem Peter Stöger natürlich absolut gönnen, dass er den Aufstieg packt. Auch für uns österreichische Trainer wäre es natürlich super, wenn er erfolgreich sein wird. Dann sieht man auch, dass die österreichischen Trainer was können.

 

Toni PolsterAls Generalmanager von Austria Wien: Toni Polster im Sommer 2005
Foto Pixathlon

 

RUND: Beim Kreisligisten Weiden warst du Präsident: Was hat damals den Ausschlag für dieses ungewöhnliche Engagement gegeben?
Toni Polster: Damit habe ich zeigen können, dass solch eine Prominenz nützen kann, um Kindern zu helfen, die unter ziemlich schlechten Bedingungen trainieren mussten. Aus diesem Grund habe ich dieses Amt ausgeübt. Auch  dass mein Sohn dort gespielt hat, war auch ein Mitgrund. Durch meine Spielertätigkeit beim 1. FC Köln habe ich viele Leute gekannt, die uns dann geholfen haben, die Situation für die Kinder zu verbessern.

RUND: 1998 bist du mit dem 1. FC Köln abgestiegen. Du hast stets gesagt, dass mit mir der FC nicht absteigt. Warum ist es dennoch passiert?
Toni Polster: Ohne überheblich zu sein, fünf Jahre war ich dort und habe vier Jahre den Verein mit meinen Toren vor dem Abstieg gerettet. Wenn du jedes Jahr an der Tür zum Abstieg anklopfst, geht sie irgendwann auch auf. Im fünften Jahr ist sie aufgegangen.

RUND: Was waren die größten Fehler?
Toni Polster: Die Defensive war ein großes Manko. Wir sind jedes Jahr immer schlechter geworden. Wir haben so viele Gegentreffer bekomme. So viele Tore  hätten wir gar nicht schießen können. Die Balance in der Mannschaft hat nicht gestimmt?

RUND: Du hast damals nach dem Spiel gegen den FC Schalke 04 über den handspielenden Schalker Oliver Held gesagt: „Ich wünsche ihm ein ganzes Leben kein Glück mehr.“ Würden Sie heute mit ihm ein Bierchen trinken?
Toni Polster: Ich bin kein nachtragender Mensch, aber dies war eine Aktion, die vielleicht verständlich auf der einen Seite ist, aber auf der anderen Seite mit Fair Play nichts zu tun hat. Man kann es ein wenig verstehen. Noch viel weniger ist zu verstehen, dass die drei Schiedsrichter bei dieser Aktion weggesehen haben. So traurig es ist, kann solch ein Abstieg auch ein reinigendes Gewitter sein. Wir waren damals  keine echte Mannschaft mehr. Es gab Cliquenbildung. Es gab Defensive gegen Offensive. Wenn du gesagt hast: „Vier Tore müssen genügen, dass wir ein Heimspiel gewinnen, waren die Verteidiger beleidigt. Dann haben Sie gesagt, ihr arbeitet nicht gut genug nach hinten. Wir waren keine verschworene Truppe mehr. Deshalb sind wir zu Recht abgestiegen. Unter den Umständen natürlich auch traurig.

RUND: Viele FC-Fans haben deinen Wechsel zum Erzrivalen Borussia Mönchengladbach nicht ganz verstanden. Was war der Grund?
Toni Polster: Es war eine Zukunftsentscheidung. Der FC hat zu mir immer gesagt, sie wollen mich nach der Karriere im Klub behalten. Als es dann soweit gewesen ist, dass wir abgestiegen sind, konnte man sich im Verein daran nicht mehr erinnern. Ich hatte noch einen Vertrag. Wenn der FC gesagt hätte, dass ich bleiben muss, wäre ich geblieben. Für drei Millionen Mark wurde ich als 35-Jähriger verkauft. Borussia hat mir eine Zukunftsperspektive geboten. Für mich war es damals sehr wichtig, dass man nicht in ein Loch fällt nach der Karriere, sondern weiterhin im Fußball bleiben kann. Deshalb habe ich das auch gemacht. Ich konnte in Köln auch wohnen bleiben. Ich habe das Doppelte bekommen, wie in Köln. Deshalb habe ich diese Entscheidung nach der Absage vom FC für meine Zukunft getroffen.

RUND: Gibt es für dich auch die Möglichkeit, einen deutschen Zweitligisten zu trainieren?
Toni Polster: Man sollte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tätigen. Ich muss beweisen, ob ich in die Bundesliga hingehöre oder ob ich nur ein Passant bin. Natürlich wäre es jedoch schön, nach Deutschland zu kommen, weil ich mich dort wohlgefühlt habe, auch Deutschland-Fan bin. Als Trainer oder Spieler kann man sich den Verein selten aussuchen. Ich habe jetzt aber nicht 17 Manager engagiert, die durch die Fußballwelt laufen und mich wie ein Glas Wasser anbieten. Derzeit macht mir die Arbeit hier enormen Spaß. Dennoch könnte es gut möglich sein, wird sich irgendwann vielleicht einmal etwas anderes ergeben. Daran denke ich im Moment jedoch nicht.

 

Klicken Sie hier, um Teil 2 des Interviews mit Toni Polster über Österreichs WM-Chancen und Marko Arnautovic zu lesen.



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