INTERVIEW
„Es hat auch viel Kraft gekostet“
Als Hannelore Ratzeburg zu kicken begann, hatte der DFB sein Verbot des Frauenfußballs Anfang der Siebzigerjahre gerade aufgehoben. Die Vorschullehrerin aus Hamburg leistete Pionierarbeit als Funktionärin. Seit Herbst 2007 ist die 60-Jährige Vizepräsidentin und erste Frau im Präsidium des DFB. Interview Matthias Geulich

Hannelore Ratzeburg
„Ich war kein großes Fußballtalent“: Hannelore
Ratzeburg, Vizepräsidentin des Deutschen Fußball-Bundes Foto: DFB




RUND: Frau Ratzeburg, bis vor drei Jahren haben Sie als Vorschullehrerin in Hamburg gearbeitet. Ist Fußball ein Thema bei den Mädchen?

Hannelore Ratzeburg: Aber natürlich. Bei uns in der Schule haben wir einen Sportplatz. Die Mädchen gehen raus, schnappen sich den Ball und spielen Fußball. Die Jungs machen auch keine blöden Bemerkungen mehr. Da hat sich schon eine ganze Menge geändert: Sie sind sehr viel selbstbewusster als noch vor 20 Jahren. Und sie sind unheimlich begeistert.

RUND: Frauen- und Mädchenfußball gilt inzwischen als Trendsport, die Vereine verzeichnen hohe Zusatzraten. Ist für Sie als DFB-Vizepräsidentin, die bei dieser Entwicklung stark mitgeholfen hat, ein Traum in Erfüllung gegangen?
Hannelore Ratzeburg: Ja klar, wissen Sie, ich war Spielerin. Ich war kein großes Fußballtalent, aber es hat mir immer viel Spaß gemacht. Und da war niemand, der sich um uns kümmerte, also habe ich mich erst im Verein und dann im Verband um den Frauenfußball bemüht. Das war zunächst auf der ganz untersten Schiene. Anfang der Siebzigerjahre habe ich es nicht für möglich gehalten, dass wir mal Weltmeisterschaften und Olympische Spiele haben würden. Und dass wir so erfolgreich werden, mit Frauenfußball in Deutschland. Wir haben im Moment alle weiblichen Titel, die man in Europa überhaupt erreichen kann. Ich bin schon ein bisschen stolz auf diese Entwicklung – denn es hat auch viel Kraft gekostet.

RUND: Der DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger ist ein großer Kämpfer für den Frauenfußball.
Hannelore Ratzeburg: Er ist ganz energiegeladen und bisweilen etwas ungeduldig. Das sagt er selber auch von sich. Theo Zwanziger hat wirklich für sich den Frauenfußball entdeckt. Er ist ein großer Unterstützer und Befürworter und gut im Thema. Das erleichtert die Arbeit natürlich für uns alle. Es macht richtig Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten.

RUND: Wie sehr sind Sie in die Vorbereitung der WM 2011 eingebunden?
Hannelore Ratzeburg: Ich bin Mitglied im Aufsichtsgremium und werde viele Termine wahrnehmen. In unserem WM-Organisationskomitee unter der Leitung von Steffi Jones gibt es bewährte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige waren schon bei der Männer-WM 2006 dabei und wissen genau, wo die Knackpunkte sind.

RUND: Bei der EM 2008 saßen erstmals mehr Frauen als Männer vor dem Fernsehgerät.
Hannelore Ratzeburg: Das hat mich auch erstaunt. 2006 war ich zweimal auf dem Public Viewing auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg: Es war phänomenal, wie viele Frauen da waren. In den Stadien war es ähnlich. Die Motivation, ins Stadion zu gehen, ist dabei möglicherweise höchst unterschiedlich.

RUND: Für Marcel Reif ist das Laufkundschaft, wie er in einem Radiointerview den Frager belehrte.

Hannelore Ratzeburg: Das glaube ich nicht. Es war 2006 nicht so leicht, an Karten zu kommen. Dass sich die Frauen darauf eingelassen haben, zeigt, dass da auch Interesse sein muss.

RUND: Manchmal scheint inzwischen bei den Frauen ein typisches Männerpublikum zu sitzen. Beim UEFA-Cup-Finale 1. FFC Frankfurt gegen Umea Ik haben 27.000 Zuschauer die Brasilianerin Marta bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Werden sich die Frauen daran gewöhnen müssen?
Hannelore Ratzeburg: Das hoffe ich nicht. Marta hatte geschauspielert, was im Frauenfußball eigentlich nicht üblich ist. Das lieben die Zuschauer nicht. Ich fand, dass es irgendwann mal hätte gut sein können mit den Pfiffen. Ich kann nicht ausschließen, dass auch typische Männerfußball-Gucker da waren.





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